Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr.vom Nendarwinismus stelle mir, schreibt er S. 34, das Keimplasma nicht als einen einzigen Keim vom Nendarwinismus stelle mir, schreibt er S. 34, das Keimplasma nicht als einen einzigen Keim <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0618" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/225546"/> <fw type="header" place="top"> vom Nendarwinismus</fw><lb/> <p xml:id="ID_1930" prev="#ID_1929" next="#ID_1931"> stelle mir, schreibt er S. 34, das Keimplasma nicht als einen einzigen Keim<lb/> sür den Aufbau eines Individuums vor. sondern ich denke mir, daß es eine<lb/> größere Zahl sekundärer Einheiten enthält, deren jede alle die Anlagen in sich<lb/> birgt, die zum Aufbau eines Individuums gehören: es sind das meine Ite.<lb/> Nehmen wir diese Hypothese einmal an, so unterliegt es keiner Schwierigkeit,<lb/> sich vorzustellen, daß das Keimplasma der heutigen Bienen sich aus ver-<lb/> schiednen Iden zusammensetzt, von denen ein Teil die Anlagen zur Arbeiterin,<lb/> ein andrer die zur Königin, ein dritter die zum Männchen enthält, und es<lb/> steht nichts im Wege, sich die Arbeiteride der Ameisen wieder von zweierlei<lb/> Art zu denken, als Arbeiteride im engern Sinn und als Soldatenide. Die<lb/> männlichen Ite werden aktiv beim Ausbleiben der Befruchtung ^aus un¬<lb/> befruchteten Eiern kriechen Männchen aus^, die weiblichen bei ihrem Eintritt,<lb/> und die Art der Ernährung bildet den auslösenden Neiz sür die Arbeiteride<lb/> oder die Königinnenidc." Wird das Könniginnenid ausgebildet, so wird da¬<lb/> durch das kleine Geschöpf bestimmt, sich bei einem Ausflüge befruchten zu lassen,<lb/> dann im Stocke zu bleiben, sich ausschließlich mit Eierlegen zu beschäftigen<lb/> und sich die Nahrung von den Arbeiterinnen zutragen zu lassen. Und was<lb/> hat erst das Arbeiterinnenid zu leisten! Es muß zuvörderst ein Weibchen mit<lb/> verkümmertem Geschlechtsapparat aufbauen. Die Verkümmerung kann, wie<lb/> Weismann überzeugend nachweist, nicht unmittelbare Wirkung der kargeren<lb/> Ernährung sein, denn karge Ernährung hat zwar zur Folge, daß das Tier<lb/> schwächer und kleiner ausfällt, als wenn es reichlichere Nahrung erhalten hätte,<lb/> aber nicht, daß ihm ein wesentliches Organ fehlt. So wenig wie ein Wesen<lb/> durch karge Ernährung einen Arm oder ein Bein einbüßt, so wenig büßt es<lb/> dadurch deu Zeugungsapparat ein; die Arbeiterin hat nur zwei bis sechs Ei-<lb/> röhren, die Königin dagegen hundertachtzig bis zweihundert. Ferner enthält<lb/> das Arbeiterinnenid die Ursache einer derartigen Konstruktion des Körpers,<lb/> daß sich die Arbeiterin gezwungen fühlt, auszufliegen, Nektar zu saugen,<lb/> Blütenstaub zu sammeln, Honig und Wachs zu bereiten, in geordneter Arbeits¬<lb/> gemeinschaft mit ihren Genossinnen regelmäßige Zellen zu bauen, sie mit Honig<lb/> zu füllen, die Larven zu pflegen und, was das allergroßartigste ist, sie so zu<lb/> füttern, daß nur in einer der weiblichen Larven das Königinnenid entwickelt<lb/> wird, in allen übrigen das Arbeiterinnenid! Alle weiblichen Larven werden<lb/> drei Tage lang gleich ernährt, von da ab wird die eine Larve reichlich gefüttert,<lb/> alle andern weiblichen Larven, die also auch uoch dazu vou den männlichen<lb/> unterschieden werden, erhalten kleinere Portionen. Wahrlich, so eine Deter¬<lb/> minante — für jede der anatomischen, physiologischen und psychischen Besonder¬<lb/> heiten, die das Wesen einer Arbeitsbiene ausmachen, denkt sich Weismann eine<lb/> Determinante im Id — kann mehr als alle Professoren, Baumeister und<lb/> Tierzüchter zusammengenommen! Und nun muß hier auch noch eine dritte<lb/> Art von Selektion angenommen werden. Denn es ist klar, daß es sich dabei<lb/> nicht um einen Kampf zwischen Männchen unter einander oder von Weibchen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0618]
vom Nendarwinismus
stelle mir, schreibt er S. 34, das Keimplasma nicht als einen einzigen Keim
sür den Aufbau eines Individuums vor. sondern ich denke mir, daß es eine
größere Zahl sekundärer Einheiten enthält, deren jede alle die Anlagen in sich
birgt, die zum Aufbau eines Individuums gehören: es sind das meine Ite.
Nehmen wir diese Hypothese einmal an, so unterliegt es keiner Schwierigkeit,
sich vorzustellen, daß das Keimplasma der heutigen Bienen sich aus ver-
schiednen Iden zusammensetzt, von denen ein Teil die Anlagen zur Arbeiterin,
ein andrer die zur Königin, ein dritter die zum Männchen enthält, und es
steht nichts im Wege, sich die Arbeiteride der Ameisen wieder von zweierlei
Art zu denken, als Arbeiteride im engern Sinn und als Soldatenide. Die
männlichen Ite werden aktiv beim Ausbleiben der Befruchtung ^aus un¬
befruchteten Eiern kriechen Männchen aus^, die weiblichen bei ihrem Eintritt,
und die Art der Ernährung bildet den auslösenden Neiz sür die Arbeiteride
oder die Königinnenidc." Wird das Könniginnenid ausgebildet, so wird da¬
durch das kleine Geschöpf bestimmt, sich bei einem Ausflüge befruchten zu lassen,
dann im Stocke zu bleiben, sich ausschließlich mit Eierlegen zu beschäftigen
und sich die Nahrung von den Arbeiterinnen zutragen zu lassen. Und was
hat erst das Arbeiterinnenid zu leisten! Es muß zuvörderst ein Weibchen mit
verkümmertem Geschlechtsapparat aufbauen. Die Verkümmerung kann, wie
Weismann überzeugend nachweist, nicht unmittelbare Wirkung der kargeren
Ernährung sein, denn karge Ernährung hat zwar zur Folge, daß das Tier
schwächer und kleiner ausfällt, als wenn es reichlichere Nahrung erhalten hätte,
aber nicht, daß ihm ein wesentliches Organ fehlt. So wenig wie ein Wesen
durch karge Ernährung einen Arm oder ein Bein einbüßt, so wenig büßt es
dadurch deu Zeugungsapparat ein; die Arbeiterin hat nur zwei bis sechs Ei-
röhren, die Königin dagegen hundertachtzig bis zweihundert. Ferner enthält
das Arbeiterinnenid die Ursache einer derartigen Konstruktion des Körpers,
daß sich die Arbeiterin gezwungen fühlt, auszufliegen, Nektar zu saugen,
Blütenstaub zu sammeln, Honig und Wachs zu bereiten, in geordneter Arbeits¬
gemeinschaft mit ihren Genossinnen regelmäßige Zellen zu bauen, sie mit Honig
zu füllen, die Larven zu pflegen und, was das allergroßartigste ist, sie so zu
füttern, daß nur in einer der weiblichen Larven das Königinnenid entwickelt
wird, in allen übrigen das Arbeiterinnenid! Alle weiblichen Larven werden
drei Tage lang gleich ernährt, von da ab wird die eine Larve reichlich gefüttert,
alle andern weiblichen Larven, die also auch uoch dazu vou den männlichen
unterschieden werden, erhalten kleinere Portionen. Wahrlich, so eine Deter¬
minante — für jede der anatomischen, physiologischen und psychischen Besonder¬
heiten, die das Wesen einer Arbeitsbiene ausmachen, denkt sich Weismann eine
Determinante im Id — kann mehr als alle Professoren, Baumeister und
Tierzüchter zusammengenommen! Und nun muß hier auch noch eine dritte
Art von Selektion angenommen werden. Denn es ist klar, daß es sich dabei
nicht um einen Kampf zwischen Männchen unter einander oder von Weibchen
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