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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr.

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Zur Beförderung und Verabschiedung der Offiziere

Chargen, zu erwarte". Und die Mittel dazu sind vorhanden, müssen vor¬
handen sein, wenn der in jeder Wahlperiode wenigstens einmal wiederholte
Beschluß des Reichstags, seinen Mitgliedern Diäten zu gewähren, einen Sinn
haben soll. Mit deu anderthalb bis zwei Millionen aus der "Tasche der
Steuerzahler," die die in der Verfassung nicht vorgesehene Gewährung von
Reichstagsdiäten erfordern würde, könnte drei- bis viertausend pensionirten
Offizieren ein Zuschuß von 500 Mark zugewendet werden, und damit wäre
die vorhandne Notlage gehoben. Nach dieser Seite ist zweckmäßigerweise die
Agitation zu leiten, ein falscher Weg aber ist es, aus gekränkter Eigenliebe
Angriffe gegen ein System zu richten, das im vaterländischen Interesse keine
wesentliche Abänderung verträgt. Damit liefert man nur der Tagesmeinung,
die sich gegen Person und Recht des Kaisers richtet, willkommnes Material.
Da aber mit solchen Strömungen stets die Abneigung gegen das Offizierkorps,
den "Militarismus," Hand in Hand geht, so vereitelt man auf diesem Wege
selbst die einzige Möglichkeit, die es giebt, die offenkundige Notlage der Mehr¬
zahl der pensionirten Offiziere zu beseitigen. Die aus dem besondern Charakter
des Verhältnisses zwischen Vorgesetzten und Untergebnen hervorgehenden persön¬
lichen Umstünde liegen in dem Wesen des Ofsizierberufs und müssen ertragen
werden. Sie finden auch ein Gegengewicht in gewissen, ebenfalls in der Natur
dieses Ansnahmeberufs begründeten Vorzügen, die oft genug die Ursache un¬
berechtigten Neides sind und bleiben werden. Zu Gunsten der pensionirten
Offiziere läßt sich an den Grundlagen des bewährten Beförderungssystems
nichts wesentliches ändern, denn es sichert allein eine vollkommen schlagfertige
Armee für die Möglichkeit eines Krieges.

Und damit kommen wir auf deu Hauptpunkt unsrer Betrachtung, der
wohl nur selten in solchem Zusammenhang eingehend besprochen worden ist.
Wie sich eine zukünftige Mobilisirung gestalten wird, das ist völliges Ge¬
heimnis, und am allerwenigsten soll hier der Versuch gemacht werden, ein
Bild davon entwerfen zu wollen. Aber man kann sich doch ungefähr eine
Vorstellung dcivou bilden. Cadres für die dann entstehenden zahlreichen Neu-
fvrmationen haben wir nicht, und es fehlt an jedem Anhalt, wie die Sache
vor sich gehen wird. Auch die Andeutungen, die bei der Bildung der neuen
Regimenter zu zwei Bataillonen gegeben wurden, sind nicht erschöpfend und
haben höchstens eine provisorische Bedeutung, denn es liegt auf der Hand,
daß mit der Zunahme der wehrfähigen Bevölkerung dritte Bataillone zu den
neuen Regimentern kommen und diese, vielleicht erst nach Jahrzehnten, bei der
Mobilisirung ganz die Rolle der ältern spielen werden. Für unsre Betrachtung
können die neuen Regimenter außer Spiel bleiben, denn besondre Fülle der
Mobilmachung können erst recht nicht erörtert werden, weil alle Handhaben
dafür fehlen. In einer Gesellschaft, in der die Mobilisiruugsfrage aufgeworfen
wurde, sagte ein älterer, gebildeter Militär in Pension: "Denken Sie sich die


Zur Beförderung und Verabschiedung der Offiziere

Chargen, zu erwarte». Und die Mittel dazu sind vorhanden, müssen vor¬
handen sein, wenn der in jeder Wahlperiode wenigstens einmal wiederholte
Beschluß des Reichstags, seinen Mitgliedern Diäten zu gewähren, einen Sinn
haben soll. Mit deu anderthalb bis zwei Millionen aus der „Tasche der
Steuerzahler," die die in der Verfassung nicht vorgesehene Gewährung von
Reichstagsdiäten erfordern würde, könnte drei- bis viertausend pensionirten
Offizieren ein Zuschuß von 500 Mark zugewendet werden, und damit wäre
die vorhandne Notlage gehoben. Nach dieser Seite ist zweckmäßigerweise die
Agitation zu leiten, ein falscher Weg aber ist es, aus gekränkter Eigenliebe
Angriffe gegen ein System zu richten, das im vaterländischen Interesse keine
wesentliche Abänderung verträgt. Damit liefert man nur der Tagesmeinung,
die sich gegen Person und Recht des Kaisers richtet, willkommnes Material.
Da aber mit solchen Strömungen stets die Abneigung gegen das Offizierkorps,
den „Militarismus," Hand in Hand geht, so vereitelt man auf diesem Wege
selbst die einzige Möglichkeit, die es giebt, die offenkundige Notlage der Mehr¬
zahl der pensionirten Offiziere zu beseitigen. Die aus dem besondern Charakter
des Verhältnisses zwischen Vorgesetzten und Untergebnen hervorgehenden persön¬
lichen Umstünde liegen in dem Wesen des Ofsizierberufs und müssen ertragen
werden. Sie finden auch ein Gegengewicht in gewissen, ebenfalls in der Natur
dieses Ansnahmeberufs begründeten Vorzügen, die oft genug die Ursache un¬
berechtigten Neides sind und bleiben werden. Zu Gunsten der pensionirten
Offiziere läßt sich an den Grundlagen des bewährten Beförderungssystems
nichts wesentliches ändern, denn es sichert allein eine vollkommen schlagfertige
Armee für die Möglichkeit eines Krieges.

Und damit kommen wir auf deu Hauptpunkt unsrer Betrachtung, der
wohl nur selten in solchem Zusammenhang eingehend besprochen worden ist.
Wie sich eine zukünftige Mobilisirung gestalten wird, das ist völliges Ge¬
heimnis, und am allerwenigsten soll hier der Versuch gemacht werden, ein
Bild davon entwerfen zu wollen. Aber man kann sich doch ungefähr eine
Vorstellung dcivou bilden. Cadres für die dann entstehenden zahlreichen Neu-
fvrmationen haben wir nicht, und es fehlt an jedem Anhalt, wie die Sache
vor sich gehen wird. Auch die Andeutungen, die bei der Bildung der neuen
Regimenter zu zwei Bataillonen gegeben wurden, sind nicht erschöpfend und
haben höchstens eine provisorische Bedeutung, denn es liegt auf der Hand,
daß mit der Zunahme der wehrfähigen Bevölkerung dritte Bataillone zu den
neuen Regimentern kommen und diese, vielleicht erst nach Jahrzehnten, bei der
Mobilisirung ganz die Rolle der ältern spielen werden. Für unsre Betrachtung
können die neuen Regimenter außer Spiel bleiben, denn besondre Fülle der
Mobilmachung können erst recht nicht erörtert werden, weil alle Handhaben
dafür fehlen. In einer Gesellschaft, in der die Mobilisiruugsfrage aufgeworfen
wurde, sagte ein älterer, gebildeter Militär in Pension: „Denken Sie sich die


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[0308] Zur Beförderung und Verabschiedung der Offiziere Chargen, zu erwarte». Und die Mittel dazu sind vorhanden, müssen vor¬ handen sein, wenn der in jeder Wahlperiode wenigstens einmal wiederholte Beschluß des Reichstags, seinen Mitgliedern Diäten zu gewähren, einen Sinn haben soll. Mit deu anderthalb bis zwei Millionen aus der „Tasche der Steuerzahler," die die in der Verfassung nicht vorgesehene Gewährung von Reichstagsdiäten erfordern würde, könnte drei- bis viertausend pensionirten Offizieren ein Zuschuß von 500 Mark zugewendet werden, und damit wäre die vorhandne Notlage gehoben. Nach dieser Seite ist zweckmäßigerweise die Agitation zu leiten, ein falscher Weg aber ist es, aus gekränkter Eigenliebe Angriffe gegen ein System zu richten, das im vaterländischen Interesse keine wesentliche Abänderung verträgt. Damit liefert man nur der Tagesmeinung, die sich gegen Person und Recht des Kaisers richtet, willkommnes Material. Da aber mit solchen Strömungen stets die Abneigung gegen das Offizierkorps, den „Militarismus," Hand in Hand geht, so vereitelt man auf diesem Wege selbst die einzige Möglichkeit, die es giebt, die offenkundige Notlage der Mehr¬ zahl der pensionirten Offiziere zu beseitigen. Die aus dem besondern Charakter des Verhältnisses zwischen Vorgesetzten und Untergebnen hervorgehenden persön¬ lichen Umstünde liegen in dem Wesen des Ofsizierberufs und müssen ertragen werden. Sie finden auch ein Gegengewicht in gewissen, ebenfalls in der Natur dieses Ansnahmeberufs begründeten Vorzügen, die oft genug die Ursache un¬ berechtigten Neides sind und bleiben werden. Zu Gunsten der pensionirten Offiziere läßt sich an den Grundlagen des bewährten Beförderungssystems nichts wesentliches ändern, denn es sichert allein eine vollkommen schlagfertige Armee für die Möglichkeit eines Krieges. Und damit kommen wir auf deu Hauptpunkt unsrer Betrachtung, der wohl nur selten in solchem Zusammenhang eingehend besprochen worden ist. Wie sich eine zukünftige Mobilisirung gestalten wird, das ist völliges Ge¬ heimnis, und am allerwenigsten soll hier der Versuch gemacht werden, ein Bild davon entwerfen zu wollen. Aber man kann sich doch ungefähr eine Vorstellung dcivou bilden. Cadres für die dann entstehenden zahlreichen Neu- fvrmationen haben wir nicht, und es fehlt an jedem Anhalt, wie die Sache vor sich gehen wird. Auch die Andeutungen, die bei der Bildung der neuen Regimenter zu zwei Bataillonen gegeben wurden, sind nicht erschöpfend und haben höchstens eine provisorische Bedeutung, denn es liegt auf der Hand, daß mit der Zunahme der wehrfähigen Bevölkerung dritte Bataillone zu den neuen Regimentern kommen und diese, vielleicht erst nach Jahrzehnten, bei der Mobilisirung ganz die Rolle der ältern spielen werden. Für unsre Betrachtung können die neuen Regimenter außer Spiel bleiben, denn besondre Fülle der Mobilmachung können erst recht nicht erörtert werden, weil alle Handhaben dafür fehlen. In einer Gesellschaft, in der die Mobilisiruugsfrage aufgeworfen wurde, sagte ein älterer, gebildeter Militär in Pension: „Denken Sie sich die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_225585/308>, abgerufen am 04.07.2024.