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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr.

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Vererbung

die Eltern durch schlechte Ernährung ihre Kraft verlieren, so wird auch ihre
Keimsubstanz schlecht genährt sein und das Kind schwach ausfallen, und in der
Sonne braun gewordne Eltern werden kaum noch ganz weiße Kinder haben;
durch tausendjährigen Aufenthalt in Mittelafrika wird ein kaukasischer Stamm
zwar nicht im Knochenbau, wohl aber in der Farbe den Negern ähnlich werden.

Vernehmen wir noch folgende Zugeständnisse: "Wenn es nun auch keinem
Zweifel mehr unterliegen kann, daß klimatische und andre äußere Einflüsse
dauernde Abänderungen an einer Art hervorzurufen vermögen, indem die lange
Zeit hindurch gleichsinnig einwirkende Ursache die erste leichte Abänderung ge¬
wisser Determinanten verstärkt und nach und nach auch die schwerer ver¬
änderlichen Varianten der Determinanten beeinflußt, so beruht doch die
unendliche Mehrheit der Abänderungen nicht darauf, sondern auf Selektions¬
prozessen" (X 553). "Ich glaube nicht, daß das, was wir an Variationen
sehen können, schon das direkte Resultat jener kleinsten Schwankungen der
einzelnen Determinanten ist; sie können wohl erst das Summationsprodukt
vieler solcher Schwankungen sein" (X 554). "Es wurde oben schon gezeigt,
daß auch die Verdopplung einer Determinante des Keimplasmas auf Ernäh¬
rungseinflüsse bezogen werden kann, und es wird somit die Anwendung der
oben entwickelten Prinzipien auf die Vermehrung der Determinanten keiner
Schwierigkeit begegnen. Die bedeutendern Abänderungen der Arten, alle Ver¬
größerung von Teilen, alle Höherdifferenzirung von Organen muß damit ver¬
bunden sein, und die Summirung verdoppelter Determinanten einzelner Ite
wird ebenso wie ihre bloß qualitative Abänderung durch Neduktionsteiluug
und Amphimixis so lauge summirt werden können, bis die Abänderung
sichtbar wird, und Naturzüchtung eingreifen kann" (X 556). "Das Ver¬
kümmern von Teilen muß auf den Schwund der betreffenden Determinanten
im Keimplasma beruhen. . . . Der Anlaß zum Rückgang einer Determinante
wird in schwächerer Ernährung gesucht werden müssen" (X 565). Weismann
setzt ein schwaches Gedächtnis bei seinen Lesern voraus, wenn er nach alledem
Seite 569 schreibt: "Wie gleich anfangs gesagt wurde, müssen wir uns die
einzelnen Schwankungen der Determinanten ungemein klein vorstellen. Direkt
könnte Naturzüchtung mit der einzelnen Variation nichts anfangen;") sie könnte
sie nicht summiren; die Summirung kann lediglich durch Amphimixis bewirkt
werden." Nicht lediglich durch Amphimixis, wie wir ja weiter oben von ihm
selber erfahren haben, sondern u. a. auch durch Einwirkung von Hitze oder
Kälte und durch bessere oder schlechtere Ernährung, wenn diese Einflüsse viele
Generationen hindurch anhalten. Und gerade mit den andern Umständen, die
Veränderungen erzeugen und solche summiren, beschäftigt er sich in dem folgen-



Weil, wie wir mehrfach hervorgehoben haben, unmerkbar kleine Veränderungen dem
Tier noch keinen Vorteil im Kampfe mit seinen Konkurrenten gewähren.
Vererbung

die Eltern durch schlechte Ernährung ihre Kraft verlieren, so wird auch ihre
Keimsubstanz schlecht genährt sein und das Kind schwach ausfallen, und in der
Sonne braun gewordne Eltern werden kaum noch ganz weiße Kinder haben;
durch tausendjährigen Aufenthalt in Mittelafrika wird ein kaukasischer Stamm
zwar nicht im Knochenbau, wohl aber in der Farbe den Negern ähnlich werden.

Vernehmen wir noch folgende Zugeständnisse: „Wenn es nun auch keinem
Zweifel mehr unterliegen kann, daß klimatische und andre äußere Einflüsse
dauernde Abänderungen an einer Art hervorzurufen vermögen, indem die lange
Zeit hindurch gleichsinnig einwirkende Ursache die erste leichte Abänderung ge¬
wisser Determinanten verstärkt und nach und nach auch die schwerer ver¬
änderlichen Varianten der Determinanten beeinflußt, so beruht doch die
unendliche Mehrheit der Abänderungen nicht darauf, sondern auf Selektions¬
prozessen" (X 553). „Ich glaube nicht, daß das, was wir an Variationen
sehen können, schon das direkte Resultat jener kleinsten Schwankungen der
einzelnen Determinanten ist; sie können wohl erst das Summationsprodukt
vieler solcher Schwankungen sein" (X 554). „Es wurde oben schon gezeigt,
daß auch die Verdopplung einer Determinante des Keimplasmas auf Ernäh¬
rungseinflüsse bezogen werden kann, und es wird somit die Anwendung der
oben entwickelten Prinzipien auf die Vermehrung der Determinanten keiner
Schwierigkeit begegnen. Die bedeutendern Abänderungen der Arten, alle Ver¬
größerung von Teilen, alle Höherdifferenzirung von Organen muß damit ver¬
bunden sein, und die Summirung verdoppelter Determinanten einzelner Ite
wird ebenso wie ihre bloß qualitative Abänderung durch Neduktionsteiluug
und Amphimixis so lauge summirt werden können, bis die Abänderung
sichtbar wird, und Naturzüchtung eingreifen kann" (X 556). „Das Ver¬
kümmern von Teilen muß auf den Schwund der betreffenden Determinanten
im Keimplasma beruhen. . . . Der Anlaß zum Rückgang einer Determinante
wird in schwächerer Ernährung gesucht werden müssen" (X 565). Weismann
setzt ein schwaches Gedächtnis bei seinen Lesern voraus, wenn er nach alledem
Seite 569 schreibt: „Wie gleich anfangs gesagt wurde, müssen wir uns die
einzelnen Schwankungen der Determinanten ungemein klein vorstellen. Direkt
könnte Naturzüchtung mit der einzelnen Variation nichts anfangen;") sie könnte
sie nicht summiren; die Summirung kann lediglich durch Amphimixis bewirkt
werden." Nicht lediglich durch Amphimixis, wie wir ja weiter oben von ihm
selber erfahren haben, sondern u. a. auch durch Einwirkung von Hitze oder
Kälte und durch bessere oder schlechtere Ernährung, wenn diese Einflüsse viele
Generationen hindurch anhalten. Und gerade mit den andern Umständen, die
Veränderungen erzeugen und solche summiren, beschäftigt er sich in dem folgen-



Weil, wie wir mehrfach hervorgehoben haben, unmerkbar kleine Veränderungen dem
Tier noch keinen Vorteil im Kampfe mit seinen Konkurrenten gewähren.
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[0135] Vererbung die Eltern durch schlechte Ernährung ihre Kraft verlieren, so wird auch ihre Keimsubstanz schlecht genährt sein und das Kind schwach ausfallen, und in der Sonne braun gewordne Eltern werden kaum noch ganz weiße Kinder haben; durch tausendjährigen Aufenthalt in Mittelafrika wird ein kaukasischer Stamm zwar nicht im Knochenbau, wohl aber in der Farbe den Negern ähnlich werden. Vernehmen wir noch folgende Zugeständnisse: „Wenn es nun auch keinem Zweifel mehr unterliegen kann, daß klimatische und andre äußere Einflüsse dauernde Abänderungen an einer Art hervorzurufen vermögen, indem die lange Zeit hindurch gleichsinnig einwirkende Ursache die erste leichte Abänderung ge¬ wisser Determinanten verstärkt und nach und nach auch die schwerer ver¬ änderlichen Varianten der Determinanten beeinflußt, so beruht doch die unendliche Mehrheit der Abänderungen nicht darauf, sondern auf Selektions¬ prozessen" (X 553). „Ich glaube nicht, daß das, was wir an Variationen sehen können, schon das direkte Resultat jener kleinsten Schwankungen der einzelnen Determinanten ist; sie können wohl erst das Summationsprodukt vieler solcher Schwankungen sein" (X 554). „Es wurde oben schon gezeigt, daß auch die Verdopplung einer Determinante des Keimplasmas auf Ernäh¬ rungseinflüsse bezogen werden kann, und es wird somit die Anwendung der oben entwickelten Prinzipien auf die Vermehrung der Determinanten keiner Schwierigkeit begegnen. Die bedeutendern Abänderungen der Arten, alle Ver¬ größerung von Teilen, alle Höherdifferenzirung von Organen muß damit ver¬ bunden sein, und die Summirung verdoppelter Determinanten einzelner Ite wird ebenso wie ihre bloß qualitative Abänderung durch Neduktionsteiluug und Amphimixis so lauge summirt werden können, bis die Abänderung sichtbar wird, und Naturzüchtung eingreifen kann" (X 556). „Das Ver¬ kümmern von Teilen muß auf den Schwund der betreffenden Determinanten im Keimplasma beruhen. . . . Der Anlaß zum Rückgang einer Determinante wird in schwächerer Ernährung gesucht werden müssen" (X 565). Weismann setzt ein schwaches Gedächtnis bei seinen Lesern voraus, wenn er nach alledem Seite 569 schreibt: „Wie gleich anfangs gesagt wurde, müssen wir uns die einzelnen Schwankungen der Determinanten ungemein klein vorstellen. Direkt könnte Naturzüchtung mit der einzelnen Variation nichts anfangen;") sie könnte sie nicht summiren; die Summirung kann lediglich durch Amphimixis bewirkt werden." Nicht lediglich durch Amphimixis, wie wir ja weiter oben von ihm selber erfahren haben, sondern u. a. auch durch Einwirkung von Hitze oder Kälte und durch bessere oder schlechtere Ernährung, wenn diese Einflüsse viele Generationen hindurch anhalten. Und gerade mit den andern Umständen, die Veränderungen erzeugen und solche summiren, beschäftigt er sich in dem folgen- Weil, wie wir mehrfach hervorgehoben haben, unmerkbar kleine Veränderungen dem Tier noch keinen Vorteil im Kampfe mit seinen Konkurrenten gewähren.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_225585/135>, abgerufen am 24.07.2024.