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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr.

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Reserve- und Lcmdwehroffiziere

Übungen gleich zur Landwehr übertritt. Auch die Beteiligung an den sogenannten
"kameradschaftlichen Vereinigungen" der Offiziere des Veurlaubtenstandes läßt
nach dem Urteil mancher Bezirkskommandeure viel zu wünschen übrig. sodaß
man beabsichtigen soll, diese Beteiligung durch Befehl zu erzwingen.

Wie ist diese Veränderung zu erklären? Zum Teil ist wohl daran schuld,
daß die lange Friedenszeit auf den militärischen Sinn der jungen Zivilisten
einschläfernd wirkt, auch daß die immer länger dauernde Vorbereitungszeit
für den Zivilberuf das Alter, in dem man sich zur Wahl stellen kann, weiter
hinausschiebt. Auch schreckt man bei dem immer später werdenden Eintritt
einer auskömmlichen Besoldung vor den nicht unbedeutenden Kosten zurück.
Das letzte erklärt z. B. zum größten Teil die schwache Beteiligung gerade der
jüngern Herren an den kostspieligen ..kameradschaftlichen Vereinigungen," und
es wäre sehr verfehlt, da einen Druck auszuüben, für den überdies jede gesetz¬
liche Grundlage sehlt. Die hauptsächlichsten Gründe der angeführten Erscheinung
liegen jedoch auf einem anderen Gebiet.

"Modern" ist es ja auch heute noch, Reserveoffizier zu werden -- eine
gesetzliche Verpflichtung hierzu giebt es bekanntlich nicht, sondern die Beförde¬
rung geschieht nur auf ausdrücklichen Antrag des Betreffenden --, wie oft
Hort man: "Ja, ich muß mit Rücksicht auf meinen Zivilberuf Reserveoffizier
werden." Aber das Herz ist oft nicht recht bei der Sache. Nicht als ob das
Interesse an militärischen Dingen, die Lust und Liebe zum Dienst oder der
Patriotismus nachließe, im Gegenteil, es ist bei den jungen Aspiranten nach
wie vor der beste Wille vorhanden, langjährige Jnstruktvreu von Einjährigen
und Reserveoffiziersaspiranten haben mir das oft bestätigt. Der Grund ist
vielmehr erstens die persönliche Stellung und Behandlung der Offiziere des
Beurlaubtenstandes, die oft viel zu wünschen übrig läßt, und sodann die schlechte
Ausnutzung der zur Verfügung stehenden Übungszeit. In Ur. 15 der Grenz¬
boten ist über den Wandel des Zeitgeistes im .Heere vielen aus dem Herzen
gesprochen worden. Dieser Wandel spielt auch hier seine Rolle.

In jenem Aufsatz wurde behauptet, der Verkehr der Offiziere mit Zivi¬
listen sei reger geworden. Für kleinere Orte mag das richtig sein, auch
anderswo vielleicht für die höhern Offiziere. Im übrigen verhalten sich die
Offizierkorps nach wie vor sehr exklusiv, ja mau kann die Erfahrung machen,
daß sich der überall zunehmende Klasfenhaß auch in der Behandlungsweise
der Offiziere des Veurlaubtenstandes ausprägt. Wiederholt habe ich schon aus
dem Munde alter Landwehroffiziere das Urteil gehört: "Die Behandlung ist
entschieden schlechter geworden."

Zum Teil ist daran die oft große Gleichgiltigkeit des Offizierkorps gegen¬
über allen nicht militärischen Gegenständen schuld. Wie einseitig unter diesen
Umständen der Verkehr von Reserve- und aktiven Offizieren ausfallen muß,
liegt auf der Hand. Außerdem ist die Auffassung, daß die Offiziere des Be-


Reserve- und Lcmdwehroffiziere

Übungen gleich zur Landwehr übertritt. Auch die Beteiligung an den sogenannten
„kameradschaftlichen Vereinigungen" der Offiziere des Veurlaubtenstandes läßt
nach dem Urteil mancher Bezirkskommandeure viel zu wünschen übrig. sodaß
man beabsichtigen soll, diese Beteiligung durch Befehl zu erzwingen.

Wie ist diese Veränderung zu erklären? Zum Teil ist wohl daran schuld,
daß die lange Friedenszeit auf den militärischen Sinn der jungen Zivilisten
einschläfernd wirkt, auch daß die immer länger dauernde Vorbereitungszeit
für den Zivilberuf das Alter, in dem man sich zur Wahl stellen kann, weiter
hinausschiebt. Auch schreckt man bei dem immer später werdenden Eintritt
einer auskömmlichen Besoldung vor den nicht unbedeutenden Kosten zurück.
Das letzte erklärt z. B. zum größten Teil die schwache Beteiligung gerade der
jüngern Herren an den kostspieligen ..kameradschaftlichen Vereinigungen," und
es wäre sehr verfehlt, da einen Druck auszuüben, für den überdies jede gesetz¬
liche Grundlage sehlt. Die hauptsächlichsten Gründe der angeführten Erscheinung
liegen jedoch auf einem anderen Gebiet.

„Modern" ist es ja auch heute noch, Reserveoffizier zu werden — eine
gesetzliche Verpflichtung hierzu giebt es bekanntlich nicht, sondern die Beförde¬
rung geschieht nur auf ausdrücklichen Antrag des Betreffenden —, wie oft
Hort man: „Ja, ich muß mit Rücksicht auf meinen Zivilberuf Reserveoffizier
werden." Aber das Herz ist oft nicht recht bei der Sache. Nicht als ob das
Interesse an militärischen Dingen, die Lust und Liebe zum Dienst oder der
Patriotismus nachließe, im Gegenteil, es ist bei den jungen Aspiranten nach
wie vor der beste Wille vorhanden, langjährige Jnstruktvreu von Einjährigen
und Reserveoffiziersaspiranten haben mir das oft bestätigt. Der Grund ist
vielmehr erstens die persönliche Stellung und Behandlung der Offiziere des
Beurlaubtenstandes, die oft viel zu wünschen übrig läßt, und sodann die schlechte
Ausnutzung der zur Verfügung stehenden Übungszeit. In Ur. 15 der Grenz¬
boten ist über den Wandel des Zeitgeistes im .Heere vielen aus dem Herzen
gesprochen worden. Dieser Wandel spielt auch hier seine Rolle.

In jenem Aufsatz wurde behauptet, der Verkehr der Offiziere mit Zivi¬
listen sei reger geworden. Für kleinere Orte mag das richtig sein, auch
anderswo vielleicht für die höhern Offiziere. Im übrigen verhalten sich die
Offizierkorps nach wie vor sehr exklusiv, ja mau kann die Erfahrung machen,
daß sich der überall zunehmende Klasfenhaß auch in der Behandlungsweise
der Offiziere des Veurlaubtenstandes ausprägt. Wiederholt habe ich schon aus
dem Munde alter Landwehroffiziere das Urteil gehört: „Die Behandlung ist
entschieden schlechter geworden."

Zum Teil ist daran die oft große Gleichgiltigkeit des Offizierkorps gegen¬
über allen nicht militärischen Gegenständen schuld. Wie einseitig unter diesen
Umständen der Verkehr von Reserve- und aktiven Offizieren ausfallen muß,
liegt auf der Hand. Außerdem ist die Auffassung, daß die Offiziere des Be-


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[0355] Reserve- und Lcmdwehroffiziere Übungen gleich zur Landwehr übertritt. Auch die Beteiligung an den sogenannten „kameradschaftlichen Vereinigungen" der Offiziere des Veurlaubtenstandes läßt nach dem Urteil mancher Bezirkskommandeure viel zu wünschen übrig. sodaß man beabsichtigen soll, diese Beteiligung durch Befehl zu erzwingen. Wie ist diese Veränderung zu erklären? Zum Teil ist wohl daran schuld, daß die lange Friedenszeit auf den militärischen Sinn der jungen Zivilisten einschläfernd wirkt, auch daß die immer länger dauernde Vorbereitungszeit für den Zivilberuf das Alter, in dem man sich zur Wahl stellen kann, weiter hinausschiebt. Auch schreckt man bei dem immer später werdenden Eintritt einer auskömmlichen Besoldung vor den nicht unbedeutenden Kosten zurück. Das letzte erklärt z. B. zum größten Teil die schwache Beteiligung gerade der jüngern Herren an den kostspieligen ..kameradschaftlichen Vereinigungen," und es wäre sehr verfehlt, da einen Druck auszuüben, für den überdies jede gesetz¬ liche Grundlage sehlt. Die hauptsächlichsten Gründe der angeführten Erscheinung liegen jedoch auf einem anderen Gebiet. „Modern" ist es ja auch heute noch, Reserveoffizier zu werden — eine gesetzliche Verpflichtung hierzu giebt es bekanntlich nicht, sondern die Beförde¬ rung geschieht nur auf ausdrücklichen Antrag des Betreffenden —, wie oft Hort man: „Ja, ich muß mit Rücksicht auf meinen Zivilberuf Reserveoffizier werden." Aber das Herz ist oft nicht recht bei der Sache. Nicht als ob das Interesse an militärischen Dingen, die Lust und Liebe zum Dienst oder der Patriotismus nachließe, im Gegenteil, es ist bei den jungen Aspiranten nach wie vor der beste Wille vorhanden, langjährige Jnstruktvreu von Einjährigen und Reserveoffiziersaspiranten haben mir das oft bestätigt. Der Grund ist vielmehr erstens die persönliche Stellung und Behandlung der Offiziere des Beurlaubtenstandes, die oft viel zu wünschen übrig läßt, und sodann die schlechte Ausnutzung der zur Verfügung stehenden Übungszeit. In Ur. 15 der Grenz¬ boten ist über den Wandel des Zeitgeistes im .Heere vielen aus dem Herzen gesprochen worden. Dieser Wandel spielt auch hier seine Rolle. In jenem Aufsatz wurde behauptet, der Verkehr der Offiziere mit Zivi¬ listen sei reger geworden. Für kleinere Orte mag das richtig sein, auch anderswo vielleicht für die höhern Offiziere. Im übrigen verhalten sich die Offizierkorps nach wie vor sehr exklusiv, ja mau kann die Erfahrung machen, daß sich der überall zunehmende Klasfenhaß auch in der Behandlungsweise der Offiziere des Veurlaubtenstandes ausprägt. Wiederholt habe ich schon aus dem Munde alter Landwehroffiziere das Urteil gehört: „Die Behandlung ist entschieden schlechter geworden." Zum Teil ist daran die oft große Gleichgiltigkeit des Offizierkorps gegen¬ über allen nicht militärischen Gegenständen schuld. Wie einseitig unter diesen Umständen der Verkehr von Reserve- und aktiven Offizieren ausfallen muß, liegt auf der Hand. Außerdem ist die Auffassung, daß die Offiziere des Be-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_225585/355>, abgerufen am 24.07.2024.