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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr.

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Die Agrarreform in Preußen

nach deren Abzug nur ein wirklicher Wert der Erbschaft von 7470 Mark
verbleibe? Warum rechnet er bei dem Anerben mit einem Kapitalwert, bei
den Miterben nur mit einem Teilbetrag der Jahresrente? Warum giebt
er nicht vielmehr richtig an, daß bei den Anerben der Kapitalwert seines
Erbteils 4150 Mark, bei den Miterben 3320 Mark beträgt? Aber freilich,
diese letzten Zahlen passen nicht in seinen Zweck, das Gesetz als verwerflich
hinzustellen.

Voller Unrichtigkeiten ist die Darstellung, welchen Beschränkungen das
Anerbengut unterliegt. Die einzige Einschränkung, die besteht, ist die, daß das
Anerbengut nicht ohne Genehmigung der Generalkommission zerteilt und ohne
diese auch nicht durch Verfügung unter Lebenden im ganzen an ein Nicht-
familienmitglied veräußert werden darf. Zudem darf im letztern Falle die
Genehmigung nur versagt werden, "wenn Thatsachen vorliegen, welche die
Annahme rechtfertigen, daß die wirtschaftliche Selbständigkeit des Anerbenguts
durch Vereinigung mit einem größern Gute aufgehoben wird." Was macht
Brentano hieraus? "Das Recht des Rentengutsbesitzers. über sein Gut unter
Lebenden und von Todes wegen zu verfügen, wird, soweit eine solche Verfügung
den durch das Gesetz ausgesprochnen Beschränkungen widersprechen würde, voll¬
ständig aufgehoben. . . . Das Recht der testamentarischer Verfügung wird
durch das Gesetz wesentlich beschränkt; nur ein Erbe kann also das Gut erben;
die einzige Freiheit, die dem Testator gelassen ist, ist die Person dieses Erben
zu bestimmen. Nach Z 34 ferner kann der Testator nicht im Interesse seiner
weichenden Erben den Wert, zu dem der Anerbe das Gut erhält, höher be¬
stimmen, als im Z 18 des Gesetzes vorgesehen ist." Soviel Behauptungen,
soviel Unrichtigkeiten! Das Zcrteilungsrecht wird nicht aufgehoben, sondern
nur von der Genehmigung einer Behörde abhängig gemacht, und diese Behörde
hat lediglich das Interesse des Besitzers wahrzunehmen und dafür zu sorgen, daß
er nicht in unwirtschaftlicher Weise abveräußert, dadurch sein Bestehen gefährdet
und seine Selbständigkeit verliert. Die Veräußerung der ganzen Stelle durch
letztwillige Verfügung ist durch nichts behindert; eine solche durch Verfügung
unter Lebenden aber darf nur versagt werden, wenn eine Aufsaugung dnrch
Großgrundbesitz zu befürchten ist. Und das nennt Brentano "Wiedereinfüh¬
rung von Beschränkungen zu Gunsten des Großgrundbesitzes"! Gerade gegen
ihn sind sie doch gerichtet!

Aber weiter: nur ein Erbe soll erben können. Wo steht denn das?
Können denn nicht dnrch Testament mehrere Miterben eingesetzt werden? kann
nicht die bestehende Gütergemeinschaft und damit ein gemeinschaftlicher Besitz
fortgesetzt werden? Kann nicht überhaupt durch Testament über das Anerben-
gut verfügt werden, als ob es dem Anerbenrechte gar nicht unterläge, nur
mit der einzigen schon erwähnten Ausnahme der beschränkten Zerteilungs- und
Abverüußcrungsfähigkeit?


Die Agrarreform in Preußen

nach deren Abzug nur ein wirklicher Wert der Erbschaft von 7470 Mark
verbleibe? Warum rechnet er bei dem Anerben mit einem Kapitalwert, bei
den Miterben nur mit einem Teilbetrag der Jahresrente? Warum giebt
er nicht vielmehr richtig an, daß bei den Anerben der Kapitalwert seines
Erbteils 4150 Mark, bei den Miterben 3320 Mark beträgt? Aber freilich,
diese letzten Zahlen passen nicht in seinen Zweck, das Gesetz als verwerflich
hinzustellen.

Voller Unrichtigkeiten ist die Darstellung, welchen Beschränkungen das
Anerbengut unterliegt. Die einzige Einschränkung, die besteht, ist die, daß das
Anerbengut nicht ohne Genehmigung der Generalkommission zerteilt und ohne
diese auch nicht durch Verfügung unter Lebenden im ganzen an ein Nicht-
familienmitglied veräußert werden darf. Zudem darf im letztern Falle die
Genehmigung nur versagt werden, „wenn Thatsachen vorliegen, welche die
Annahme rechtfertigen, daß die wirtschaftliche Selbständigkeit des Anerbenguts
durch Vereinigung mit einem größern Gute aufgehoben wird." Was macht
Brentano hieraus? „Das Recht des Rentengutsbesitzers. über sein Gut unter
Lebenden und von Todes wegen zu verfügen, wird, soweit eine solche Verfügung
den durch das Gesetz ausgesprochnen Beschränkungen widersprechen würde, voll¬
ständig aufgehoben. . . . Das Recht der testamentarischer Verfügung wird
durch das Gesetz wesentlich beschränkt; nur ein Erbe kann also das Gut erben;
die einzige Freiheit, die dem Testator gelassen ist, ist die Person dieses Erben
zu bestimmen. Nach Z 34 ferner kann der Testator nicht im Interesse seiner
weichenden Erben den Wert, zu dem der Anerbe das Gut erhält, höher be¬
stimmen, als im Z 18 des Gesetzes vorgesehen ist." Soviel Behauptungen,
soviel Unrichtigkeiten! Das Zcrteilungsrecht wird nicht aufgehoben, sondern
nur von der Genehmigung einer Behörde abhängig gemacht, und diese Behörde
hat lediglich das Interesse des Besitzers wahrzunehmen und dafür zu sorgen, daß
er nicht in unwirtschaftlicher Weise abveräußert, dadurch sein Bestehen gefährdet
und seine Selbständigkeit verliert. Die Veräußerung der ganzen Stelle durch
letztwillige Verfügung ist durch nichts behindert; eine solche durch Verfügung
unter Lebenden aber darf nur versagt werden, wenn eine Aufsaugung dnrch
Großgrundbesitz zu befürchten ist. Und das nennt Brentano „Wiedereinfüh¬
rung von Beschränkungen zu Gunsten des Großgrundbesitzes"! Gerade gegen
ihn sind sie doch gerichtet!

Aber weiter: nur ein Erbe soll erben können. Wo steht denn das?
Können denn nicht dnrch Testament mehrere Miterben eingesetzt werden? kann
nicht die bestehende Gütergemeinschaft und damit ein gemeinschaftlicher Besitz
fortgesetzt werden? Kann nicht überhaupt durch Testament über das Anerben-
gut verfügt werden, als ob es dem Anerbenrechte gar nicht unterläge, nur
mit der einzigen schon erwähnten Ausnahme der beschränkten Zerteilungs- und
Abverüußcrungsfähigkeit?


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[0495] Die Agrarreform in Preußen nach deren Abzug nur ein wirklicher Wert der Erbschaft von 7470 Mark verbleibe? Warum rechnet er bei dem Anerben mit einem Kapitalwert, bei den Miterben nur mit einem Teilbetrag der Jahresrente? Warum giebt er nicht vielmehr richtig an, daß bei den Anerben der Kapitalwert seines Erbteils 4150 Mark, bei den Miterben 3320 Mark beträgt? Aber freilich, diese letzten Zahlen passen nicht in seinen Zweck, das Gesetz als verwerflich hinzustellen. Voller Unrichtigkeiten ist die Darstellung, welchen Beschränkungen das Anerbengut unterliegt. Die einzige Einschränkung, die besteht, ist die, daß das Anerbengut nicht ohne Genehmigung der Generalkommission zerteilt und ohne diese auch nicht durch Verfügung unter Lebenden im ganzen an ein Nicht- familienmitglied veräußert werden darf. Zudem darf im letztern Falle die Genehmigung nur versagt werden, „wenn Thatsachen vorliegen, welche die Annahme rechtfertigen, daß die wirtschaftliche Selbständigkeit des Anerbenguts durch Vereinigung mit einem größern Gute aufgehoben wird." Was macht Brentano hieraus? „Das Recht des Rentengutsbesitzers. über sein Gut unter Lebenden und von Todes wegen zu verfügen, wird, soweit eine solche Verfügung den durch das Gesetz ausgesprochnen Beschränkungen widersprechen würde, voll¬ ständig aufgehoben. . . . Das Recht der testamentarischer Verfügung wird durch das Gesetz wesentlich beschränkt; nur ein Erbe kann also das Gut erben; die einzige Freiheit, die dem Testator gelassen ist, ist die Person dieses Erben zu bestimmen. Nach Z 34 ferner kann der Testator nicht im Interesse seiner weichenden Erben den Wert, zu dem der Anerbe das Gut erhält, höher be¬ stimmen, als im Z 18 des Gesetzes vorgesehen ist." Soviel Behauptungen, soviel Unrichtigkeiten! Das Zcrteilungsrecht wird nicht aufgehoben, sondern nur von der Genehmigung einer Behörde abhängig gemacht, und diese Behörde hat lediglich das Interesse des Besitzers wahrzunehmen und dafür zu sorgen, daß er nicht in unwirtschaftlicher Weise abveräußert, dadurch sein Bestehen gefährdet und seine Selbständigkeit verliert. Die Veräußerung der ganzen Stelle durch letztwillige Verfügung ist durch nichts behindert; eine solche durch Verfügung unter Lebenden aber darf nur versagt werden, wenn eine Aufsaugung dnrch Großgrundbesitz zu befürchten ist. Und das nennt Brentano „Wiedereinfüh¬ rung von Beschränkungen zu Gunsten des Großgrundbesitzes"! Gerade gegen ihn sind sie doch gerichtet! Aber weiter: nur ein Erbe soll erben können. Wo steht denn das? Können denn nicht dnrch Testament mehrere Miterben eingesetzt werden? kann nicht die bestehende Gütergemeinschaft und damit ein gemeinschaftlicher Besitz fortgesetzt werden? Kann nicht überhaupt durch Testament über das Anerben- gut verfügt werden, als ob es dem Anerbenrechte gar nicht unterläge, nur mit der einzigen schon erwähnten Ausnahme der beschränkten Zerteilungs- und Abverüußcrungsfähigkeit?

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224927/495>, abgerufen am 23.07.2024.