Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Deutschlands Stellung und Rechte am Niger

Togo wird immer kleiner sein als Kamerun, von Deutsch-Ostafrika nicht
zu reden. Im Handel setzt Togo halb soviel um wie Kamerun. Die Ausfuhr
nimmt beständig zu, die Pflanzungen, die fast alle erst seit der Besitzergreifung
Togos angelegt worden sind, zeigen ein gesundes Wachstum. 1896 lebten
81 Deutsche im Schutzgebiet. Auch die Missionen sind unter dem deutschen
Schutz ins Innere gewandert und zählen heute 34 Stationen und Schulen.
Abgesehen von einigen Reibungen mit heidnischen Stämmen des Innern ist die
Entwicklung der Kolonie friedlich verlaufen, und es ist besonders erfreulich,
daß sich der Verkehr mit den mohammedanischen Haussa, auf deren Regsamkeit
das wirtschaftliche Gedeihen der Kolonie beruht, durchaus freundlich ge¬
staltet hat. Von der Kulturarbeit im eigentlichen Togoland wollen wir hier
nicht weiter reden. Wer sich dafür interessirt, findet in den jährlichen Berichten
über die Entwicklung des Schutzgebiets Togo (der letzte für 1895 ist als Beilage
zu Ur. 3 des Kolonialblattes 1896 erschienen) sehr interessante Mitteilungen
über die Fortschritte, gelegentlich auch über Hemmnisse der geistigen und mate¬
riellen Kultur.

Wir möchten auf die Kultur im Hinterkante hinweisen, die in den letzten
Jahren solche Ausdehnung angenommen hat, daß man sich nur wundern muß,
wie wenig sie bei uns beachtet worden ist. Es ist dort ein rühmliches
Stück deutscher Arbeit geleistet worden. Die Aufgaben sind folgende:
Schaffung friedlicher Zustünde besonders im Interesse des großen Durchgangs¬
handels, Bau von Wegen und Stationen, Hebung des Ackerbaus und der
Gewerbe. Das Innere der Schutzgebiete ist von den küstennahen Landschaften
durch schräg durch das Land laufende Gebirgszüge getrennt, die man als
Agomegebirge bezeichnet. Es ist zugleich die Wasserscheide zwischen dem Volta
im Westen und dem nach Dahomey hinüberfließenden Mono im Osten. Ans
Auslüufen dieses Gebirges liegt die erste Station des Innern, Misahvhe.
Man steigt von hier an immer weiter und kommt durch schöne Gebirgsland¬
schaften zu der zweiten Station, Vismarckburg, die 710 Meter hoch auf der
Wasserscheide zwischen Mono und Volta liegt. Durch diese Höhenzüge Wege
zu legen ist eine der Hauptaufgaben der Kulturarbeit in Togo. Man hat sie
etwas zu schwerfällig angegriffen, indem man die Hauptstraße von Lome auf
der Westseite des Schutzgebietes ins Innere gleich als förmliche Landstraße fünf
Meter breit anlegte. So ist sie auch von Miscchöhe aus entgegengebaut worden.
Zwischen den beiden Straßen ist eine Lücke von zwei Tagemärschen. Nun hat
man aber eingesehen, daß diese Art zu bauen viel zu langsam fortschreitet.
Die Neger gehen auf der breitesten Landstraße geradeso im Gänsemarsch, wie
wenn sie auf ihren Fußpfaden wandern. Man hat also schmälere Pfade an¬
zulegen begonnen, gerade breit genug für den üblichen Transport in einer
Hängematte. Damit wird mau hoffentlich viel rascher ins Hinterland vor¬
dringen. Im Küstenland machen die zahlreichen Lagunas und Sümpfe viel
Mühe, die Dämme und Brücken erfordern. Telegraphenleitungen sind einst-


Deutschlands Stellung und Rechte am Niger

Togo wird immer kleiner sein als Kamerun, von Deutsch-Ostafrika nicht
zu reden. Im Handel setzt Togo halb soviel um wie Kamerun. Die Ausfuhr
nimmt beständig zu, die Pflanzungen, die fast alle erst seit der Besitzergreifung
Togos angelegt worden sind, zeigen ein gesundes Wachstum. 1896 lebten
81 Deutsche im Schutzgebiet. Auch die Missionen sind unter dem deutschen
Schutz ins Innere gewandert und zählen heute 34 Stationen und Schulen.
Abgesehen von einigen Reibungen mit heidnischen Stämmen des Innern ist die
Entwicklung der Kolonie friedlich verlaufen, und es ist besonders erfreulich,
daß sich der Verkehr mit den mohammedanischen Haussa, auf deren Regsamkeit
das wirtschaftliche Gedeihen der Kolonie beruht, durchaus freundlich ge¬
staltet hat. Von der Kulturarbeit im eigentlichen Togoland wollen wir hier
nicht weiter reden. Wer sich dafür interessirt, findet in den jährlichen Berichten
über die Entwicklung des Schutzgebiets Togo (der letzte für 1895 ist als Beilage
zu Ur. 3 des Kolonialblattes 1896 erschienen) sehr interessante Mitteilungen
über die Fortschritte, gelegentlich auch über Hemmnisse der geistigen und mate¬
riellen Kultur.

Wir möchten auf die Kultur im Hinterkante hinweisen, die in den letzten
Jahren solche Ausdehnung angenommen hat, daß man sich nur wundern muß,
wie wenig sie bei uns beachtet worden ist. Es ist dort ein rühmliches
Stück deutscher Arbeit geleistet worden. Die Aufgaben sind folgende:
Schaffung friedlicher Zustünde besonders im Interesse des großen Durchgangs¬
handels, Bau von Wegen und Stationen, Hebung des Ackerbaus und der
Gewerbe. Das Innere der Schutzgebiete ist von den küstennahen Landschaften
durch schräg durch das Land laufende Gebirgszüge getrennt, die man als
Agomegebirge bezeichnet. Es ist zugleich die Wasserscheide zwischen dem Volta
im Westen und dem nach Dahomey hinüberfließenden Mono im Osten. Ans
Auslüufen dieses Gebirges liegt die erste Station des Innern, Misahvhe.
Man steigt von hier an immer weiter und kommt durch schöne Gebirgsland¬
schaften zu der zweiten Station, Vismarckburg, die 710 Meter hoch auf der
Wasserscheide zwischen Mono und Volta liegt. Durch diese Höhenzüge Wege
zu legen ist eine der Hauptaufgaben der Kulturarbeit in Togo. Man hat sie
etwas zu schwerfällig angegriffen, indem man die Hauptstraße von Lome auf
der Westseite des Schutzgebietes ins Innere gleich als förmliche Landstraße fünf
Meter breit anlegte. So ist sie auch von Miscchöhe aus entgegengebaut worden.
Zwischen den beiden Straßen ist eine Lücke von zwei Tagemärschen. Nun hat
man aber eingesehen, daß diese Art zu bauen viel zu langsam fortschreitet.
Die Neger gehen auf der breitesten Landstraße geradeso im Gänsemarsch, wie
wenn sie auf ihren Fußpfaden wandern. Man hat also schmälere Pfade an¬
zulegen begonnen, gerade breit genug für den üblichen Transport in einer
Hängematte. Damit wird mau hoffentlich viel rascher ins Hinterland vor¬
dringen. Im Küstenland machen die zahlreichen Lagunas und Sümpfe viel
Mühe, die Dämme und Brücken erfordern. Telegraphenleitungen sind einst-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0554" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/225482"/>
          <fw type="header" place="top"> Deutschlands Stellung und Rechte am Niger</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1759"> Togo wird immer kleiner sein als Kamerun, von Deutsch-Ostafrika nicht<lb/>
zu reden. Im Handel setzt Togo halb soviel um wie Kamerun. Die Ausfuhr<lb/>
nimmt beständig zu, die Pflanzungen, die fast alle erst seit der Besitzergreifung<lb/>
Togos angelegt worden sind, zeigen ein gesundes Wachstum. 1896 lebten<lb/>
81 Deutsche im Schutzgebiet. Auch die Missionen sind unter dem deutschen<lb/>
Schutz ins Innere gewandert und zählen heute 34 Stationen und Schulen.<lb/>
Abgesehen von einigen Reibungen mit heidnischen Stämmen des Innern ist die<lb/>
Entwicklung der Kolonie friedlich verlaufen, und es ist besonders erfreulich,<lb/>
daß sich der Verkehr mit den mohammedanischen Haussa, auf deren Regsamkeit<lb/>
das wirtschaftliche Gedeihen der Kolonie beruht, durchaus freundlich ge¬<lb/>
staltet hat. Von der Kulturarbeit im eigentlichen Togoland wollen wir hier<lb/>
nicht weiter reden. Wer sich dafür interessirt, findet in den jährlichen Berichten<lb/>
über die Entwicklung des Schutzgebiets Togo (der letzte für 1895 ist als Beilage<lb/>
zu Ur. 3 des Kolonialblattes 1896 erschienen) sehr interessante Mitteilungen<lb/>
über die Fortschritte, gelegentlich auch über Hemmnisse der geistigen und mate¬<lb/>
riellen Kultur.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1760" next="#ID_1761"> Wir möchten auf die Kultur im Hinterkante hinweisen, die in den letzten<lb/>
Jahren solche Ausdehnung angenommen hat, daß man sich nur wundern muß,<lb/>
wie wenig sie bei uns beachtet worden ist. Es ist dort ein rühmliches<lb/>
Stück deutscher Arbeit geleistet worden. Die Aufgaben sind folgende:<lb/>
Schaffung friedlicher Zustünde besonders im Interesse des großen Durchgangs¬<lb/>
handels, Bau von Wegen und Stationen, Hebung des Ackerbaus und der<lb/>
Gewerbe. Das Innere der Schutzgebiete ist von den küstennahen Landschaften<lb/>
durch schräg durch das Land laufende Gebirgszüge getrennt, die man als<lb/>
Agomegebirge bezeichnet. Es ist zugleich die Wasserscheide zwischen dem Volta<lb/>
im Westen und dem nach Dahomey hinüberfließenden Mono im Osten. Ans<lb/>
Auslüufen dieses Gebirges liegt die erste Station des Innern, Misahvhe.<lb/>
Man steigt von hier an immer weiter und kommt durch schöne Gebirgsland¬<lb/>
schaften zu der zweiten Station, Vismarckburg, die 710 Meter hoch auf der<lb/>
Wasserscheide zwischen Mono und Volta liegt. Durch diese Höhenzüge Wege<lb/>
zu legen ist eine der Hauptaufgaben der Kulturarbeit in Togo. Man hat sie<lb/>
etwas zu schwerfällig angegriffen, indem man die Hauptstraße von Lome auf<lb/>
der Westseite des Schutzgebietes ins Innere gleich als förmliche Landstraße fünf<lb/>
Meter breit anlegte. So ist sie auch von Miscchöhe aus entgegengebaut worden.<lb/>
Zwischen den beiden Straßen ist eine Lücke von zwei Tagemärschen. Nun hat<lb/>
man aber eingesehen, daß diese Art zu bauen viel zu langsam fortschreitet.<lb/>
Die Neger gehen auf der breitesten Landstraße geradeso im Gänsemarsch, wie<lb/>
wenn sie auf ihren Fußpfaden wandern. Man hat also schmälere Pfade an¬<lb/>
zulegen begonnen, gerade breit genug für den üblichen Transport in einer<lb/>
Hängematte. Damit wird mau hoffentlich viel rascher ins Hinterland vor¬<lb/>
dringen. Im Küstenland machen die zahlreichen Lagunas und Sümpfe viel<lb/>
Mühe, die Dämme und Brücken erfordern.  Telegraphenleitungen sind einst-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0554] Deutschlands Stellung und Rechte am Niger Togo wird immer kleiner sein als Kamerun, von Deutsch-Ostafrika nicht zu reden. Im Handel setzt Togo halb soviel um wie Kamerun. Die Ausfuhr nimmt beständig zu, die Pflanzungen, die fast alle erst seit der Besitzergreifung Togos angelegt worden sind, zeigen ein gesundes Wachstum. 1896 lebten 81 Deutsche im Schutzgebiet. Auch die Missionen sind unter dem deutschen Schutz ins Innere gewandert und zählen heute 34 Stationen und Schulen. Abgesehen von einigen Reibungen mit heidnischen Stämmen des Innern ist die Entwicklung der Kolonie friedlich verlaufen, und es ist besonders erfreulich, daß sich der Verkehr mit den mohammedanischen Haussa, auf deren Regsamkeit das wirtschaftliche Gedeihen der Kolonie beruht, durchaus freundlich ge¬ staltet hat. Von der Kulturarbeit im eigentlichen Togoland wollen wir hier nicht weiter reden. Wer sich dafür interessirt, findet in den jährlichen Berichten über die Entwicklung des Schutzgebiets Togo (der letzte für 1895 ist als Beilage zu Ur. 3 des Kolonialblattes 1896 erschienen) sehr interessante Mitteilungen über die Fortschritte, gelegentlich auch über Hemmnisse der geistigen und mate¬ riellen Kultur. Wir möchten auf die Kultur im Hinterkante hinweisen, die in den letzten Jahren solche Ausdehnung angenommen hat, daß man sich nur wundern muß, wie wenig sie bei uns beachtet worden ist. Es ist dort ein rühmliches Stück deutscher Arbeit geleistet worden. Die Aufgaben sind folgende: Schaffung friedlicher Zustünde besonders im Interesse des großen Durchgangs¬ handels, Bau von Wegen und Stationen, Hebung des Ackerbaus und der Gewerbe. Das Innere der Schutzgebiete ist von den küstennahen Landschaften durch schräg durch das Land laufende Gebirgszüge getrennt, die man als Agomegebirge bezeichnet. Es ist zugleich die Wasserscheide zwischen dem Volta im Westen und dem nach Dahomey hinüberfließenden Mono im Osten. Ans Auslüufen dieses Gebirges liegt die erste Station des Innern, Misahvhe. Man steigt von hier an immer weiter und kommt durch schöne Gebirgsland¬ schaften zu der zweiten Station, Vismarckburg, die 710 Meter hoch auf der Wasserscheide zwischen Mono und Volta liegt. Durch diese Höhenzüge Wege zu legen ist eine der Hauptaufgaben der Kulturarbeit in Togo. Man hat sie etwas zu schwerfällig angegriffen, indem man die Hauptstraße von Lome auf der Westseite des Schutzgebietes ins Innere gleich als förmliche Landstraße fünf Meter breit anlegte. So ist sie auch von Miscchöhe aus entgegengebaut worden. Zwischen den beiden Straßen ist eine Lücke von zwei Tagemärschen. Nun hat man aber eingesehen, daß diese Art zu bauen viel zu langsam fortschreitet. Die Neger gehen auf der breitesten Landstraße geradeso im Gänsemarsch, wie wenn sie auf ihren Fußpfaden wandern. Man hat also schmälere Pfade an¬ zulegen begonnen, gerade breit genug für den üblichen Transport in einer Hängematte. Damit wird mau hoffentlich viel rascher ins Hinterland vor¬ dringen. Im Küstenland machen die zahlreichen Lagunas und Sümpfe viel Mühe, die Dämme und Brücken erfordern. Telegraphenleitungen sind einst-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224927
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224927/554
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224927/554>, abgerufen am 23.07.2024.