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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr.

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Reserve- und Landwehroffiziere

und in den allermeisten Fällen auch keine Hebung oder Dekorirung ihrer
Zivilstellung suchen. Würde dieser reine gute Wille richtig gewürdigt, so
würde vieles besser werden, vor allem aber -- und damit kommen wir zu dem
kritischen Punkt der Sache -- würde man sür eine tüchtigere dienstliche Aus¬
bildung der Offiziere des Veurlaubtenstandes sorgen. Hier erscheint eine
Reform dringend notwendig.

Im Felde sind von den Offizieren der Truppenteile, die zuerst mit dem
Feinde in unmittelbare Berührung kommen, mehr als die Hälfte Offiziere des
Veurlaubtenstandes. Die sehr zahlreichen und viel begehrten Kommandos
lichten, wie schon die alljährliche Probemobilmachung deutlich zeigt, die Reihen
der aktiven Offiziere bedeutend, und in die Lücken treten die Reserve- und
Landwehroffiziere. Das ist selbstverständlich und nichts neues. Aber man
sollte meinen, es bedürfte keiner langen Ausführungen, um klar zu machen,
wie ernst unter diesen Umständen die Ausbildung der Offiziere des Beurlaubten¬
standes ins Auge gefaßt werden muß. Sehen wir nun einmal, wie es that¬
sächlich mit dieser Ausbildung steht.

Nach dem Gesetz vom 9. November 1867 betreffend die Verpflichtung
zum Kriegsdienst und den ergänzenden Bestimmungen der Heerordnung steht
zur Ausbildung der Offiziere des Beurlaubtcnstandes zur Verfügung: 1. die
einjährige Dienstzeit bei der Truppe; 2. je zwei achtwöchige Übungen der
Reserveoffizieraspiranten; 3. je drei vier- bis achtwöchige Übungen der Reserve¬
offiziere, die bei längerm Verbleiben in der Reserve beliebig vermehrt werden
können; 4. die ebenfalls bei Mißerfolg beliebig zu wiederholenden, also nicht
freiwilligen Beförderungsübungeu der Landwehroffiziere, außerdem die Übungen
der Landwehr selber. Infolge einer eigentümlichen Auslegung des 12 des
angeführten Gesetzes ist außerdem durch 8 51 Ziffer 13 der Heerordnuug
vorgeschrieben, daß grundsätzlich nur achtwöchige Übungen stattfinden sollen.
So sind denn vierwvchige Übungen der Reserveoffiziere ganz außer Gebrauch
gekommen, und zur Erwirkung einer sechswöchigen bedarf es ganz besondrer
Gründe.

Rechnet man alle diese Übungen zusammen, so erhält man eine recht
ansehnliche Zeit. Es giebt Herren, die auf diese Weise weit über drei Jahre
gedient haben. Man sieht also, daß es durchaus nicht an Zeit fehlt, um den
Offizieren des Veurlaubtenstandes eine tüchtige Ausbildung zu geben. Leider
ist es aber um die Ausnutzung dieser Zeit oft schlecht bestellt.

Aus den maßgebenden Stellen der Heerordnung geht hervor, wie sehr
von der obersten Heeresleitung auf eine richtige Ausnutzung Gewicht gelegt
Wird. Es heißt dort in Z 51 Ziffer 14:

Für die zweckentsprechende, kriegsmäßige Ausbildung der zu Übungen ein¬
gezognen Offiziere des Veurlaubtenstandes sind die Truppenbefehlshaber aller Grade
>n ihrem Befehlsbereich verantwortlich.


Reserve- und Landwehroffiziere

und in den allermeisten Fällen auch keine Hebung oder Dekorirung ihrer
Zivilstellung suchen. Würde dieser reine gute Wille richtig gewürdigt, so
würde vieles besser werden, vor allem aber — und damit kommen wir zu dem
kritischen Punkt der Sache — würde man sür eine tüchtigere dienstliche Aus¬
bildung der Offiziere des Veurlaubtenstandes sorgen. Hier erscheint eine
Reform dringend notwendig.

Im Felde sind von den Offizieren der Truppenteile, die zuerst mit dem
Feinde in unmittelbare Berührung kommen, mehr als die Hälfte Offiziere des
Veurlaubtenstandes. Die sehr zahlreichen und viel begehrten Kommandos
lichten, wie schon die alljährliche Probemobilmachung deutlich zeigt, die Reihen
der aktiven Offiziere bedeutend, und in die Lücken treten die Reserve- und
Landwehroffiziere. Das ist selbstverständlich und nichts neues. Aber man
sollte meinen, es bedürfte keiner langen Ausführungen, um klar zu machen,
wie ernst unter diesen Umständen die Ausbildung der Offiziere des Beurlaubten¬
standes ins Auge gefaßt werden muß. Sehen wir nun einmal, wie es that¬
sächlich mit dieser Ausbildung steht.

Nach dem Gesetz vom 9. November 1867 betreffend die Verpflichtung
zum Kriegsdienst und den ergänzenden Bestimmungen der Heerordnung steht
zur Ausbildung der Offiziere des Beurlaubtcnstandes zur Verfügung: 1. die
einjährige Dienstzeit bei der Truppe; 2. je zwei achtwöchige Übungen der
Reserveoffizieraspiranten; 3. je drei vier- bis achtwöchige Übungen der Reserve¬
offiziere, die bei längerm Verbleiben in der Reserve beliebig vermehrt werden
können; 4. die ebenfalls bei Mißerfolg beliebig zu wiederholenden, also nicht
freiwilligen Beförderungsübungeu der Landwehroffiziere, außerdem die Übungen
der Landwehr selber. Infolge einer eigentümlichen Auslegung des 12 des
angeführten Gesetzes ist außerdem durch 8 51 Ziffer 13 der Heerordnuug
vorgeschrieben, daß grundsätzlich nur achtwöchige Übungen stattfinden sollen.
So sind denn vierwvchige Übungen der Reserveoffiziere ganz außer Gebrauch
gekommen, und zur Erwirkung einer sechswöchigen bedarf es ganz besondrer
Gründe.

Rechnet man alle diese Übungen zusammen, so erhält man eine recht
ansehnliche Zeit. Es giebt Herren, die auf diese Weise weit über drei Jahre
gedient haben. Man sieht also, daß es durchaus nicht an Zeit fehlt, um den
Offizieren des Veurlaubtenstandes eine tüchtige Ausbildung zu geben. Leider
ist es aber um die Ausnutzung dieser Zeit oft schlecht bestellt.

Aus den maßgebenden Stellen der Heerordnung geht hervor, wie sehr
von der obersten Heeresleitung auf eine richtige Ausnutzung Gewicht gelegt
Wird. Es heißt dort in Z 51 Ziffer 14:

Für die zweckentsprechende, kriegsmäßige Ausbildung der zu Übungen ein¬
gezognen Offiziere des Veurlaubtenstandes sind die Truppenbefehlshaber aller Grade
>n ihrem Befehlsbereich verantwortlich.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_225585/357>, abgerufen am 24.07.2024.