Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr.![]() Vom Neudarwinismus (Fortsetzung) ersuchen wir einmal eine Jnventaristrung des Gewissen, des ![]() Vom Neudarwinismus (Fortsetzung) ersuchen wir einmal eine Jnventaristrung des Gewissen, des <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0560" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/225488"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341865_224927/figures/grenzboten_341865_224927_225488_000.jpg"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Vom Neudarwinismus<lb/> (Fortsetzung) </head><lb/> <p xml:id="ID_1774" next="#ID_1775"> ersuchen wir einmal eine Jnventaristrung des Gewissen, des<lb/> Wahrscheinlichen, des Unbewiesenen und Unbeweisbaren in der<lb/> Biologie, nur ganz im groben, ohne jeden Anspruch auf Voll¬<lb/> ständigkeit und wissenschaftliche Genauigkeit! Gewiß ist, daß<lb/> unsre Erde einen Entwicklungsprozeß durchgemacht hat, dessen<lb/> Stufen durch die Gesteinschichten der Erde bezeichnet werden. Höchst wahr¬<lb/> scheinlich ist es, daß die Haupttriebkraft dieses Entwicklungsprozesses die all¬<lb/> mähliche Abkühlung des Erdballs war. Ungewiß sind die einander wider¬<lb/> sprechenden Berechnungen der Zeiträume, die der Entwicklungsprozeß auf seinen<lb/> verschiednen Stufen erfordert haben soll, und der Streit der Gelehrten darüber<lb/> wird niemals entschieden werden können. Ebenso wenig ihr Streit darüber, wie<lb/> die Veränderung in jedem einzelnen Zeitabschnitt und an jeder Stelle der<lb/> Erdrinde vor sich gegangen ist, ob durch Hebung oder Senkung, und wie in<lb/> jedem Falle Feuer und Wasser oder Eis zusammengewirkt haben. Gewiß ist,<lb/> daß in früher» Entwicklungsstadien der Erde Tiergeschlechter gelebt haben, die<lb/> in großen Katastrophen untergegangen und verschüttet worden sind, und daß<lb/> diese untergegangnen Tierarten immer höhere Organisationsformen zeigen und<lb/> den heute lebenden immer ähnlicher werden, in je jüngern Schichten sie vor¬<lb/> kommen. Gewiß ist, daß die von Darwin zusammengestellten Ursachen von<lb/> Veränderungen in der heutigen Pflanzen- und Tierwelt thätig sind und Spiel¬<lb/> arten erzeugen. Und zwar geschieht das nicht bloß unter der Einwirkung des<lb/> Züchters, sondern auch bei den frei lebenden Geschlechtern. Geräten z. B.<lb/> behaarte Säugetiere in nördlichere Gegenden, so wird ihre Behaarung dichter,<lb/> und in der Polarzone färbt sie sich weiß. Erwägen wir nun, daß das Gesetz<lb/> von der Erhaltung der Kraft auch die Unmöglichkeit einer Vermehrung oder<lb/> Ergänzung der Kraft einschließt, daß demnach die Wärmemenge des Svnnen-<lb/> balls durch fortwährende Ausstrahlung in den Weltraum abnehmen muß, daß<lb/> also die Wärmemenge der Sonne und unsers ganzen Planetensystems früher<lb/> weit größer gewesen sein muß, und daß wir so auf einen ursprünglich gas¬<lb/> förmigen Zustand dieses Systems kommeu, halten wir damit einerseits die</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0560]
[Abbildung]
Vom Neudarwinismus
(Fortsetzung)
ersuchen wir einmal eine Jnventaristrung des Gewissen, des
Wahrscheinlichen, des Unbewiesenen und Unbeweisbaren in der
Biologie, nur ganz im groben, ohne jeden Anspruch auf Voll¬
ständigkeit und wissenschaftliche Genauigkeit! Gewiß ist, daß
unsre Erde einen Entwicklungsprozeß durchgemacht hat, dessen
Stufen durch die Gesteinschichten der Erde bezeichnet werden. Höchst wahr¬
scheinlich ist es, daß die Haupttriebkraft dieses Entwicklungsprozesses die all¬
mähliche Abkühlung des Erdballs war. Ungewiß sind die einander wider¬
sprechenden Berechnungen der Zeiträume, die der Entwicklungsprozeß auf seinen
verschiednen Stufen erfordert haben soll, und der Streit der Gelehrten darüber
wird niemals entschieden werden können. Ebenso wenig ihr Streit darüber, wie
die Veränderung in jedem einzelnen Zeitabschnitt und an jeder Stelle der
Erdrinde vor sich gegangen ist, ob durch Hebung oder Senkung, und wie in
jedem Falle Feuer und Wasser oder Eis zusammengewirkt haben. Gewiß ist,
daß in früher» Entwicklungsstadien der Erde Tiergeschlechter gelebt haben, die
in großen Katastrophen untergegangen und verschüttet worden sind, und daß
diese untergegangnen Tierarten immer höhere Organisationsformen zeigen und
den heute lebenden immer ähnlicher werden, in je jüngern Schichten sie vor¬
kommen. Gewiß ist, daß die von Darwin zusammengestellten Ursachen von
Veränderungen in der heutigen Pflanzen- und Tierwelt thätig sind und Spiel¬
arten erzeugen. Und zwar geschieht das nicht bloß unter der Einwirkung des
Züchters, sondern auch bei den frei lebenden Geschlechtern. Geräten z. B.
behaarte Säugetiere in nördlichere Gegenden, so wird ihre Behaarung dichter,
und in der Polarzone färbt sie sich weiß. Erwägen wir nun, daß das Gesetz
von der Erhaltung der Kraft auch die Unmöglichkeit einer Vermehrung oder
Ergänzung der Kraft einschließt, daß demnach die Wärmemenge des Svnnen-
balls durch fortwährende Ausstrahlung in den Weltraum abnehmen muß, daß
also die Wärmemenge der Sonne und unsers ganzen Planetensystems früher
weit größer gewesen sein muß, und daß wir so auf einen ursprünglich gas¬
förmigen Zustand dieses Systems kommeu, halten wir damit einerseits die
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