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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr.

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Heimatschutz

hohe Aufgabe, mit einem Wort der Idealismus des Schönen und Lieblicher auf
der Erde in seinem untrennbaren Zusammenhang mit dem religiösen und sitt¬
lichen Idealismus ist hier sür alle Zeiten in einer Weise beglaubigt und be¬
siegelt, wie sie schlichter und schlagender nicht gedacht werden kann, und es ist
betrübend, daß diese Wahrheit gerade auf konservativer Seite noch immer nicht
in ihrer vollen Tragweite gewürdigt wird.

Dem Pfarrer Hansjakob in Freiburg im Breisgau ist es gelungen, einen
Verein zur Erhaltung der Volkstrachten ins Leben zu rufen, der offenbaren
Erfolg aufzuweisen hat. Seine Schrift über diesen Gegenstand enthält eine
Fülle goldner Worte. Von der Volkstracht aber zu den überkommnen Sitten
und Gebräuchen des Volkes und zu volkstümlicher Bauart^), deren Wieder¬
belebung die unerläßlichste Forderung ist, wenn von der Eigenart deutschen
Landes überhaupt noch die Rede sein soll, ist nur ein Schritt. Könnte nicht von
dieser Stelle ausgehend die angeregte Bewegung sich ausdehnen, immer weitere
Bogen schlagen, bis sie endlich, Nord und Süd umfassend, das gesamte Gebiet,
von dem hier gesprochen wird, ergriffen und durchdrungen hätte? Sollte ein
solcher Aufschwung thatsächlich vom Süden ausgehen, so wäre dies das größte
Verdienst, das er sich um das gemeinsame Vaterland erwerben könnte. Hoffnung
läßt nicht zu Schanden werden. Wenn in Sevilla dasselbe empfunden wird,
was in diesen Zeilen auszudrücken versucht wurde, so darf man Hoffnung
haben, daß es endlich überall unter den Schläfrigen wach und lebendig werden
wird. Ist aber erst das volle Bewußtsein davon vorhanden, was in unsern
Tagen auf dem Spiele steht, so wird auch der unbeugsame Wille nicht fehlen,
den Verwüstungen des modernen Nivellirungssystems um jeden Preis Einhalt
zu thun.





*) ES müßten vor allein, wie es auch vielfach schon geschehen ist, in allen deutschen
Gegenden die bedeutendsten alten Bauten, Wohnhäuser, Wirtschaftsgebäude usw. genau auf¬
genommen und Konkurrenzen für Pläne ausgeschrieben werden, die auf Grund solchen Materials
das für jede Landschaft Charakteristische für Neubauten in Anwendung brächten, unter Berück¬
sichtigung zugleich von angemessenen praktischen Einrichtungen, wie sie die Gegenwart erfunden
hat. Sodann wären in den verschiednen Landschaften den ländlichen Maurermeistern Preise
auszusetzen, die die Aufgabe, im Anschluß an jene Muster ein durchaus volkstümliches, den
hergebrachten Charakter bewahrendes Haus zu bnueu, am vollkommensten gelöst Hütten. Wie
dringend nötig es wäre, in erster Linie auf die völlig in Nüchternheit und Schematismus be¬
fangnen Baugewerkeuschulen Einfluß zu gewinnen, bedarf keines Wortes.
Heimatschutz

hohe Aufgabe, mit einem Wort der Idealismus des Schönen und Lieblicher auf
der Erde in seinem untrennbaren Zusammenhang mit dem religiösen und sitt¬
lichen Idealismus ist hier sür alle Zeiten in einer Weise beglaubigt und be¬
siegelt, wie sie schlichter und schlagender nicht gedacht werden kann, und es ist
betrübend, daß diese Wahrheit gerade auf konservativer Seite noch immer nicht
in ihrer vollen Tragweite gewürdigt wird.

Dem Pfarrer Hansjakob in Freiburg im Breisgau ist es gelungen, einen
Verein zur Erhaltung der Volkstrachten ins Leben zu rufen, der offenbaren
Erfolg aufzuweisen hat. Seine Schrift über diesen Gegenstand enthält eine
Fülle goldner Worte. Von der Volkstracht aber zu den überkommnen Sitten
und Gebräuchen des Volkes und zu volkstümlicher Bauart^), deren Wieder¬
belebung die unerläßlichste Forderung ist, wenn von der Eigenart deutschen
Landes überhaupt noch die Rede sein soll, ist nur ein Schritt. Könnte nicht von
dieser Stelle ausgehend die angeregte Bewegung sich ausdehnen, immer weitere
Bogen schlagen, bis sie endlich, Nord und Süd umfassend, das gesamte Gebiet,
von dem hier gesprochen wird, ergriffen und durchdrungen hätte? Sollte ein
solcher Aufschwung thatsächlich vom Süden ausgehen, so wäre dies das größte
Verdienst, das er sich um das gemeinsame Vaterland erwerben könnte. Hoffnung
läßt nicht zu Schanden werden. Wenn in Sevilla dasselbe empfunden wird,
was in diesen Zeilen auszudrücken versucht wurde, so darf man Hoffnung
haben, daß es endlich überall unter den Schläfrigen wach und lebendig werden
wird. Ist aber erst das volle Bewußtsein davon vorhanden, was in unsern
Tagen auf dem Spiele steht, so wird auch der unbeugsame Wille nicht fehlen,
den Verwüstungen des modernen Nivellirungssystems um jeden Preis Einhalt
zu thun.





*) ES müßten vor allein, wie es auch vielfach schon geschehen ist, in allen deutschen
Gegenden die bedeutendsten alten Bauten, Wohnhäuser, Wirtschaftsgebäude usw. genau auf¬
genommen und Konkurrenzen für Pläne ausgeschrieben werden, die auf Grund solchen Materials
das für jede Landschaft Charakteristische für Neubauten in Anwendung brächten, unter Berück¬
sichtigung zugleich von angemessenen praktischen Einrichtungen, wie sie die Gegenwart erfunden
hat. Sodann wären in den verschiednen Landschaften den ländlichen Maurermeistern Preise
auszusetzen, die die Aufgabe, im Anschluß an jene Muster ein durchaus volkstümliches, den
hergebrachten Charakter bewahrendes Haus zu bnueu, am vollkommensten gelöst Hütten. Wie
dringend nötig es wäre, in erster Linie auf die völlig in Nüchternheit und Schematismus be¬
fangnen Baugewerkeuschulen Einfluß zu gewinnen, bedarf keines Wortes.
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[0476] Heimatschutz hohe Aufgabe, mit einem Wort der Idealismus des Schönen und Lieblicher auf der Erde in seinem untrennbaren Zusammenhang mit dem religiösen und sitt¬ lichen Idealismus ist hier sür alle Zeiten in einer Weise beglaubigt und be¬ siegelt, wie sie schlichter und schlagender nicht gedacht werden kann, und es ist betrübend, daß diese Wahrheit gerade auf konservativer Seite noch immer nicht in ihrer vollen Tragweite gewürdigt wird. Dem Pfarrer Hansjakob in Freiburg im Breisgau ist es gelungen, einen Verein zur Erhaltung der Volkstrachten ins Leben zu rufen, der offenbaren Erfolg aufzuweisen hat. Seine Schrift über diesen Gegenstand enthält eine Fülle goldner Worte. Von der Volkstracht aber zu den überkommnen Sitten und Gebräuchen des Volkes und zu volkstümlicher Bauart^), deren Wieder¬ belebung die unerläßlichste Forderung ist, wenn von der Eigenart deutschen Landes überhaupt noch die Rede sein soll, ist nur ein Schritt. Könnte nicht von dieser Stelle ausgehend die angeregte Bewegung sich ausdehnen, immer weitere Bogen schlagen, bis sie endlich, Nord und Süd umfassend, das gesamte Gebiet, von dem hier gesprochen wird, ergriffen und durchdrungen hätte? Sollte ein solcher Aufschwung thatsächlich vom Süden ausgehen, so wäre dies das größte Verdienst, das er sich um das gemeinsame Vaterland erwerben könnte. Hoffnung läßt nicht zu Schanden werden. Wenn in Sevilla dasselbe empfunden wird, was in diesen Zeilen auszudrücken versucht wurde, so darf man Hoffnung haben, daß es endlich überall unter den Schläfrigen wach und lebendig werden wird. Ist aber erst das volle Bewußtsein davon vorhanden, was in unsern Tagen auf dem Spiele steht, so wird auch der unbeugsame Wille nicht fehlen, den Verwüstungen des modernen Nivellirungssystems um jeden Preis Einhalt zu thun. *) ES müßten vor allein, wie es auch vielfach schon geschehen ist, in allen deutschen Gegenden die bedeutendsten alten Bauten, Wohnhäuser, Wirtschaftsgebäude usw. genau auf¬ genommen und Konkurrenzen für Pläne ausgeschrieben werden, die auf Grund solchen Materials das für jede Landschaft Charakteristische für Neubauten in Anwendung brächten, unter Berück¬ sichtigung zugleich von angemessenen praktischen Einrichtungen, wie sie die Gegenwart erfunden hat. Sodann wären in den verschiednen Landschaften den ländlichen Maurermeistern Preise auszusetzen, die die Aufgabe, im Anschluß an jene Muster ein durchaus volkstümliches, den hergebrachten Charakter bewahrendes Haus zu bnueu, am vollkommensten gelöst Hütten. Wie dringend nötig es wäre, in erster Linie auf die völlig in Nüchternheit und Schematismus be¬ fangnen Baugewerkeuschulen Einfluß zu gewinnen, bedarf keines Wortes.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224927/476>, abgerufen am 23.07.2024.