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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr.

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Zu den diesjährigen Aaisermanövern

Erwiderung, die Prinz Arnulf bei der Krönnngsfeier in Moskau auf den un¬
passend gewühlten Ausdruck eines Festredners von dem "Gefolge" des Prinzen
Heinrich gab. Aber die geschickte Art der Behandlung dieses Zwischenfalls
in Berlin und München, die jede unliebsame Deutung ausschloß, zeigte
schon, daß sich frühere Vorkommnisse nicht wiederholen werden. Es ist z. B.
kein Geheimnis, daß vor der Einführung des neuen Jnfanteriereglements keine
bairische Stimme zur Beratung zugezogen worden war. Bei der Dringlichkeit
der Maßregel erscheint das erklärlich, denn bei der damaligen Stimmung
hätte die Beratung eine Verschleppung bedeutet; aber die gegenseitigen Be¬
ziehungen erwärmte das begreiflicherweise nicht. Heute kommt so etwas nicht
mehr vor. Das Vorgehen des Kaisers hat zu einer unzweifelhaften Klärung
des Bundesverhältnisses und durch sorgfältige Schonung aller berechtigten
Eigenart und entgegenkommende Berücksichtigung aller Rechte Vaierns auch
zu neuer Befestigung geführt. Prinzregent Luitpold läßt keine Gelegenheit
vorübergehen, zu betonen, wie sehr er am Reiche hänge, und kein Geburtstag
des Reichsvberhcmpts vergeht, an dem nicht die bairischen Korpskommandanten
ebenso wie die preußischen, sächsischen und württembergischen in Berlin er¬
scheinen, und ein Prinz die Glückwünsche des bairischen Königshauses über¬
bringt. Das ist auf nationaler Seite umso mehr mit Befriedigung und An¬
erkennung aufzunehmen, als ein Übersehen dieser Höflichkeiten immer noch auf
den Beifall größerer Massen zu zählen hätte. Die leitenden Personen können
hier nur Schritt für Schritt eine Besserung anbahnen.

Ein bedeutender Schritt war schon vor zehn Jahren durch Beseitigung
des Naupenhclms geschehen; diese Maßregel ging von Baiern allein aus und
hat in den oben geschilderten Kreisen viel scheinpatriotischen Jammer hervor¬
gerufen. Sigl besang das Ereignis im März 1887 folgendermaßen:

Und nach Ostern 1888 tischte er seinen Lesern eine gefühlvolle Geschichte
auf. Am ersten Feiertag hätten im Hofbräuhaus eine Anzahl Chevcmxlcgers
gesessen, denen vor großer Trübseligkeit der herrliche "Stoff" nicht hätte
schmecken wollen. Schließlich habe man herausgebracht, "nicht der versagte
Urlaub, sondern der Verlust des angestammten schmucken Ranpenhelms und
dessen Ersatz durch die Pickelhaube sei der Grund, daß ihnen nicht einmal
das Hofbräuhausbier mehr schmecke." Nur diese wenigen Beispiele seien an¬
geführt, um zu zeigen, mit welchen an sich lächerlichen, aber in gewissen
Schichten der Bevölkerung sicherlich wirksamen Mitteln den Bestrebungen der
maßgebenden und für das Gesamtwohl verantwortlichen Kreise entgegengewirkt


Zu den diesjährigen Aaisermanövern

Erwiderung, die Prinz Arnulf bei der Krönnngsfeier in Moskau auf den un¬
passend gewühlten Ausdruck eines Festredners von dem „Gefolge" des Prinzen
Heinrich gab. Aber die geschickte Art der Behandlung dieses Zwischenfalls
in Berlin und München, die jede unliebsame Deutung ausschloß, zeigte
schon, daß sich frühere Vorkommnisse nicht wiederholen werden. Es ist z. B.
kein Geheimnis, daß vor der Einführung des neuen Jnfanteriereglements keine
bairische Stimme zur Beratung zugezogen worden war. Bei der Dringlichkeit
der Maßregel erscheint das erklärlich, denn bei der damaligen Stimmung
hätte die Beratung eine Verschleppung bedeutet; aber die gegenseitigen Be¬
ziehungen erwärmte das begreiflicherweise nicht. Heute kommt so etwas nicht
mehr vor. Das Vorgehen des Kaisers hat zu einer unzweifelhaften Klärung
des Bundesverhältnisses und durch sorgfältige Schonung aller berechtigten
Eigenart und entgegenkommende Berücksichtigung aller Rechte Vaierns auch
zu neuer Befestigung geführt. Prinzregent Luitpold läßt keine Gelegenheit
vorübergehen, zu betonen, wie sehr er am Reiche hänge, und kein Geburtstag
des Reichsvberhcmpts vergeht, an dem nicht die bairischen Korpskommandanten
ebenso wie die preußischen, sächsischen und württembergischen in Berlin er¬
scheinen, und ein Prinz die Glückwünsche des bairischen Königshauses über¬
bringt. Das ist auf nationaler Seite umso mehr mit Befriedigung und An¬
erkennung aufzunehmen, als ein Übersehen dieser Höflichkeiten immer noch auf
den Beifall größerer Massen zu zählen hätte. Die leitenden Personen können
hier nur Schritt für Schritt eine Besserung anbahnen.

Ein bedeutender Schritt war schon vor zehn Jahren durch Beseitigung
des Naupenhclms geschehen; diese Maßregel ging von Baiern allein aus und
hat in den oben geschilderten Kreisen viel scheinpatriotischen Jammer hervor¬
gerufen. Sigl besang das Ereignis im März 1887 folgendermaßen:

Und nach Ostern 1888 tischte er seinen Lesern eine gefühlvolle Geschichte
auf. Am ersten Feiertag hätten im Hofbräuhaus eine Anzahl Chevcmxlcgers
gesessen, denen vor großer Trübseligkeit der herrliche „Stoff" nicht hätte
schmecken wollen. Schließlich habe man herausgebracht, „nicht der versagte
Urlaub, sondern der Verlust des angestammten schmucken Ranpenhelms und
dessen Ersatz durch die Pickelhaube sei der Grund, daß ihnen nicht einmal
das Hofbräuhausbier mehr schmecke." Nur diese wenigen Beispiele seien an¬
geführt, um zu zeigen, mit welchen an sich lächerlichen, aber in gewissen
Schichten der Bevölkerung sicherlich wirksamen Mitteln den Bestrebungen der
maßgebenden und für das Gesamtwohl verantwortlichen Kreise entgegengewirkt


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[0111] Zu den diesjährigen Aaisermanövern Erwiderung, die Prinz Arnulf bei der Krönnngsfeier in Moskau auf den un¬ passend gewühlten Ausdruck eines Festredners von dem „Gefolge" des Prinzen Heinrich gab. Aber die geschickte Art der Behandlung dieses Zwischenfalls in Berlin und München, die jede unliebsame Deutung ausschloß, zeigte schon, daß sich frühere Vorkommnisse nicht wiederholen werden. Es ist z. B. kein Geheimnis, daß vor der Einführung des neuen Jnfanteriereglements keine bairische Stimme zur Beratung zugezogen worden war. Bei der Dringlichkeit der Maßregel erscheint das erklärlich, denn bei der damaligen Stimmung hätte die Beratung eine Verschleppung bedeutet; aber die gegenseitigen Be¬ ziehungen erwärmte das begreiflicherweise nicht. Heute kommt so etwas nicht mehr vor. Das Vorgehen des Kaisers hat zu einer unzweifelhaften Klärung des Bundesverhältnisses und durch sorgfältige Schonung aller berechtigten Eigenart und entgegenkommende Berücksichtigung aller Rechte Vaierns auch zu neuer Befestigung geführt. Prinzregent Luitpold läßt keine Gelegenheit vorübergehen, zu betonen, wie sehr er am Reiche hänge, und kein Geburtstag des Reichsvberhcmpts vergeht, an dem nicht die bairischen Korpskommandanten ebenso wie die preußischen, sächsischen und württembergischen in Berlin er¬ scheinen, und ein Prinz die Glückwünsche des bairischen Königshauses über¬ bringt. Das ist auf nationaler Seite umso mehr mit Befriedigung und An¬ erkennung aufzunehmen, als ein Übersehen dieser Höflichkeiten immer noch auf den Beifall größerer Massen zu zählen hätte. Die leitenden Personen können hier nur Schritt für Schritt eine Besserung anbahnen. Ein bedeutender Schritt war schon vor zehn Jahren durch Beseitigung des Naupenhclms geschehen; diese Maßregel ging von Baiern allein aus und hat in den oben geschilderten Kreisen viel scheinpatriotischen Jammer hervor¬ gerufen. Sigl besang das Ereignis im März 1887 folgendermaßen: Und nach Ostern 1888 tischte er seinen Lesern eine gefühlvolle Geschichte auf. Am ersten Feiertag hätten im Hofbräuhaus eine Anzahl Chevcmxlcgers gesessen, denen vor großer Trübseligkeit der herrliche „Stoff" nicht hätte schmecken wollen. Schließlich habe man herausgebracht, „nicht der versagte Urlaub, sondern der Verlust des angestammten schmucken Ranpenhelms und dessen Ersatz durch die Pickelhaube sei der Grund, daß ihnen nicht einmal das Hofbräuhausbier mehr schmecke." Nur diese wenigen Beispiele seien an¬ geführt, um zu zeigen, mit welchen an sich lächerlichen, aber in gewissen Schichten der Bevölkerung sicherlich wirksamen Mitteln den Bestrebungen der maßgebenden und für das Gesamtwohl verantwortlichen Kreise entgegengewirkt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_225585/111>, abgerufen am 24.07.2024.