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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr.

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Deutschlands Stellung und Rechte am Niger

n Paris kämpfen unsre Unterhändler mit den französischen um
das Schicksal des Hinterlandes unsrer Kolonie Togo; in Deutsch¬
land merkt man kaum etwas davon. Auf unsern Zeitungen lastet
eben wieder bleischwer das Gesetz der geistigen Trägheit, das sie
nötigt, noch immer von Griechenland und der Türkei mindestens
einmal am Tage zu reden, als ob ihre Leser noch so gespannt wie vor zwei Mo¬
naten nach Kreta und Thessalien hinhorchten. Wir zweifeln keinen Augenblick, daß
die französischen Agenten in Deutschland nach Paris ungefähr Folgendes melden
werden: "Die Deutschen sind noch immer sehr gleichgiltig gegen ihre Kolonien;
die Organe der öffentlichen Meinung sind auch in diesem Augenblick mehr mit
der Einverleibung Hawaiis in die Vereinigten Staaten als mit dem Togv-
hinterlnnde beschäftigt. Wenn der deutsche Besitz in Togo bei Vismarckburg
abgegrenzt wird, so wird das hier nur bei einigen Kolonialschwärmern
Eindruck machen." Aus solchen Berichten schließt man dann in Paris, daß
die deutschen Unterhändler nach einigem Zögern doch auf die fast lächerlich
zu nennenden Hernnterbietungen der Franzosen eingehen werden, und daß es
der deutschen Negierung mit leichter Mühe gelingen werde, ihrem Reichstag
eine Abgrenzung des Togoschutzgebietes annehmbar erscheinen zu lassen, die
ungefähr das feststellt, was Deutschland südlich vom neunten Grad besitzt.

Wir meinen, es sei dringend nötig, die deutschen Bedürfnisse und Forde¬
rungen im Niger'bogen klar hinzustellen. Auch den kolonialen Entwicklungen
gegenüber dürfen wir nicht auf eignes Urteil verzichten. Ihre bisherige Ge¬
schichte ermutigt uns nicht, mit blindem Vertrauen dem Ausgang der Pariser
Verhandlungen entgegenzusehen. Mißtrauen gegen unsre deutscheu Unter¬
händler zu äußern, halten Nur zwar in dein gegenwärtigen Augenblick ebenso
wenig für angebracht. Aber stumm abzuwarten ist weder nach innen noch
nach außen von Vorteil.


Grenzboten II 1807 l>!>


Deutschlands Stellung und Rechte am Niger

n Paris kämpfen unsre Unterhändler mit den französischen um
das Schicksal des Hinterlandes unsrer Kolonie Togo; in Deutsch¬
land merkt man kaum etwas davon. Auf unsern Zeitungen lastet
eben wieder bleischwer das Gesetz der geistigen Trägheit, das sie
nötigt, noch immer von Griechenland und der Türkei mindestens
einmal am Tage zu reden, als ob ihre Leser noch so gespannt wie vor zwei Mo¬
naten nach Kreta und Thessalien hinhorchten. Wir zweifeln keinen Augenblick, daß
die französischen Agenten in Deutschland nach Paris ungefähr Folgendes melden
werden: „Die Deutschen sind noch immer sehr gleichgiltig gegen ihre Kolonien;
die Organe der öffentlichen Meinung sind auch in diesem Augenblick mehr mit
der Einverleibung Hawaiis in die Vereinigten Staaten als mit dem Togv-
hinterlnnde beschäftigt. Wenn der deutsche Besitz in Togo bei Vismarckburg
abgegrenzt wird, so wird das hier nur bei einigen Kolonialschwärmern
Eindruck machen." Aus solchen Berichten schließt man dann in Paris, daß
die deutschen Unterhändler nach einigem Zögern doch auf die fast lächerlich
zu nennenden Hernnterbietungen der Franzosen eingehen werden, und daß es
der deutschen Negierung mit leichter Mühe gelingen werde, ihrem Reichstag
eine Abgrenzung des Togoschutzgebietes annehmbar erscheinen zu lassen, die
ungefähr das feststellt, was Deutschland südlich vom neunten Grad besitzt.

Wir meinen, es sei dringend nötig, die deutschen Bedürfnisse und Forde¬
rungen im Niger'bogen klar hinzustellen. Auch den kolonialen Entwicklungen
gegenüber dürfen wir nicht auf eignes Urteil verzichten. Ihre bisherige Ge¬
schichte ermutigt uns nicht, mit blindem Vertrauen dem Ausgang der Pariser
Verhandlungen entgegenzusehen. Mißtrauen gegen unsre deutscheu Unter¬
händler zu äußern, halten Nur zwar in dein gegenwärtigen Augenblick ebenso
wenig für angebracht. Aber stumm abzuwarten ist weder nach innen noch
nach außen von Vorteil.


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[0553] [Abbildung] Deutschlands Stellung und Rechte am Niger n Paris kämpfen unsre Unterhändler mit den französischen um das Schicksal des Hinterlandes unsrer Kolonie Togo; in Deutsch¬ land merkt man kaum etwas davon. Auf unsern Zeitungen lastet eben wieder bleischwer das Gesetz der geistigen Trägheit, das sie nötigt, noch immer von Griechenland und der Türkei mindestens einmal am Tage zu reden, als ob ihre Leser noch so gespannt wie vor zwei Mo¬ naten nach Kreta und Thessalien hinhorchten. Wir zweifeln keinen Augenblick, daß die französischen Agenten in Deutschland nach Paris ungefähr Folgendes melden werden: „Die Deutschen sind noch immer sehr gleichgiltig gegen ihre Kolonien; die Organe der öffentlichen Meinung sind auch in diesem Augenblick mehr mit der Einverleibung Hawaiis in die Vereinigten Staaten als mit dem Togv- hinterlnnde beschäftigt. Wenn der deutsche Besitz in Togo bei Vismarckburg abgegrenzt wird, so wird das hier nur bei einigen Kolonialschwärmern Eindruck machen." Aus solchen Berichten schließt man dann in Paris, daß die deutschen Unterhändler nach einigem Zögern doch auf die fast lächerlich zu nennenden Hernnterbietungen der Franzosen eingehen werden, und daß es der deutschen Negierung mit leichter Mühe gelingen werde, ihrem Reichstag eine Abgrenzung des Togoschutzgebietes annehmbar erscheinen zu lassen, die ungefähr das feststellt, was Deutschland südlich vom neunten Grad besitzt. Wir meinen, es sei dringend nötig, die deutschen Bedürfnisse und Forde¬ rungen im Niger'bogen klar hinzustellen. Auch den kolonialen Entwicklungen gegenüber dürfen wir nicht auf eignes Urteil verzichten. Ihre bisherige Ge¬ schichte ermutigt uns nicht, mit blindem Vertrauen dem Ausgang der Pariser Verhandlungen entgegenzusehen. Mißtrauen gegen unsre deutscheu Unter¬ händler zu äußern, halten Nur zwar in dein gegenwärtigen Augenblick ebenso wenig für angebracht. Aber stumm abzuwarten ist weder nach innen noch nach außen von Vorteil. Grenzboten II 1807 l>!>

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224927/553>, abgerufen am 23.07.2024.