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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr.

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Litteratur

dritte umsonst zu haben? Zumal die ehrenwerte Künstlerschaft, wie ein Vergleich
ergiebt, die Preise für ihre kostbaren Rahmen neuerdings erhöht hat (von 10 Franks
auf 10 Mark usw. bis auf 40 Mark, früher 45 Franks -- auch das ist ein
hübsches Täuschuugsmittelche", da die meisten Kunden wohl nicht viel nachrechnen
werden!). Jedenfalls ist es für die Pariser und leider wohl auch für uus Deutsche
bezeichnend, daß hier in eiuer einfach unverschämt zu nennenden Weise entweder
auf grobe Dummheit oder -- was uoch viel schlimmer, aber einleuchtender ist --
auf treulosen Eigennutz spekulirt wird. Daß so etwas überhaupt möglich ist, ist
schon empörend -- aber inuuüus vult cloeipi, und außerdem hat ja Herr Tanquerey
den Reklamegrundsatz, nur den "hervorragendsten und einflußreichsten Bewohnern
jeder Stadt Gratisporträts zu machen." Welcher bescheidne Sterbliche läßt sich
nicht gern zu diesen rechnen, wenn er auch weiß oder bei einiger Umfrage mühe¬
los erfahren kann, daß Herr Tanquerey seine Grenzen recht weit zieht!




Litteratur

Karl August Credner, sein Leben und seine Theologie, von Prof, Dr, W, Bnldensperger.
Leipzig, Beit und Comp,, 1897

Credner war ein ausgezeichneter, freisinnig gerichteter Theologe in Gießen,
der sich um die Geschichte der neutestamentlichen Schriften und des Kanons die
größten Verdienste erworben hat. In seinem Leben hat er viele Anfeindungen
erfahren und wenig Sonnenschein gehabt. Weil er aber auch uach seinem Tode
nicht die Anerkennung gefunden hat, die ihm zukommt, so hat die Gießener Fakultät
an seinem hundertjährigen Geburtstage eine Gedächtnisfeier gehalten. Die Haupt¬
rede dabei, eine gewinnende Schilderung des Gefeierten, mit sorgfältigen Anmer-
kungen über seiue wissenschaftlichen Leistungen und einem Bildnis versehen, erscheint
nun in einem fein ausgestattete" Hefte, vierzig Jahre unes seinem Tode. Niemand
wird diese" Lebenslauf ohne Bewegung lese", und um so mehr Eindruck wird es
auf ihn machen, daß der Redner am Schluß die Kundgebung als einen Akt der
Sühne bezeichnet, durch die "wir die schwere an ihm begangne Schuld, so viel
in unsern Kräften steht, vor der Öffentlichkeit wieder gut zu machen wünschen."
Denn es ist noch hervorzuheben, daß gerade die Geschichtschreiber seiner eignen
Richtung, anhebend mit Hase, durch eine gewisse eouspirirtion ein siloueo sein An¬
denken vernichtet haben! Das ist gewiß bös von den Leuten, Negative Richtungen
verfallen freilich leicht dem Schicksal, daß, wenn sie sich weiter spalten, die einzelnen
sich nicht mehr stützen, sondern sogar unter einander bekämpfen-, und so die Be¬
wegung allmählich an Kraft verliert, während, wenn Menschen einem positiven
Ziel zustreben, sie zwar auch vieles von einander trennen kann, aber doch das
Gemeinsame, das, was sie zusammenheilt, stärker zu sein pflegt als das Trennende.
Weshalb mich jemand, der es besser verstand als wir alle, von dem Reiche ge¬
sprochen hat, das nicht bestehen kann, wenn es mit sich selbst uneins wird.




Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Will), Grunow in Leipzig. -- Druck von Carl Marquart in Leipzig
Litteratur

dritte umsonst zu haben? Zumal die ehrenwerte Künstlerschaft, wie ein Vergleich
ergiebt, die Preise für ihre kostbaren Rahmen neuerdings erhöht hat (von 10 Franks
auf 10 Mark usw. bis auf 40 Mark, früher 45 Franks — auch das ist ein
hübsches Täuschuugsmittelche», da die meisten Kunden wohl nicht viel nachrechnen
werden!). Jedenfalls ist es für die Pariser und leider wohl auch für uus Deutsche
bezeichnend, daß hier in eiuer einfach unverschämt zu nennenden Weise entweder
auf grobe Dummheit oder — was uoch viel schlimmer, aber einleuchtender ist —
auf treulosen Eigennutz spekulirt wird. Daß so etwas überhaupt möglich ist, ist
schon empörend — aber inuuüus vult cloeipi, und außerdem hat ja Herr Tanquerey
den Reklamegrundsatz, nur den „hervorragendsten und einflußreichsten Bewohnern
jeder Stadt Gratisporträts zu machen." Welcher bescheidne Sterbliche läßt sich
nicht gern zu diesen rechnen, wenn er auch weiß oder bei einiger Umfrage mühe¬
los erfahren kann, daß Herr Tanquerey seine Grenzen recht weit zieht!




Litteratur

Karl August Credner, sein Leben und seine Theologie, von Prof, Dr, W, Bnldensperger.
Leipzig, Beit und Comp,, 1897

Credner war ein ausgezeichneter, freisinnig gerichteter Theologe in Gießen,
der sich um die Geschichte der neutestamentlichen Schriften und des Kanons die
größten Verdienste erworben hat. In seinem Leben hat er viele Anfeindungen
erfahren und wenig Sonnenschein gehabt. Weil er aber auch uach seinem Tode
nicht die Anerkennung gefunden hat, die ihm zukommt, so hat die Gießener Fakultät
an seinem hundertjährigen Geburtstage eine Gedächtnisfeier gehalten. Die Haupt¬
rede dabei, eine gewinnende Schilderung des Gefeierten, mit sorgfältigen Anmer-
kungen über seiue wissenschaftlichen Leistungen und einem Bildnis versehen, erscheint
nun in einem fein ausgestattete» Hefte, vierzig Jahre unes seinem Tode. Niemand
wird diese» Lebenslauf ohne Bewegung lese», und um so mehr Eindruck wird es
auf ihn machen, daß der Redner am Schluß die Kundgebung als einen Akt der
Sühne bezeichnet, durch die „wir die schwere an ihm begangne Schuld, so viel
in unsern Kräften steht, vor der Öffentlichkeit wieder gut zu machen wünschen."
Denn es ist noch hervorzuheben, daß gerade die Geschichtschreiber seiner eignen
Richtung, anhebend mit Hase, durch eine gewisse eouspirirtion ein siloueo sein An¬
denken vernichtet haben! Das ist gewiß bös von den Leuten, Negative Richtungen
verfallen freilich leicht dem Schicksal, daß, wenn sie sich weiter spalten, die einzelnen
sich nicht mehr stützen, sondern sogar unter einander bekämpfen-, und so die Be¬
wegung allmählich an Kraft verliert, während, wenn Menschen einem positiven
Ziel zustreben, sie zwar auch vieles von einander trennen kann, aber doch das
Gemeinsame, das, was sie zusammenheilt, stärker zu sein pflegt als das Trennende.
Weshalb mich jemand, der es besser verstand als wir alle, von dem Reiche ge¬
sprochen hat, das nicht bestehen kann, wenn es mit sich selbst uneins wird.




Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Will), Grunow in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Leipzig
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[0552] Litteratur dritte umsonst zu haben? Zumal die ehrenwerte Künstlerschaft, wie ein Vergleich ergiebt, die Preise für ihre kostbaren Rahmen neuerdings erhöht hat (von 10 Franks auf 10 Mark usw. bis auf 40 Mark, früher 45 Franks — auch das ist ein hübsches Täuschuugsmittelche», da die meisten Kunden wohl nicht viel nachrechnen werden!). Jedenfalls ist es für die Pariser und leider wohl auch für uus Deutsche bezeichnend, daß hier in eiuer einfach unverschämt zu nennenden Weise entweder auf grobe Dummheit oder — was uoch viel schlimmer, aber einleuchtender ist — auf treulosen Eigennutz spekulirt wird. Daß so etwas überhaupt möglich ist, ist schon empörend — aber inuuüus vult cloeipi, und außerdem hat ja Herr Tanquerey den Reklamegrundsatz, nur den „hervorragendsten und einflußreichsten Bewohnern jeder Stadt Gratisporträts zu machen." Welcher bescheidne Sterbliche läßt sich nicht gern zu diesen rechnen, wenn er auch weiß oder bei einiger Umfrage mühe¬ los erfahren kann, daß Herr Tanquerey seine Grenzen recht weit zieht! Litteratur Karl August Credner, sein Leben und seine Theologie, von Prof, Dr, W, Bnldensperger. Leipzig, Beit und Comp,, 1897 Credner war ein ausgezeichneter, freisinnig gerichteter Theologe in Gießen, der sich um die Geschichte der neutestamentlichen Schriften und des Kanons die größten Verdienste erworben hat. In seinem Leben hat er viele Anfeindungen erfahren und wenig Sonnenschein gehabt. Weil er aber auch uach seinem Tode nicht die Anerkennung gefunden hat, die ihm zukommt, so hat die Gießener Fakultät an seinem hundertjährigen Geburtstage eine Gedächtnisfeier gehalten. Die Haupt¬ rede dabei, eine gewinnende Schilderung des Gefeierten, mit sorgfältigen Anmer- kungen über seiue wissenschaftlichen Leistungen und einem Bildnis versehen, erscheint nun in einem fein ausgestattete» Hefte, vierzig Jahre unes seinem Tode. Niemand wird diese» Lebenslauf ohne Bewegung lese», und um so mehr Eindruck wird es auf ihn machen, daß der Redner am Schluß die Kundgebung als einen Akt der Sühne bezeichnet, durch die „wir die schwere an ihm begangne Schuld, so viel in unsern Kräften steht, vor der Öffentlichkeit wieder gut zu machen wünschen." Denn es ist noch hervorzuheben, daß gerade die Geschichtschreiber seiner eignen Richtung, anhebend mit Hase, durch eine gewisse eouspirirtion ein siloueo sein An¬ denken vernichtet haben! Das ist gewiß bös von den Leuten, Negative Richtungen verfallen freilich leicht dem Schicksal, daß, wenn sie sich weiter spalten, die einzelnen sich nicht mehr stützen, sondern sogar unter einander bekämpfen-, und so die Be¬ wegung allmählich an Kraft verliert, während, wenn Menschen einem positiven Ziel zustreben, sie zwar auch vieles von einander trennen kann, aber doch das Gemeinsame, das, was sie zusammenheilt, stärker zu sein pflegt als das Trennende. Weshalb mich jemand, der es besser verstand als wir alle, von dem Reiche ge¬ sprochen hat, das nicht bestehen kann, wenn es mit sich selbst uneins wird. Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr. Will), Grunow in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Leipzig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224927/552>, abgerufen am 23.07.2024.