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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr.

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Das Nationcildenkmal Kaiser Wilhelms I. in Berlin

ihnen stand. Es darf nicht verschwiegen werden, daß das geplante National¬
denkmal nach und nach in weiten Kreisen unpopulär geworden war. Man
hatte nicht bloß an der Lotterie Anstoß genommen, sondern auch unangenehm
empfunden, daß mit der Errichtung des Nationaldenkmals Zwecke verbunden
wurden, die nur auf die Verschönerung des preußischen Königsschlosses ab¬
zielten. Man Hot damals dem Reichstage Vorwürfe wegen seiner Nachgiebig¬
keit gemacht. Sie sind ungerechtfertigt gewesen, weil der Reichstag, abgesehen
davon, daß er um jene Zeit die Hervorrufung eines Konflikts für nutzlos hielt,
gar nicht die Macht hat, irgend ein Veto einzulegen, das über die Verweigerung
der Mittel hinausgeht, wenn es sich um eine deutsche Sache handelt, die zu¬
gleich eine preußische ist. Denn der deutsche Kaiser ist in Berlin König von
Preußen, und als solcher hat er das traditionelle, wenn auch nicht buchstäblich
durch die Verfassung gewährte Recht, in seiner Haupt- und Residenzstadt in
allen öffentlichen Angelegenheiten selbständig zu entscheiden. Ohne seine Ge¬
nehmigung darf in Berlin keine Erweiterung des Bebanuugsplaus vorgenommen,
keine Straße neu benannt, kein Denkmal auf einem öffentlichen Platze auf¬
gestellt werden. Unter diesen Umständen wäre also ein Einspruch des Reichs¬
tags ein Schlag ins Wasser gewesen, und um sein Ausehen zu bewahren, konnte
der Reichstag nichts andres thun, als seine Kritik dnrch die Herabsetzung der
geforderten Summe zu üben.

Diese nicht gerade erquickliche Vorgeschichte hätte in Vergessenheit gebracht
werden können, wenn das Denkmal jetzt, wo es im großen und ganzen voll¬
endet dasteht, alle Bedenken gegen den gewählten Platz siegreich niederschlüge
und vor allem durch seine künstlerischen Eigenschaften jedermann überzeugte,
daß es so und uicht anders sein konnte. Je öfter wir es aber anschauen,
desto stärker wird die Empfindung, daß es dem Volke uicht verständlich sein
kann, und daß die wahrhaft künstlerisch Gebildeten, auch wenn sie mit Begas
und seiner ganzen Kunstrichtung fröhlich durch fette Triste" und sandige Stellen
mitgehen, auch keine vollkommene ästhetische Befriedigung haben.

Volkstümlich ist das Denkmal nicht, weil es dein Volke die Gestalt des
Kaisers ganz anders zeigt, als sie in seiner Erinnerung lebt. Es hat zwar
nicht an nachgiebigen Lobrednern gefehlt, die die Verbindung des Reiters mit
einem allegorischen Wesen, einer jungfräulichen, eine Palme tragenden Gestalt
im altgriechischen Peplos, die mit der Rechten das Roß an einem vom Zügel
seitlich herabhängenden Bande führt, durch einen Hinweis auf die sagenbildende
Kraft der Zukunft gerechtfertigt haben. Spätern Geschlechtern werde Kaiser
Wilhelm wie ein Held der germanischen Sage erscheinen, etwa gleich dem
Kaiser Rotbart, mit dem ihn schon die höfische Poesie unsrer Zeit -- sehr zu
seinem Mißvergnügen! -- verglichen hat, wobei sie sich sogar zu der barbarischen
Wortbildung Barbabianka verstieg. Warum dann aber die historische Uniform
mit dem ausgeschlagnen Jnterimsrock, dem Hohenzollernmantel und dem Helm?


Das Nationcildenkmal Kaiser Wilhelms I. in Berlin

ihnen stand. Es darf nicht verschwiegen werden, daß das geplante National¬
denkmal nach und nach in weiten Kreisen unpopulär geworden war. Man
hatte nicht bloß an der Lotterie Anstoß genommen, sondern auch unangenehm
empfunden, daß mit der Errichtung des Nationaldenkmals Zwecke verbunden
wurden, die nur auf die Verschönerung des preußischen Königsschlosses ab¬
zielten. Man Hot damals dem Reichstage Vorwürfe wegen seiner Nachgiebig¬
keit gemacht. Sie sind ungerechtfertigt gewesen, weil der Reichstag, abgesehen
davon, daß er um jene Zeit die Hervorrufung eines Konflikts für nutzlos hielt,
gar nicht die Macht hat, irgend ein Veto einzulegen, das über die Verweigerung
der Mittel hinausgeht, wenn es sich um eine deutsche Sache handelt, die zu¬
gleich eine preußische ist. Denn der deutsche Kaiser ist in Berlin König von
Preußen, und als solcher hat er das traditionelle, wenn auch nicht buchstäblich
durch die Verfassung gewährte Recht, in seiner Haupt- und Residenzstadt in
allen öffentlichen Angelegenheiten selbständig zu entscheiden. Ohne seine Ge¬
nehmigung darf in Berlin keine Erweiterung des Bebanuugsplaus vorgenommen,
keine Straße neu benannt, kein Denkmal auf einem öffentlichen Platze auf¬
gestellt werden. Unter diesen Umständen wäre also ein Einspruch des Reichs¬
tags ein Schlag ins Wasser gewesen, und um sein Ausehen zu bewahren, konnte
der Reichstag nichts andres thun, als seine Kritik dnrch die Herabsetzung der
geforderten Summe zu üben.

Diese nicht gerade erquickliche Vorgeschichte hätte in Vergessenheit gebracht
werden können, wenn das Denkmal jetzt, wo es im großen und ganzen voll¬
endet dasteht, alle Bedenken gegen den gewählten Platz siegreich niederschlüge
und vor allem durch seine künstlerischen Eigenschaften jedermann überzeugte,
daß es so und uicht anders sein konnte. Je öfter wir es aber anschauen,
desto stärker wird die Empfindung, daß es dem Volke uicht verständlich sein
kann, und daß die wahrhaft künstlerisch Gebildeten, auch wenn sie mit Begas
und seiner ganzen Kunstrichtung fröhlich durch fette Triste« und sandige Stellen
mitgehen, auch keine vollkommene ästhetische Befriedigung haben.

Volkstümlich ist das Denkmal nicht, weil es dein Volke die Gestalt des
Kaisers ganz anders zeigt, als sie in seiner Erinnerung lebt. Es hat zwar
nicht an nachgiebigen Lobrednern gefehlt, die die Verbindung des Reiters mit
einem allegorischen Wesen, einer jungfräulichen, eine Palme tragenden Gestalt
im altgriechischen Peplos, die mit der Rechten das Roß an einem vom Zügel
seitlich herabhängenden Bande führt, durch einen Hinweis auf die sagenbildende
Kraft der Zukunft gerechtfertigt haben. Spätern Geschlechtern werde Kaiser
Wilhelm wie ein Held der germanischen Sage erscheinen, etwa gleich dem
Kaiser Rotbart, mit dem ihn schon die höfische Poesie unsrer Zeit — sehr zu
seinem Mißvergnügen! — verglichen hat, wobei sie sich sogar zu der barbarischen
Wortbildung Barbabianka verstieg. Warum dann aber die historische Uniform
mit dem ausgeschlagnen Jnterimsrock, dem Hohenzollernmantel und dem Helm?


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[0093] Das Nationcildenkmal Kaiser Wilhelms I. in Berlin ihnen stand. Es darf nicht verschwiegen werden, daß das geplante National¬ denkmal nach und nach in weiten Kreisen unpopulär geworden war. Man hatte nicht bloß an der Lotterie Anstoß genommen, sondern auch unangenehm empfunden, daß mit der Errichtung des Nationaldenkmals Zwecke verbunden wurden, die nur auf die Verschönerung des preußischen Königsschlosses ab¬ zielten. Man Hot damals dem Reichstage Vorwürfe wegen seiner Nachgiebig¬ keit gemacht. Sie sind ungerechtfertigt gewesen, weil der Reichstag, abgesehen davon, daß er um jene Zeit die Hervorrufung eines Konflikts für nutzlos hielt, gar nicht die Macht hat, irgend ein Veto einzulegen, das über die Verweigerung der Mittel hinausgeht, wenn es sich um eine deutsche Sache handelt, die zu¬ gleich eine preußische ist. Denn der deutsche Kaiser ist in Berlin König von Preußen, und als solcher hat er das traditionelle, wenn auch nicht buchstäblich durch die Verfassung gewährte Recht, in seiner Haupt- und Residenzstadt in allen öffentlichen Angelegenheiten selbständig zu entscheiden. Ohne seine Ge¬ nehmigung darf in Berlin keine Erweiterung des Bebanuugsplaus vorgenommen, keine Straße neu benannt, kein Denkmal auf einem öffentlichen Platze auf¬ gestellt werden. Unter diesen Umständen wäre also ein Einspruch des Reichs¬ tags ein Schlag ins Wasser gewesen, und um sein Ausehen zu bewahren, konnte der Reichstag nichts andres thun, als seine Kritik dnrch die Herabsetzung der geforderten Summe zu üben. Diese nicht gerade erquickliche Vorgeschichte hätte in Vergessenheit gebracht werden können, wenn das Denkmal jetzt, wo es im großen und ganzen voll¬ endet dasteht, alle Bedenken gegen den gewählten Platz siegreich niederschlüge und vor allem durch seine künstlerischen Eigenschaften jedermann überzeugte, daß es so und uicht anders sein konnte. Je öfter wir es aber anschauen, desto stärker wird die Empfindung, daß es dem Volke uicht verständlich sein kann, und daß die wahrhaft künstlerisch Gebildeten, auch wenn sie mit Begas und seiner ganzen Kunstrichtung fröhlich durch fette Triste« und sandige Stellen mitgehen, auch keine vollkommene ästhetische Befriedigung haben. Volkstümlich ist das Denkmal nicht, weil es dein Volke die Gestalt des Kaisers ganz anders zeigt, als sie in seiner Erinnerung lebt. Es hat zwar nicht an nachgiebigen Lobrednern gefehlt, die die Verbindung des Reiters mit einem allegorischen Wesen, einer jungfräulichen, eine Palme tragenden Gestalt im altgriechischen Peplos, die mit der Rechten das Roß an einem vom Zügel seitlich herabhängenden Bande führt, durch einen Hinweis auf die sagenbildende Kraft der Zukunft gerechtfertigt haben. Spätern Geschlechtern werde Kaiser Wilhelm wie ein Held der germanischen Sage erscheinen, etwa gleich dem Kaiser Rotbart, mit dem ihn schon die höfische Poesie unsrer Zeit — sehr zu seinem Mißvergnügen! — verglichen hat, wobei sie sich sogar zu der barbarischen Wortbildung Barbabianka verstieg. Warum dann aber die historische Uniform mit dem ausgeschlagnen Jnterimsrock, dem Hohenzollernmantel und dem Helm?

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224927/93>, abgerufen am 23.07.2024.