Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr.Die ostdeutsche Landwirtschaft Ganzen, er ordnet sich allen Verhältnissen unter, wenn diese nur die Aussicht Aus den angeführten Thatsachen müssen wir den Schluß ziehen, daß die -5- Schluß Die Schlußfolgerungen, die wir aus dem Einblick in die geschichtliche Die ostdeutsche Landwirtschaft Ganzen, er ordnet sich allen Verhältnissen unter, wenn diese nur die Aussicht Aus den angeführten Thatsachen müssen wir den Schluß ziehen, daß die -5- Schluß Die Schlußfolgerungen, die wir aus dem Einblick in die geschichtliche <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0428" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/225356"/> <fw type="header" place="top"> Die ostdeutsche Landwirtschaft</fw><lb/> <p xml:id="ID_1424" prev="#ID_1423"> Ganzen, er ordnet sich allen Verhältnissen unter, wenn diese nur die Aussicht<lb/> geben, daß er fortdauernd die Zinsen zahlen kann, während ein freier Eigentümer,<lb/> wenn es sein muß, zur Erhaltung des Vaterlandes selbst seine Hütte opfert. . . .<lb/> Der Bauernstand, der im Verhältnis weniger verschuldet ist als der Adel, in seinen<lb/> Sitten weniger befangen ist, spricht sich daher in der Regel bei feindlichen Inva¬<lb/> sionen immer kräftiger aus. Seit dieser Zeit und diesen Erfahrungen habe ich<lb/> daher auch nur immer zunehmendes Mißtrauen sowohl gegen die landschaftlichen<lb/> Kreditsysteme als die ungemessene Ausdehnung des Hypothekenwesens in meiner<lb/> Brust getragen. Das wohl verstandne Interesse des Staates verlangt ebenso in<lb/> moralischer als staatswirtschaftlicher Hinsicht, so viel als möglich nur unverschuldete<lb/> Grundeigentümer zu haben, und wenn er daher Kreditanstalten tolerirt oder Schuld¬<lb/> verhältnisse durch das Ansehen der Gerichte sanktioniren läßt, so kann er dies nur,<lb/> indem er zugleich eine jährliche Tilgung zur Pflicht macht, die eigentlich mit der<lb/> Größe der Schuld zunehmen sollte; wer verschuldet ist, muß sparen, nicht schwelgen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1425"> Aus den angeführten Thatsachen müssen wir den Schluß ziehen, daß die<lb/> gegenwärtig noch bestchendeHypothekenordnung in Preußen dringend einer Reform<lb/> bedarf. Es ist gewiß zu billigen, wenn alte grundbesitzende Familien dnrch<lb/> Erleichterungen in ihrem Besitz erhalten werden, da wo es sich um vorüber¬<lb/> gehende, auf bestimmte Ursachen zurückzuführende Störungen, so zu sagen um<lb/> akute Krankheiten handelt. Aber der heute eingetretene Rückgang der Preise<lb/> beruht auf einer dauernden Veränderung der Marktverhältnisse und läßt in<lb/> absehbarer Zeit keine Besserung erwarten, er bedeutet eine chronische Verände¬<lb/> rung des volkswirtschaftlichen Organismus. Unter diesen Umständen halten<lb/> wir alle auf die Überwindung akuter Leiden gerichteten Heilmittel, zu denen<lb/> auch die Erleichterung des Hypothekarkredits gehört, für überwiegend nachteilig.<lb/> Sie verzögern nur die wirkliche Heilung, nämlich die Anpassung des Land¬<lb/> wirtschaftsbetriebs an die veränderten Verhältnisse, die doch über kurz oder<lb/> lang eintreten muß. Die preußische Hypothekenordnung ist mit Recht die<lb/> goldne Klammer genannt worden, die die Rittergüter in ihrem Bestände gegen<lb/> das wahre Interesse sowohl ihres eignes Besitzers wie gegen das soziale und<lb/> nationale Interesse der Gesamtheit hauptsächlich zusammenhält. Fällt die<lb/> Hypothekenordnung, so fällt der mittlere Rittergutsbetrieb; der von ihm bisher<lb/> bebaute Boden wird entweder wirklicher Großbesitz, der „es nicht nötig hat,"<lb/> oder Bauernland.</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> -5- Schluß</head><lb/> <p xml:id="ID_1426" next="#ID_1427"> Die Schlußfolgerungen, die wir aus dem Einblick in die geschichtliche<lb/> Entwicklung ziehen, sind folgende. Die Einkünfte des mittlern Ritterguts<lb/> tragen unter den heutigen Verkehrsverhältnissen nicht mehr eine sozial und<lb/> politisch bevorrechtete Klasse, weil erstens die Ansprüche an die Lebens¬<lb/> haltung einer solchen Klasse gestiegen sind, die landwirtschaftlichen Einnahmen<lb/> sich aber vermindert haben. Die Bestrebungen der Rittergutsbesitzer, ihre<lb/> landwirtschaftlichen Einnahmen zu erhöhen, in Verbindung mit der neuen</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0428]
Die ostdeutsche Landwirtschaft
Ganzen, er ordnet sich allen Verhältnissen unter, wenn diese nur die Aussicht
geben, daß er fortdauernd die Zinsen zahlen kann, während ein freier Eigentümer,
wenn es sein muß, zur Erhaltung des Vaterlandes selbst seine Hütte opfert. . . .
Der Bauernstand, der im Verhältnis weniger verschuldet ist als der Adel, in seinen
Sitten weniger befangen ist, spricht sich daher in der Regel bei feindlichen Inva¬
sionen immer kräftiger aus. Seit dieser Zeit und diesen Erfahrungen habe ich
daher auch nur immer zunehmendes Mißtrauen sowohl gegen die landschaftlichen
Kreditsysteme als die ungemessene Ausdehnung des Hypothekenwesens in meiner
Brust getragen. Das wohl verstandne Interesse des Staates verlangt ebenso in
moralischer als staatswirtschaftlicher Hinsicht, so viel als möglich nur unverschuldete
Grundeigentümer zu haben, und wenn er daher Kreditanstalten tolerirt oder Schuld¬
verhältnisse durch das Ansehen der Gerichte sanktioniren läßt, so kann er dies nur,
indem er zugleich eine jährliche Tilgung zur Pflicht macht, die eigentlich mit der
Größe der Schuld zunehmen sollte; wer verschuldet ist, muß sparen, nicht schwelgen.
Aus den angeführten Thatsachen müssen wir den Schluß ziehen, daß die
gegenwärtig noch bestchendeHypothekenordnung in Preußen dringend einer Reform
bedarf. Es ist gewiß zu billigen, wenn alte grundbesitzende Familien dnrch
Erleichterungen in ihrem Besitz erhalten werden, da wo es sich um vorüber¬
gehende, auf bestimmte Ursachen zurückzuführende Störungen, so zu sagen um
akute Krankheiten handelt. Aber der heute eingetretene Rückgang der Preise
beruht auf einer dauernden Veränderung der Marktverhältnisse und läßt in
absehbarer Zeit keine Besserung erwarten, er bedeutet eine chronische Verände¬
rung des volkswirtschaftlichen Organismus. Unter diesen Umständen halten
wir alle auf die Überwindung akuter Leiden gerichteten Heilmittel, zu denen
auch die Erleichterung des Hypothekarkredits gehört, für überwiegend nachteilig.
Sie verzögern nur die wirkliche Heilung, nämlich die Anpassung des Land¬
wirtschaftsbetriebs an die veränderten Verhältnisse, die doch über kurz oder
lang eintreten muß. Die preußische Hypothekenordnung ist mit Recht die
goldne Klammer genannt worden, die die Rittergüter in ihrem Bestände gegen
das wahre Interesse sowohl ihres eignes Besitzers wie gegen das soziale und
nationale Interesse der Gesamtheit hauptsächlich zusammenhält. Fällt die
Hypothekenordnung, so fällt der mittlere Rittergutsbetrieb; der von ihm bisher
bebaute Boden wird entweder wirklicher Großbesitz, der „es nicht nötig hat,"
oder Bauernland.
-5- Schluß
Die Schlußfolgerungen, die wir aus dem Einblick in die geschichtliche
Entwicklung ziehen, sind folgende. Die Einkünfte des mittlern Ritterguts
tragen unter den heutigen Verkehrsverhältnissen nicht mehr eine sozial und
politisch bevorrechtete Klasse, weil erstens die Ansprüche an die Lebens¬
haltung einer solchen Klasse gestiegen sind, die landwirtschaftlichen Einnahmen
sich aber vermindert haben. Die Bestrebungen der Rittergutsbesitzer, ihre
landwirtschaftlichen Einnahmen zu erhöhen, in Verbindung mit der neuen
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