Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr.Litteratur Irrgarten der Synopse aufzufinden ist, und die Sachregister, die es möglich Wir würden jedoch nicht aufrichtig sein, wenn wir nicht auch ein ernstes Be¬ Über das meiste läßt sich ja nun freilich nicht streiten, da der Verfasser in Die jedenfalls aus falscher Übersetzung entstandne Lesart des Syr. Sir. zu Litteratur Irrgarten der Synopse aufzufinden ist, und die Sachregister, die es möglich Wir würden jedoch nicht aufrichtig sein, wenn wir nicht auch ein ernstes Be¬ Über das meiste läßt sich ja nun freilich nicht streiten, da der Verfasser in Die jedenfalls aus falscher Übersetzung entstandne Lesart des Syr. Sir. zu <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0645" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/225573"/> <fw type="header" place="top"> Litteratur</fw><lb/> <p xml:id="ID_2004" prev="#ID_2003"> Irrgarten der Synopse aufzufinden ist, und die Sachregister, die es möglich<lb/> machen, jeden Ausspruch und jedes Ereignis ohne Mühe zu finden, wenn man<lb/> auch mir die Thatsache, um die sichs handelt, im Gedächtnis hat (z. B. Abend¬<lb/> mahl, Abrahamsohnschaft, Ährenranfen usw.). Alles in allem also ein brauchbares<lb/> Buch, das als Nachschlagewerk besonders jüngern Theologen, wenn es ihnen auch<lb/> kein Ersatz für den Urtext sein kann, willkommen sein wird. Besondrer Dank<lb/> gebührt noch der Verlagshandlung für den trotz der guten Ausstattung ungemein<lb/> niedrig bemessenen Preis. (Allerdings ist jetzt auch unter den „Hilfsmitteln zum<lb/> evangelischen Religionsunterricht" eine fast ebenso billige Synopse erschienen, bei<lb/> der es wohl eher zu loben als zu tadeln ist, daß sie von Johannes nur die Leidens¬<lb/> geschichte parnllelisirt.)</p><lb/> <p xml:id="ID_2005"> Wir würden jedoch nicht aufrichtig sein, wenn wir nicht auch ein ernstes Be¬<lb/> denken über das Buch aussprechen wollten. Der christlichen Lnienwelt können wir<lb/> es für eingehendes Bibelstudium nicht empfehlen. Wenn es sich selbst als eine<lb/> „Leuchte der Aufklärung" und die „einzig vorhandne Quelle für ein Leben Jesu"<lb/> anpreist, wenn der Verfasser ans jeder der 3S3 Textseiten dem Leser versichert,<lb/> daß die Evangelien erst gegen Ende des zweiten Jahrhunderts ihre Namen „Nach<lb/> Matthäus" usw. erhalten haben, so kann das ja nur ein Lächeln hervorrufen.<lb/> Aber die Anmerkungen zum Texte, die dem Herausgeber offenbar die Hauptsache<lb/> an seiner Arbeit sind, enthalten neben sehr viel anregendem und richtigem doch<lb/> auch vieles, was nicht harmlos ist, weil es dem Namen des Herrn Beruf einfach<lb/> nicht entspricht und deshalb Leuten, die es nicht auf seine Richtigkeit prüfen können,<lb/> nicht als bewiesene Thatsache geboten werden sollte.</p><lb/> <p xml:id="ID_2006"> Über das meiste läßt sich ja nun freilich nicht streiten, da der Verfasser in<lb/> voranssetzungslvser WissenschaflliclMt von der Voraussetzung ausgeht, daß die<lb/> Evangelien von Anfang bis zu Ende Märchen enthalten, weshalb es ihm auch darauf<lb/> ankommt, den Leser mit möglichst vielen Fragezeichen zu beunruhigen, die neben<lb/> allen wirklichen Widersprüchen und Unklarheiten auch alle nur erdenklichen ein¬<lb/> gebildeten hervorheben wollen. Deshalb nnr ein paar Beispiele von der Art der<lb/> Behauptungen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2007" next="#ID_2008"> Die jedenfalls aus falscher Übersetzung entstandne Lesart des Syr. Sir. zu<lb/> Matth. 1, 15 wird einfach als „ältere Hs." bezeichnet, was auch sonst als Prädikat<lb/> für die Herrn Beruf genehme Lesart auftritt. Daß Herodes vier Jahre vor unsrer<lb/> Zeitrechnung gestorben ist, wird natürlich der Schrift, nicht unsrer Zeitrechnung<lb/> als Schnitzer angestrichen. Abraham ist „durchaus ungeschichtlich"; sogar die<lb/> Existenz von Nazaret wird angezweifelt! Als genaue Übersetzung zu Matth. 1, 25<lb/> wird gegeben: „und sie gebar ihm einen Sohn." Welche „ältere Hs." hat diesen<lb/> Text? Von der Erwähnung des Lysanias in Luk. 3, 1 heißt es, sie sei „grober<lb/> Irrtum," da er schon 30 v. Chr. gestorben sei; weiß Herr Verus nicht, daß uns<lb/> ein andrer Lysanias um die Mitte des ersten Jahrhunderts bei Josephus bezeugt<lb/> ist? Wenn er sich ferner über griechische Namen in jüdischen Familien wundert<lb/> und die Erwähnung mehrerer Hohenpriester und des Synedriums als Irrtum be¬<lb/> zeichnet, so spricht das nicht für besondre Kenntnis der Zeitgeschichte. Welche<lb/> Phantasie aber wird gar entwickelt, wenn der Verfasser eine Erzählung aus einer<lb/> andern „entstanden" sein läßt: so die Erweckung des Lazarus aus dem Gleichnis<lb/> vom armen Lazarus, die Festreiscn bei Joh. ans der Andeutung in Matth. 23, 37,<lb/> Petri Verleugnung aus dem „Hahnenschrei" in Mark. 13, 35! Die Schwerter in<lb/> Luk. 22, 38 legt Verus als Schlachtmesser aus und wundert sich dann bei der<lb/> Malchnsepisvde, daß die Messer eine Scheide haben sollen. Die Taufe im Namen</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0645]
Litteratur
Irrgarten der Synopse aufzufinden ist, und die Sachregister, die es möglich
machen, jeden Ausspruch und jedes Ereignis ohne Mühe zu finden, wenn man
auch mir die Thatsache, um die sichs handelt, im Gedächtnis hat (z. B. Abend¬
mahl, Abrahamsohnschaft, Ährenranfen usw.). Alles in allem also ein brauchbares
Buch, das als Nachschlagewerk besonders jüngern Theologen, wenn es ihnen auch
kein Ersatz für den Urtext sein kann, willkommen sein wird. Besondrer Dank
gebührt noch der Verlagshandlung für den trotz der guten Ausstattung ungemein
niedrig bemessenen Preis. (Allerdings ist jetzt auch unter den „Hilfsmitteln zum
evangelischen Religionsunterricht" eine fast ebenso billige Synopse erschienen, bei
der es wohl eher zu loben als zu tadeln ist, daß sie von Johannes nur die Leidens¬
geschichte parnllelisirt.)
Wir würden jedoch nicht aufrichtig sein, wenn wir nicht auch ein ernstes Be¬
denken über das Buch aussprechen wollten. Der christlichen Lnienwelt können wir
es für eingehendes Bibelstudium nicht empfehlen. Wenn es sich selbst als eine
„Leuchte der Aufklärung" und die „einzig vorhandne Quelle für ein Leben Jesu"
anpreist, wenn der Verfasser ans jeder der 3S3 Textseiten dem Leser versichert,
daß die Evangelien erst gegen Ende des zweiten Jahrhunderts ihre Namen „Nach
Matthäus" usw. erhalten haben, so kann das ja nur ein Lächeln hervorrufen.
Aber die Anmerkungen zum Texte, die dem Herausgeber offenbar die Hauptsache
an seiner Arbeit sind, enthalten neben sehr viel anregendem und richtigem doch
auch vieles, was nicht harmlos ist, weil es dem Namen des Herrn Beruf einfach
nicht entspricht und deshalb Leuten, die es nicht auf seine Richtigkeit prüfen können,
nicht als bewiesene Thatsache geboten werden sollte.
Über das meiste läßt sich ja nun freilich nicht streiten, da der Verfasser in
voranssetzungslvser WissenschaflliclMt von der Voraussetzung ausgeht, daß die
Evangelien von Anfang bis zu Ende Märchen enthalten, weshalb es ihm auch darauf
ankommt, den Leser mit möglichst vielen Fragezeichen zu beunruhigen, die neben
allen wirklichen Widersprüchen und Unklarheiten auch alle nur erdenklichen ein¬
gebildeten hervorheben wollen. Deshalb nnr ein paar Beispiele von der Art der
Behauptungen.
Die jedenfalls aus falscher Übersetzung entstandne Lesart des Syr. Sir. zu
Matth. 1, 15 wird einfach als „ältere Hs." bezeichnet, was auch sonst als Prädikat
für die Herrn Beruf genehme Lesart auftritt. Daß Herodes vier Jahre vor unsrer
Zeitrechnung gestorben ist, wird natürlich der Schrift, nicht unsrer Zeitrechnung
als Schnitzer angestrichen. Abraham ist „durchaus ungeschichtlich"; sogar die
Existenz von Nazaret wird angezweifelt! Als genaue Übersetzung zu Matth. 1, 25
wird gegeben: „und sie gebar ihm einen Sohn." Welche „ältere Hs." hat diesen
Text? Von der Erwähnung des Lysanias in Luk. 3, 1 heißt es, sie sei „grober
Irrtum," da er schon 30 v. Chr. gestorben sei; weiß Herr Verus nicht, daß uns
ein andrer Lysanias um die Mitte des ersten Jahrhunderts bei Josephus bezeugt
ist? Wenn er sich ferner über griechische Namen in jüdischen Familien wundert
und die Erwähnung mehrerer Hohenpriester und des Synedriums als Irrtum be¬
zeichnet, so spricht das nicht für besondre Kenntnis der Zeitgeschichte. Welche
Phantasie aber wird gar entwickelt, wenn der Verfasser eine Erzählung aus einer
andern „entstanden" sein läßt: so die Erweckung des Lazarus aus dem Gleichnis
vom armen Lazarus, die Festreiscn bei Joh. ans der Andeutung in Matth. 23, 37,
Petri Verleugnung aus dem „Hahnenschrei" in Mark. 13, 35! Die Schwerter in
Luk. 22, 38 legt Verus als Schlachtmesser aus und wundert sich dann bei der
Malchnsepisvde, daß die Messer eine Scheide haben sollen. Die Taufe im Namen
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