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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr.

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Zur Beförderung und Verabschiedung der Offiziere

Natur dazu gehört, nicht gänzlich "ausgepumpt" zu werden. Wir können den
Anstrengungen des Auslands gegenüber diese Anforderungen nicht geringer
stellen, wenn wir die deutsche Armee aus ihrer Höhe und damit die unbedingte
Sicherung unsers Vaterlands erhalten wollen. Aber auch hierin liegt eine
weitere Ursache, die Ausschluß über die Erscheinungen des Pensionsfonds
giebt. Herr Bebel, der doch die militärische Weisheit des Jahres achtund¬
vierzig wieder hervorgesucht hat und alljährlich dem Reichstag eine Übersicht
der von ihm gesammelten "Übelstände" in der Armee vorträgt, hat mit gutem
Grunde das Thema von den "gelangweilten Leutnants," das seinerzeit bei der
Opposition eine so große Rolle spielte, noch niemals berührt. Er würde nur
über geplagte und erschöpfte Offiziere berichten können.

Das alles muß erwogen werden, wenn man der Beurteilung der Feld¬
dienstfähigkeit gerecht werden will. Die öffentliche Meinung urteilt, besonders
wenn sie Anregung zum Mißtrauen erhält, leicht bloß nach dem Augenschein,
auch hört sie über die körperliche Rüstigkeit und sonstige Leistungsfähigkeit
eines Pensionirten höchstens diesen selbst. Dessen Urteil wird aber immer ein¬
seitig ausfallen, ohne daß man dabei an unberechtigtes Selbstgefühl zu denken
braucht. Schon die Überzeugung, in seinem Beruf die beste Kraft eingesetzt
zu haben, erschwert auch dem gewissenhaftesten Charakter eine zutreffende
Selbstkritik, und durch die Aussicht auf eine kürgliche Pension wird sie nicht
günstig beeinflußt. Aber die Thätigkeit des Friedensheeres besteht in der
Vorbereitung auf den Krieg, und ein solcher bildet immer einen Ausnahme¬
zustand, von dessen glücklichem Verlauf das Bestehen des Staates abhängt,
und der allein die Verwendung der im Frieden ausgegebnen Gelder zu recht¬
fertigen vermag. Nur von diesem Gesichtspunkt aus kann der Beruf des
Offiziers beurteilt werden, und in dieser Ausnahmestellung liegt der Unter¬
schied gegenüber jedem andern Staats- und öffentlichen Dienst. Es kommt
nicht in erster Linie darauf an, daß der Offizier überhaupt dem Staate dient
wie ein andrer Staatsbeamter und dafür seinen Lohn erhält, sondern auf die
Sicherheit, die er dem Staate durch seine Kriegsbrauchbarkeit bietet. Hierüber,
wie über die Möglichkeit daraus hervorgehender materieller Nachteile, muß
sich jeder klar sein, der den Offizierberuf ergreift, und wer nicht auf idealem
Gebiet etwas findet, was ihn damit aussöhnt, für den ist der Heeresdienst
überhaupt eine schlimme Sache. Wenn dann jemand nach seiner Pensionirung
eine Broschüre über "glänzendes Elend" schreibt, so beweist er damit nur,
daß er sich einem Beruf gewidmet hatte, für den er nach seinem innern Wesen
nicht paßte.

Aus zwei Gründen Pflegen Offiziere pensionirt zu werden: entweder liegt
Unvermögen vor, über eine größere, mit der höhern Stellung verknüpfte An¬
zahl von Untergebnen zweckmüßig zu verfügen, oder es ist körperliche Erschöpfung
vorhanden. Oft fallen auch beide Gründe zusammen. Die bei uns übliche


Zur Beförderung und Verabschiedung der Offiziere

Natur dazu gehört, nicht gänzlich „ausgepumpt" zu werden. Wir können den
Anstrengungen des Auslands gegenüber diese Anforderungen nicht geringer
stellen, wenn wir die deutsche Armee aus ihrer Höhe und damit die unbedingte
Sicherung unsers Vaterlands erhalten wollen. Aber auch hierin liegt eine
weitere Ursache, die Ausschluß über die Erscheinungen des Pensionsfonds
giebt. Herr Bebel, der doch die militärische Weisheit des Jahres achtund¬
vierzig wieder hervorgesucht hat und alljährlich dem Reichstag eine Übersicht
der von ihm gesammelten „Übelstände" in der Armee vorträgt, hat mit gutem
Grunde das Thema von den „gelangweilten Leutnants," das seinerzeit bei der
Opposition eine so große Rolle spielte, noch niemals berührt. Er würde nur
über geplagte und erschöpfte Offiziere berichten können.

Das alles muß erwogen werden, wenn man der Beurteilung der Feld¬
dienstfähigkeit gerecht werden will. Die öffentliche Meinung urteilt, besonders
wenn sie Anregung zum Mißtrauen erhält, leicht bloß nach dem Augenschein,
auch hört sie über die körperliche Rüstigkeit und sonstige Leistungsfähigkeit
eines Pensionirten höchstens diesen selbst. Dessen Urteil wird aber immer ein¬
seitig ausfallen, ohne daß man dabei an unberechtigtes Selbstgefühl zu denken
braucht. Schon die Überzeugung, in seinem Beruf die beste Kraft eingesetzt
zu haben, erschwert auch dem gewissenhaftesten Charakter eine zutreffende
Selbstkritik, und durch die Aussicht auf eine kürgliche Pension wird sie nicht
günstig beeinflußt. Aber die Thätigkeit des Friedensheeres besteht in der
Vorbereitung auf den Krieg, und ein solcher bildet immer einen Ausnahme¬
zustand, von dessen glücklichem Verlauf das Bestehen des Staates abhängt,
und der allein die Verwendung der im Frieden ausgegebnen Gelder zu recht¬
fertigen vermag. Nur von diesem Gesichtspunkt aus kann der Beruf des
Offiziers beurteilt werden, und in dieser Ausnahmestellung liegt der Unter¬
schied gegenüber jedem andern Staats- und öffentlichen Dienst. Es kommt
nicht in erster Linie darauf an, daß der Offizier überhaupt dem Staate dient
wie ein andrer Staatsbeamter und dafür seinen Lohn erhält, sondern auf die
Sicherheit, die er dem Staate durch seine Kriegsbrauchbarkeit bietet. Hierüber,
wie über die Möglichkeit daraus hervorgehender materieller Nachteile, muß
sich jeder klar sein, der den Offizierberuf ergreift, und wer nicht auf idealem
Gebiet etwas findet, was ihn damit aussöhnt, für den ist der Heeresdienst
überhaupt eine schlimme Sache. Wenn dann jemand nach seiner Pensionirung
eine Broschüre über „glänzendes Elend" schreibt, so beweist er damit nur,
daß er sich einem Beruf gewidmet hatte, für den er nach seinem innern Wesen
nicht paßte.

Aus zwei Gründen Pflegen Offiziere pensionirt zu werden: entweder liegt
Unvermögen vor, über eine größere, mit der höhern Stellung verknüpfte An¬
zahl von Untergebnen zweckmüßig zu verfügen, oder es ist körperliche Erschöpfung
vorhanden. Oft fallen auch beide Gründe zusammen. Die bei uns übliche


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[0304] Zur Beförderung und Verabschiedung der Offiziere Natur dazu gehört, nicht gänzlich „ausgepumpt" zu werden. Wir können den Anstrengungen des Auslands gegenüber diese Anforderungen nicht geringer stellen, wenn wir die deutsche Armee aus ihrer Höhe und damit die unbedingte Sicherung unsers Vaterlands erhalten wollen. Aber auch hierin liegt eine weitere Ursache, die Ausschluß über die Erscheinungen des Pensionsfonds giebt. Herr Bebel, der doch die militärische Weisheit des Jahres achtund¬ vierzig wieder hervorgesucht hat und alljährlich dem Reichstag eine Übersicht der von ihm gesammelten „Übelstände" in der Armee vorträgt, hat mit gutem Grunde das Thema von den „gelangweilten Leutnants," das seinerzeit bei der Opposition eine so große Rolle spielte, noch niemals berührt. Er würde nur über geplagte und erschöpfte Offiziere berichten können. Das alles muß erwogen werden, wenn man der Beurteilung der Feld¬ dienstfähigkeit gerecht werden will. Die öffentliche Meinung urteilt, besonders wenn sie Anregung zum Mißtrauen erhält, leicht bloß nach dem Augenschein, auch hört sie über die körperliche Rüstigkeit und sonstige Leistungsfähigkeit eines Pensionirten höchstens diesen selbst. Dessen Urteil wird aber immer ein¬ seitig ausfallen, ohne daß man dabei an unberechtigtes Selbstgefühl zu denken braucht. Schon die Überzeugung, in seinem Beruf die beste Kraft eingesetzt zu haben, erschwert auch dem gewissenhaftesten Charakter eine zutreffende Selbstkritik, und durch die Aussicht auf eine kürgliche Pension wird sie nicht günstig beeinflußt. Aber die Thätigkeit des Friedensheeres besteht in der Vorbereitung auf den Krieg, und ein solcher bildet immer einen Ausnahme¬ zustand, von dessen glücklichem Verlauf das Bestehen des Staates abhängt, und der allein die Verwendung der im Frieden ausgegebnen Gelder zu recht¬ fertigen vermag. Nur von diesem Gesichtspunkt aus kann der Beruf des Offiziers beurteilt werden, und in dieser Ausnahmestellung liegt der Unter¬ schied gegenüber jedem andern Staats- und öffentlichen Dienst. Es kommt nicht in erster Linie darauf an, daß der Offizier überhaupt dem Staate dient wie ein andrer Staatsbeamter und dafür seinen Lohn erhält, sondern auf die Sicherheit, die er dem Staate durch seine Kriegsbrauchbarkeit bietet. Hierüber, wie über die Möglichkeit daraus hervorgehender materieller Nachteile, muß sich jeder klar sein, der den Offizierberuf ergreift, und wer nicht auf idealem Gebiet etwas findet, was ihn damit aussöhnt, für den ist der Heeresdienst überhaupt eine schlimme Sache. Wenn dann jemand nach seiner Pensionirung eine Broschüre über „glänzendes Elend" schreibt, so beweist er damit nur, daß er sich einem Beruf gewidmet hatte, für den er nach seinem innern Wesen nicht paßte. Aus zwei Gründen Pflegen Offiziere pensionirt zu werden: entweder liegt Unvermögen vor, über eine größere, mit der höhern Stellung verknüpfte An¬ zahl von Untergebnen zweckmüßig zu verfügen, oder es ist körperliche Erschöpfung vorhanden. Oft fallen auch beide Gründe zusammen. Die bei uns übliche

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_225585/304>, abgerufen am 24.07.2024.