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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr.

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Midaskinder

Hand genommen. Wohl hingen Bilder an den Wänden, unbekannte, ferne Vettern
der Frau Schwendeli und unbekannte, ferne Kusinen des seligen Herrn Schwendeli,
und milde" unter diesen Trefflicher ein Öldruck, der vor Zeiten einem Kolporteur
mit zwei Gulden bezahlt worden war, um Heiden bekehren zu helfen, es war ein
blauer Wasserfall in einem grünen Waldtaube, und an der andern Wand kämpften
zwei Hirsche mit einander auf Leben und Tod, ein Kunstwerk, durch dessen Erwerb
sich Herr Schwendeli mit einem Gulden an der Erbauung einer evangelischen Kirche
in Böhmen beteiligt hatte, Viktor hatte mit seinem herzlichen Tiefsinn diesen arm¬
selige-: Wandschmuck, der gute Menschen erfreut hatte, in Beziehung zu dem Leben
seiner Wirtin gesetzt und ihn mit einer gewissen Zuneigung betrachtet, aber mit
einemmale ward er doch inne, daß nicht das von der Wand zu ihm herabschaute,
was er bedürfte. Gerade über seinem Schreibtisch sollte das Herrliche thronen, das
ihn grüßen, ihn trösten, ihm zur Vollendung seines Werkes helfen sollte.

Ehe das Dampfboot geht, kann ich gerade noch die Bilder kaufen. Die Uhr
stimmte zu, auch die Nähe eines Knnstladens sagte vernehmlich: gerade noch ehe
das Dnmpfboot abgeht, und während er drei Stunden später im Walde "am nassen
Winkel" von Gestalt geworduer Herrlichkeit träumte, wanderten "Iphigenie Mit dem
Segelfalter" und "Orpheus und Eurydike" von Anselm Feuerbach in schönen Kunst¬
blättern nach Zotzelsgasse 66a, beide bereit, dem jungen Schriftsteller aus allen
Kräften an seinem ersten Buche dienlich zu sein, sobald es ihm gefallen würde,
wieder daran zu arbeiten.

Um zwölf Uhr pfiff der kleine Kanaldampfer einen heisern Pfiff und zog seine
schmale, trübe, wellenlose Wasserbuhn vom Gebirge die fruchtbare Ebne dahin nach
dem Flusse, der einige Stunden von der Stadt floß, und trug leere Marktkörbe
und leider auch noch gefüllte Mnrktlörbc und gestikulirende Verkäuferinnen und
rauchende Bauern zu ihren Dörfern hinaus. Viktor sah mit regem Anteil bald
auf diese Gruppen hin, bald ans die Stadt mit ihrem dunkeln Hintergründe wald¬
reicher Berge, bis ihn eine Frauengestalt fesselte und nicht mehr losließ. Er hatte
sie nicht das Boot betreten sehen, nun war sie für sein Gefühl mit einemmale da.
Sie saß vorn am Bug des Schiffchens auf einem Klappstuhle, deu einen Arm auf
die Brüstung gelehnt, und schaute unverwandt den Weg dahin, den das Dampfboot
verfolgte, vielleicht auf das Wasser, vielleicht auf die Gärten, auf die Maisfelder,
auf die Hanfncker, auf die Wiesen, wie das Gelände kam und ging. Vielleicht sah
sie in eine zweite Welt; Viktor zog das vor, er sah Iphigenie" vor sich, wie er
sie vor einer Stunde im Bilde gesehen hatte. Ihr Gesicht konnte er nicht befragen,
denn sie saß so, daß es als ein zartes, junges Gesicht mehr geahnt als gesehen
werden konnte. Ein Sommerhut bedeckte das volle braune Haar. Wie die Falten des
Kleides fielen, wie sich der linke Arm auflehnte, die andre Hand gelassen ruhte und
das Haupt sich regungslos verhielt, das sprach eine Sprache von jugendlichem Adel
des Wesens, die Viktor mit sehnsüchtiger Unruhe vernahm,und ihn, wie er nnn
war, zwang, sich fernzuhalten und den Wunsch zu bemeistern, die Züge der Un¬
bekannten bei einer Wendung des Kopses zu sehen.

So kam die Anlegestelle am Waldrande, wo er das Boot für sein Ziel zu
verlassen hatte. Als er einen letzten Scheideblick auf die Fremde werfen wollte,
war auch sie aufgestanden und war unter den wenigen Weggehenden. Viktor hielt sich
zurück, um der ruhig Dnhiuschrciteuden nachzusehen, aber siehe da, sein Weg, den
er vorhin erfragt hatte, war zunächst auch ihr Weg. Das unbekümmerte Aus-
schreiten der jungeu Wärterin hatte etwas von Aufatme" und Ausruhen, offenbar
war sie für ihr Gefühl der Welt ledig und mit dem glänzenden Frühlingswalde


Midaskinder

Hand genommen. Wohl hingen Bilder an den Wänden, unbekannte, ferne Vettern
der Frau Schwendeli und unbekannte, ferne Kusinen des seligen Herrn Schwendeli,
und milde» unter diesen Trefflicher ein Öldruck, der vor Zeiten einem Kolporteur
mit zwei Gulden bezahlt worden war, um Heiden bekehren zu helfen, es war ein
blauer Wasserfall in einem grünen Waldtaube, und an der andern Wand kämpften
zwei Hirsche mit einander auf Leben und Tod, ein Kunstwerk, durch dessen Erwerb
sich Herr Schwendeli mit einem Gulden an der Erbauung einer evangelischen Kirche
in Böhmen beteiligt hatte, Viktor hatte mit seinem herzlichen Tiefsinn diesen arm¬
selige-: Wandschmuck, der gute Menschen erfreut hatte, in Beziehung zu dem Leben
seiner Wirtin gesetzt und ihn mit einer gewissen Zuneigung betrachtet, aber mit
einemmale ward er doch inne, daß nicht das von der Wand zu ihm herabschaute,
was er bedürfte. Gerade über seinem Schreibtisch sollte das Herrliche thronen, das
ihn grüßen, ihn trösten, ihm zur Vollendung seines Werkes helfen sollte.

Ehe das Dampfboot geht, kann ich gerade noch die Bilder kaufen. Die Uhr
stimmte zu, auch die Nähe eines Knnstladens sagte vernehmlich: gerade noch ehe
das Dnmpfboot abgeht, und während er drei Stunden später im Walde „am nassen
Winkel" von Gestalt geworduer Herrlichkeit träumte, wanderten „Iphigenie Mit dem
Segelfalter" und „Orpheus und Eurydike" von Anselm Feuerbach in schönen Kunst¬
blättern nach Zotzelsgasse 66a, beide bereit, dem jungen Schriftsteller aus allen
Kräften an seinem ersten Buche dienlich zu sein, sobald es ihm gefallen würde,
wieder daran zu arbeiten.

Um zwölf Uhr pfiff der kleine Kanaldampfer einen heisern Pfiff und zog seine
schmale, trübe, wellenlose Wasserbuhn vom Gebirge die fruchtbare Ebne dahin nach
dem Flusse, der einige Stunden von der Stadt floß, und trug leere Marktkörbe
und leider auch noch gefüllte Mnrktlörbc und gestikulirende Verkäuferinnen und
rauchende Bauern zu ihren Dörfern hinaus. Viktor sah mit regem Anteil bald
auf diese Gruppen hin, bald ans die Stadt mit ihrem dunkeln Hintergründe wald¬
reicher Berge, bis ihn eine Frauengestalt fesselte und nicht mehr losließ. Er hatte
sie nicht das Boot betreten sehen, nun war sie für sein Gefühl mit einemmale da.
Sie saß vorn am Bug des Schiffchens auf einem Klappstuhle, deu einen Arm auf
die Brüstung gelehnt, und schaute unverwandt den Weg dahin, den das Dampfboot
verfolgte, vielleicht auf das Wasser, vielleicht auf die Gärten, auf die Maisfelder,
auf die Hanfncker, auf die Wiesen, wie das Gelände kam und ging. Vielleicht sah
sie in eine zweite Welt; Viktor zog das vor, er sah Iphigenie» vor sich, wie er
sie vor einer Stunde im Bilde gesehen hatte. Ihr Gesicht konnte er nicht befragen,
denn sie saß so, daß es als ein zartes, junges Gesicht mehr geahnt als gesehen
werden konnte. Ein Sommerhut bedeckte das volle braune Haar. Wie die Falten des
Kleides fielen, wie sich der linke Arm auflehnte, die andre Hand gelassen ruhte und
das Haupt sich regungslos verhielt, das sprach eine Sprache von jugendlichem Adel
des Wesens, die Viktor mit sehnsüchtiger Unruhe vernahm,und ihn, wie er nnn
war, zwang, sich fernzuhalten und den Wunsch zu bemeistern, die Züge der Un¬
bekannten bei einer Wendung des Kopses zu sehen.

So kam die Anlegestelle am Waldrande, wo er das Boot für sein Ziel zu
verlassen hatte. Als er einen letzten Scheideblick auf die Fremde werfen wollte,
war auch sie aufgestanden und war unter den wenigen Weggehenden. Viktor hielt sich
zurück, um der ruhig Dnhiuschrciteuden nachzusehen, aber siehe da, sein Weg, den
er vorhin erfragt hatte, war zunächst auch ihr Weg. Das unbekümmerte Aus-
schreiten der jungeu Wärterin hatte etwas von Aufatme» und Ausruhen, offenbar
war sie für ihr Gefühl der Welt ledig und mit dem glänzenden Frühlingswalde


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[0098] Midaskinder Hand genommen. Wohl hingen Bilder an den Wänden, unbekannte, ferne Vettern der Frau Schwendeli und unbekannte, ferne Kusinen des seligen Herrn Schwendeli, und milde» unter diesen Trefflicher ein Öldruck, der vor Zeiten einem Kolporteur mit zwei Gulden bezahlt worden war, um Heiden bekehren zu helfen, es war ein blauer Wasserfall in einem grünen Waldtaube, und an der andern Wand kämpften zwei Hirsche mit einander auf Leben und Tod, ein Kunstwerk, durch dessen Erwerb sich Herr Schwendeli mit einem Gulden an der Erbauung einer evangelischen Kirche in Böhmen beteiligt hatte, Viktor hatte mit seinem herzlichen Tiefsinn diesen arm¬ selige-: Wandschmuck, der gute Menschen erfreut hatte, in Beziehung zu dem Leben seiner Wirtin gesetzt und ihn mit einer gewissen Zuneigung betrachtet, aber mit einemmale ward er doch inne, daß nicht das von der Wand zu ihm herabschaute, was er bedürfte. Gerade über seinem Schreibtisch sollte das Herrliche thronen, das ihn grüßen, ihn trösten, ihm zur Vollendung seines Werkes helfen sollte. Ehe das Dampfboot geht, kann ich gerade noch die Bilder kaufen. Die Uhr stimmte zu, auch die Nähe eines Knnstladens sagte vernehmlich: gerade noch ehe das Dnmpfboot abgeht, und während er drei Stunden später im Walde „am nassen Winkel" von Gestalt geworduer Herrlichkeit träumte, wanderten „Iphigenie Mit dem Segelfalter" und „Orpheus und Eurydike" von Anselm Feuerbach in schönen Kunst¬ blättern nach Zotzelsgasse 66a, beide bereit, dem jungen Schriftsteller aus allen Kräften an seinem ersten Buche dienlich zu sein, sobald es ihm gefallen würde, wieder daran zu arbeiten. Um zwölf Uhr pfiff der kleine Kanaldampfer einen heisern Pfiff und zog seine schmale, trübe, wellenlose Wasserbuhn vom Gebirge die fruchtbare Ebne dahin nach dem Flusse, der einige Stunden von der Stadt floß, und trug leere Marktkörbe und leider auch noch gefüllte Mnrktlörbc und gestikulirende Verkäuferinnen und rauchende Bauern zu ihren Dörfern hinaus. Viktor sah mit regem Anteil bald auf diese Gruppen hin, bald ans die Stadt mit ihrem dunkeln Hintergründe wald¬ reicher Berge, bis ihn eine Frauengestalt fesselte und nicht mehr losließ. Er hatte sie nicht das Boot betreten sehen, nun war sie für sein Gefühl mit einemmale da. Sie saß vorn am Bug des Schiffchens auf einem Klappstuhle, deu einen Arm auf die Brüstung gelehnt, und schaute unverwandt den Weg dahin, den das Dampfboot verfolgte, vielleicht auf das Wasser, vielleicht auf die Gärten, auf die Maisfelder, auf die Hanfncker, auf die Wiesen, wie das Gelände kam und ging. Vielleicht sah sie in eine zweite Welt; Viktor zog das vor, er sah Iphigenie» vor sich, wie er sie vor einer Stunde im Bilde gesehen hatte. Ihr Gesicht konnte er nicht befragen, denn sie saß so, daß es als ein zartes, junges Gesicht mehr geahnt als gesehen werden konnte. Ein Sommerhut bedeckte das volle braune Haar. Wie die Falten des Kleides fielen, wie sich der linke Arm auflehnte, die andre Hand gelassen ruhte und das Haupt sich regungslos verhielt, das sprach eine Sprache von jugendlichem Adel des Wesens, die Viktor mit sehnsüchtiger Unruhe vernahm,und ihn, wie er nnn war, zwang, sich fernzuhalten und den Wunsch zu bemeistern, die Züge der Un¬ bekannten bei einer Wendung des Kopses zu sehen. So kam die Anlegestelle am Waldrande, wo er das Boot für sein Ziel zu verlassen hatte. Als er einen letzten Scheideblick auf die Fremde werfen wollte, war auch sie aufgestanden und war unter den wenigen Weggehenden. Viktor hielt sich zurück, um der ruhig Dnhiuschrciteuden nachzusehen, aber siehe da, sein Weg, den er vorhin erfragt hatte, war zunächst auch ihr Weg. Das unbekümmerte Aus- schreiten der jungeu Wärterin hatte etwas von Aufatme» und Ausruhen, offenbar war sie für ihr Gefühl der Welt ledig und mit dem glänzenden Frühlingswalde

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224927/98>, abgerufen am 23.07.2024.