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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr.

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reicht, hinaufgeschraubt werden. Keinem Beamten, die Mitglieder der Geschäfts¬
leitung eingeschlossen, darf an Jahresgchalt mehr gewährt werden, als das Zehnfache
des durchschnittlichen jährlichen Einkommens der über vierundzwanzig Jahre alten
und mindestens drei Jahre im Betriebe thätigen Lohnarbeiter." Alles, was nach
Tantieme aussieht, ist verbannt. Auch so stehen sich diese Beamten noch bedeutend
besser als Staatsbeamte von demselben Bildungsgrade. Die Erwägung, daß diese
Beschränkung der Einkomineusteigerung den Konkurrenten die erwünschte Möglichkeit
darbieten werde, dem Unternehmen die besten Kräfte zu entziehen, hat Abbe natürlich
selbst angestellt; "die Möglichkeit, daß gelegentlich einmal eine sonst Wertdolle Kraft
dem Dienst der Stiftung deshalb verloren gehen könne, giebt der Stifter selbst zu.
Er beruhigt sich aber bei der Überzeugung, daß die Stiftung doch immer auf
solche Personen angewiesen bleibe, für welche die eigentliche Triebfeder des Handelns
nicht in der Aussicht ans außerordentlichen materiellen Gewinn, sondern in dem
innern Antriebe zur Bethätigung in einem tüchtigen Wirkungskreise liegt." Vielleicht
wird diese Hoffnung nicht getäuscht, weil die Leiter einer optischen Anstalt Gelehrte
sein müssen, und weil Jena in Deutschland liegt; in der Baumwollenspinnerei und
in dem Lande, wo mau nur kaufmännisch rechnet, könnte ein solcher Idealismus
kaum aufkommen. Die englischen Unternehmer sind heute voll Sorge wegen der
deutscheu Konkurrenz, und unter die Ursachen der deutschen Erfolge glauben sie
auch die niedrigern Arbeitslöhne rechnen zu müssen. Deshalb erwacht bei ihnen
muss neue der Groll gegen die Gewerkvereine, deren Hauptzweck es ja ist, Lohn¬
erhöhungen anzustreben, und sie schaffen sich Theoretiker an, die den Arbeitern und
der Regierung beweisen müssen, daß die Gewerkvereine der Nation im ganzen, also
auch den Arbeitern, nnr Schaden zufügen. Ein solcher Versuch liegt in der Broschüre
vor: Eine Kritik der Theorie der Gewerkvereine von T. S. Cree. Antorisirte
deutsche Ausgabe. (Berlin, Mitschcr und Röstell, 1897.) Der Verfasser fußt, ob¬
wohl er es nicht Wort haben will, auf der Theorie von einem durch dos National¬
vermögen gegebnen Lohnfonds, dessen Überschreitung die Volkswirtschaft gefährde.
Eine Anseinanderschnng mit dieser Theorie, wobei uur tausendmal gesagtes wieder¬
holt werden könnte, würde eine lange Abhandlung erfordern. Von praktischer
Bedeutung siud doch uur die beiden Frage", ob sich die anderthalb Millionen
englischer Gewerkvereinler von Cree werden davon überzeugen lassen, daß sie die
ganze Zeit über gegen ihren eignen Vorteil gehandelt haben, und ob, wenn dies
nicht der Fall sein sollte, das englische Unterhaus es wagen wird, durch Be¬
schränkungen der Koalitionsfreiheit "der unerträglichen Thrannei der Gewerkvereine"
ein Ende zu machen.

Da unsre Übersicht schon unmäßig lang geworden ist, müssen uur die noch
übrigen Sachen ganz kurz abfertigen. Albert Schaffte und Paul Lechler
hatten in einer Nationale Wohnungsreform betitelten Schrift den Vorschlag
eiuer Bnubauk oder Wohnnngsrefvrinkreditanstnlt begründet; in einer weitern
Schrift: Neue Beiträge zur nationalen Wohnungsreform (Berlin, Ernst
Hofmann u. Comp., 1897) verteidigen sie ihren Plan gegen die Angriffe ihrer
Kritiker. Ein Arzt, Dr. Georg Bonne, fordert dringend die Dezentralisirnng
der großstädtischen Bevölkerung in einem Flngblntte: Die Wohnungsfrage in
ihrer Bedeutung für die Verbilligung der Arbeitskräfte mit besondrer Berücksichtigung
Hamburgischer Verhältnisse (Hamburg, Druck der Aktiengesellschaft Neue Börsen-Halle,
1897). Professor Knapp endlich hat uns mit einem Bändchen voll Aufsähen be¬
schenkt, die als wertvolle Ergänzungen der vou ihm und seinen Schülern gelieferten
Darstellung deutscher Agrarverhältnisse und Agrargeschichteu bezeichnet werden dürfen


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reicht, hinaufgeschraubt werden. Keinem Beamten, die Mitglieder der Geschäfts¬
leitung eingeschlossen, darf an Jahresgchalt mehr gewährt werden, als das Zehnfache
des durchschnittlichen jährlichen Einkommens der über vierundzwanzig Jahre alten
und mindestens drei Jahre im Betriebe thätigen Lohnarbeiter." Alles, was nach
Tantieme aussieht, ist verbannt. Auch so stehen sich diese Beamten noch bedeutend
besser als Staatsbeamte von demselben Bildungsgrade. Die Erwägung, daß diese
Beschränkung der Einkomineusteigerung den Konkurrenten die erwünschte Möglichkeit
darbieten werde, dem Unternehmen die besten Kräfte zu entziehen, hat Abbe natürlich
selbst angestellt; „die Möglichkeit, daß gelegentlich einmal eine sonst Wertdolle Kraft
dem Dienst der Stiftung deshalb verloren gehen könne, giebt der Stifter selbst zu.
Er beruhigt sich aber bei der Überzeugung, daß die Stiftung doch immer auf
solche Personen angewiesen bleibe, für welche die eigentliche Triebfeder des Handelns
nicht in der Aussicht ans außerordentlichen materiellen Gewinn, sondern in dem
innern Antriebe zur Bethätigung in einem tüchtigen Wirkungskreise liegt." Vielleicht
wird diese Hoffnung nicht getäuscht, weil die Leiter einer optischen Anstalt Gelehrte
sein müssen, und weil Jena in Deutschland liegt; in der Baumwollenspinnerei und
in dem Lande, wo mau nur kaufmännisch rechnet, könnte ein solcher Idealismus
kaum aufkommen. Die englischen Unternehmer sind heute voll Sorge wegen der
deutscheu Konkurrenz, und unter die Ursachen der deutschen Erfolge glauben sie
auch die niedrigern Arbeitslöhne rechnen zu müssen. Deshalb erwacht bei ihnen
muss neue der Groll gegen die Gewerkvereine, deren Hauptzweck es ja ist, Lohn¬
erhöhungen anzustreben, und sie schaffen sich Theoretiker an, die den Arbeitern und
der Regierung beweisen müssen, daß die Gewerkvereine der Nation im ganzen, also
auch den Arbeitern, nnr Schaden zufügen. Ein solcher Versuch liegt in der Broschüre
vor: Eine Kritik der Theorie der Gewerkvereine von T. S. Cree. Antorisirte
deutsche Ausgabe. (Berlin, Mitschcr und Röstell, 1897.) Der Verfasser fußt, ob¬
wohl er es nicht Wort haben will, auf der Theorie von einem durch dos National¬
vermögen gegebnen Lohnfonds, dessen Überschreitung die Volkswirtschaft gefährde.
Eine Anseinanderschnng mit dieser Theorie, wobei uur tausendmal gesagtes wieder¬
holt werden könnte, würde eine lange Abhandlung erfordern. Von praktischer
Bedeutung siud doch uur die beiden Frage», ob sich die anderthalb Millionen
englischer Gewerkvereinler von Cree werden davon überzeugen lassen, daß sie die
ganze Zeit über gegen ihren eignen Vorteil gehandelt haben, und ob, wenn dies
nicht der Fall sein sollte, das englische Unterhaus es wagen wird, durch Be¬
schränkungen der Koalitionsfreiheit „der unerträglichen Thrannei der Gewerkvereine"
ein Ende zu machen.

Da unsre Übersicht schon unmäßig lang geworden ist, müssen uur die noch
übrigen Sachen ganz kurz abfertigen. Albert Schaffte und Paul Lechler
hatten in einer Nationale Wohnungsreform betitelten Schrift den Vorschlag
eiuer Bnubauk oder Wohnnngsrefvrinkreditanstnlt begründet; in einer weitern
Schrift: Neue Beiträge zur nationalen Wohnungsreform (Berlin, Ernst
Hofmann u. Comp., 1897) verteidigen sie ihren Plan gegen die Angriffe ihrer
Kritiker. Ein Arzt, Dr. Georg Bonne, fordert dringend die Dezentralisirnng
der großstädtischen Bevölkerung in einem Flngblntte: Die Wohnungsfrage in
ihrer Bedeutung für die Verbilligung der Arbeitskräfte mit besondrer Berücksichtigung
Hamburgischer Verhältnisse (Hamburg, Druck der Aktiengesellschaft Neue Börsen-Halle,
1897). Professor Knapp endlich hat uns mit einem Bändchen voll Aufsähen be¬
schenkt, die als wertvolle Ergänzungen der vou ihm und seinen Schülern gelieferten
Darstellung deutscher Agrarverhältnisse und Agrargeschichteu bezeichnet werden dürfen


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[0245] Litteratur reicht, hinaufgeschraubt werden. Keinem Beamten, die Mitglieder der Geschäfts¬ leitung eingeschlossen, darf an Jahresgchalt mehr gewährt werden, als das Zehnfache des durchschnittlichen jährlichen Einkommens der über vierundzwanzig Jahre alten und mindestens drei Jahre im Betriebe thätigen Lohnarbeiter." Alles, was nach Tantieme aussieht, ist verbannt. Auch so stehen sich diese Beamten noch bedeutend besser als Staatsbeamte von demselben Bildungsgrade. Die Erwägung, daß diese Beschränkung der Einkomineusteigerung den Konkurrenten die erwünschte Möglichkeit darbieten werde, dem Unternehmen die besten Kräfte zu entziehen, hat Abbe natürlich selbst angestellt; „die Möglichkeit, daß gelegentlich einmal eine sonst Wertdolle Kraft dem Dienst der Stiftung deshalb verloren gehen könne, giebt der Stifter selbst zu. Er beruhigt sich aber bei der Überzeugung, daß die Stiftung doch immer auf solche Personen angewiesen bleibe, für welche die eigentliche Triebfeder des Handelns nicht in der Aussicht ans außerordentlichen materiellen Gewinn, sondern in dem innern Antriebe zur Bethätigung in einem tüchtigen Wirkungskreise liegt." Vielleicht wird diese Hoffnung nicht getäuscht, weil die Leiter einer optischen Anstalt Gelehrte sein müssen, und weil Jena in Deutschland liegt; in der Baumwollenspinnerei und in dem Lande, wo mau nur kaufmännisch rechnet, könnte ein solcher Idealismus kaum aufkommen. Die englischen Unternehmer sind heute voll Sorge wegen der deutscheu Konkurrenz, und unter die Ursachen der deutschen Erfolge glauben sie auch die niedrigern Arbeitslöhne rechnen zu müssen. Deshalb erwacht bei ihnen muss neue der Groll gegen die Gewerkvereine, deren Hauptzweck es ja ist, Lohn¬ erhöhungen anzustreben, und sie schaffen sich Theoretiker an, die den Arbeitern und der Regierung beweisen müssen, daß die Gewerkvereine der Nation im ganzen, also auch den Arbeitern, nnr Schaden zufügen. Ein solcher Versuch liegt in der Broschüre vor: Eine Kritik der Theorie der Gewerkvereine von T. S. Cree. Antorisirte deutsche Ausgabe. (Berlin, Mitschcr und Röstell, 1897.) Der Verfasser fußt, ob¬ wohl er es nicht Wort haben will, auf der Theorie von einem durch dos National¬ vermögen gegebnen Lohnfonds, dessen Überschreitung die Volkswirtschaft gefährde. Eine Anseinanderschnng mit dieser Theorie, wobei uur tausendmal gesagtes wieder¬ holt werden könnte, würde eine lange Abhandlung erfordern. Von praktischer Bedeutung siud doch uur die beiden Frage», ob sich die anderthalb Millionen englischer Gewerkvereinler von Cree werden davon überzeugen lassen, daß sie die ganze Zeit über gegen ihren eignen Vorteil gehandelt haben, und ob, wenn dies nicht der Fall sein sollte, das englische Unterhaus es wagen wird, durch Be¬ schränkungen der Koalitionsfreiheit „der unerträglichen Thrannei der Gewerkvereine" ein Ende zu machen. Da unsre Übersicht schon unmäßig lang geworden ist, müssen uur die noch übrigen Sachen ganz kurz abfertigen. Albert Schaffte und Paul Lechler hatten in einer Nationale Wohnungsreform betitelten Schrift den Vorschlag eiuer Bnubauk oder Wohnnngsrefvrinkreditanstnlt begründet; in einer weitern Schrift: Neue Beiträge zur nationalen Wohnungsreform (Berlin, Ernst Hofmann u. Comp., 1897) verteidigen sie ihren Plan gegen die Angriffe ihrer Kritiker. Ein Arzt, Dr. Georg Bonne, fordert dringend die Dezentralisirnng der großstädtischen Bevölkerung in einem Flngblntte: Die Wohnungsfrage in ihrer Bedeutung für die Verbilligung der Arbeitskräfte mit besondrer Berücksichtigung Hamburgischer Verhältnisse (Hamburg, Druck der Aktiengesellschaft Neue Börsen-Halle, 1897). Professor Knapp endlich hat uns mit einem Bändchen voll Aufsähen be¬ schenkt, die als wertvolle Ergänzungen der vou ihm und seinen Schülern gelieferten Darstellung deutscher Agrarverhältnisse und Agrargeschichteu bezeichnet werden dürfen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_225585/245>, abgerufen am 29.12.2024.