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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr.

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Heimatschutz

dringender als die gutgemeinte, aber herzlich geschmacklose Errichtung von Erz-
oder Steindenkmälern an Orten, wo sie nicht hingehören und nur die tiefere
poetische Weihe der Stätte stören, wie auf dem Kyffhäuser und an der Porta
Westfalica.

Über die tiefgreifenden Entstellungen, die die Landschaft im nördlichen
und mittlern Deutschland durch die Vorkoppelungen erlitten hat, ist schon ge¬
sprochen worden. Mit ihnen pflegen die Gemeinheitsteilungen Hand in Hand
zu gehen, die mit den Angern auch Hirten und Herden verschwinden machen,
schone, lebendige Bilder ländlicher Ursprünglichkeit vernichten und die ungesunde
Stallfütterung an die Stelle der natürlichen Verhältnisse der Viehzucht setzen.
Schon Hoffmann von Fallersleben klagt:

So trieben sich und treiben es noch heute und vertreiben mit jeder Poesie
und jedem Reiz des natürlichen Lebens zugleich die guten Geister, die für die
Erhaltung der Seßhaftigkeit und des naiven Wohlgefühls der Landbevölkerung")
sorgen halfen. Tief in dasselbe Gebiet gehören endlich auch die Forstablösungen
mit ihren in das soziale Leben der ländlichen Bevölkerung eingreifenden, ver¬
hängnisvollen Folgen, die darzulegen hier zu weit führen würde. Die Wirkung
aller dieser Dinge auf die Landschaft liegt auf der Hand: wie eine gemachte
Blume nie zu einer wirklichen wird, wie ein Pflanzwald eigentlich kein Wald
mehr ist, so ist alles, was die Natur oder der unmittelbare Trieb des Volkes
(der auch Natur ist) schöpferisch hervorbringt, auf keine Weise zu ersetzen durch
die Erzeugnisse rationeller Maßregelungen. Auch die Gestaltung der Feldmarken
mit ihren Wegen und Begrenzungen ist ein geschichtliches Naturprodukt, und
wie vernünftig jener Volksinstinkt verfährt, während vom grünen Tisch aus
die unglaublichsten Thorheiten mit Wasserläufen und Erdboden vorgenommen
werden, das muß mau erlebt haben, um es in seiner ganzen Tragweite zu
begreifen. Die Forstabfindungen, deren Wirkung sür die Erscheinung abgesehen



Über die Verödung des Landlebens und die daraus entspringenden Gefahren sagt
Heinrich Sohnrey vortreffliches in seiner Schrift "Die Bedeutung der Landbevölkerung im
Staate."
Heimatschutz

dringender als die gutgemeinte, aber herzlich geschmacklose Errichtung von Erz-
oder Steindenkmälern an Orten, wo sie nicht hingehören und nur die tiefere
poetische Weihe der Stätte stören, wie auf dem Kyffhäuser und an der Porta
Westfalica.

Über die tiefgreifenden Entstellungen, die die Landschaft im nördlichen
und mittlern Deutschland durch die Vorkoppelungen erlitten hat, ist schon ge¬
sprochen worden. Mit ihnen pflegen die Gemeinheitsteilungen Hand in Hand
zu gehen, die mit den Angern auch Hirten und Herden verschwinden machen,
schone, lebendige Bilder ländlicher Ursprünglichkeit vernichten und die ungesunde
Stallfütterung an die Stelle der natürlichen Verhältnisse der Viehzucht setzen.
Schon Hoffmann von Fallersleben klagt:

So trieben sich und treiben es noch heute und vertreiben mit jeder Poesie
und jedem Reiz des natürlichen Lebens zugleich die guten Geister, die für die
Erhaltung der Seßhaftigkeit und des naiven Wohlgefühls der Landbevölkerung")
sorgen halfen. Tief in dasselbe Gebiet gehören endlich auch die Forstablösungen
mit ihren in das soziale Leben der ländlichen Bevölkerung eingreifenden, ver¬
hängnisvollen Folgen, die darzulegen hier zu weit führen würde. Die Wirkung
aller dieser Dinge auf die Landschaft liegt auf der Hand: wie eine gemachte
Blume nie zu einer wirklichen wird, wie ein Pflanzwald eigentlich kein Wald
mehr ist, so ist alles, was die Natur oder der unmittelbare Trieb des Volkes
(der auch Natur ist) schöpferisch hervorbringt, auf keine Weise zu ersetzen durch
die Erzeugnisse rationeller Maßregelungen. Auch die Gestaltung der Feldmarken
mit ihren Wegen und Begrenzungen ist ein geschichtliches Naturprodukt, und
wie vernünftig jener Volksinstinkt verfährt, während vom grünen Tisch aus
die unglaublichsten Thorheiten mit Wasserläufen und Erdboden vorgenommen
werden, das muß mau erlebt haben, um es in seiner ganzen Tragweite zu
begreifen. Die Forstabfindungen, deren Wirkung sür die Erscheinung abgesehen



Über die Verödung des Landlebens und die daraus entspringenden Gefahren sagt
Heinrich Sohnrey vortreffliches in seiner Schrift „Die Bedeutung der Landbevölkerung im
Staate."
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[0415] Heimatschutz dringender als die gutgemeinte, aber herzlich geschmacklose Errichtung von Erz- oder Steindenkmälern an Orten, wo sie nicht hingehören und nur die tiefere poetische Weihe der Stätte stören, wie auf dem Kyffhäuser und an der Porta Westfalica. Über die tiefgreifenden Entstellungen, die die Landschaft im nördlichen und mittlern Deutschland durch die Vorkoppelungen erlitten hat, ist schon ge¬ sprochen worden. Mit ihnen pflegen die Gemeinheitsteilungen Hand in Hand zu gehen, die mit den Angern auch Hirten und Herden verschwinden machen, schone, lebendige Bilder ländlicher Ursprünglichkeit vernichten und die ungesunde Stallfütterung an die Stelle der natürlichen Verhältnisse der Viehzucht setzen. Schon Hoffmann von Fallersleben klagt: So trieben sich und treiben es noch heute und vertreiben mit jeder Poesie und jedem Reiz des natürlichen Lebens zugleich die guten Geister, die für die Erhaltung der Seßhaftigkeit und des naiven Wohlgefühls der Landbevölkerung") sorgen halfen. Tief in dasselbe Gebiet gehören endlich auch die Forstablösungen mit ihren in das soziale Leben der ländlichen Bevölkerung eingreifenden, ver¬ hängnisvollen Folgen, die darzulegen hier zu weit führen würde. Die Wirkung aller dieser Dinge auf die Landschaft liegt auf der Hand: wie eine gemachte Blume nie zu einer wirklichen wird, wie ein Pflanzwald eigentlich kein Wald mehr ist, so ist alles, was die Natur oder der unmittelbare Trieb des Volkes (der auch Natur ist) schöpferisch hervorbringt, auf keine Weise zu ersetzen durch die Erzeugnisse rationeller Maßregelungen. Auch die Gestaltung der Feldmarken mit ihren Wegen und Begrenzungen ist ein geschichtliches Naturprodukt, und wie vernünftig jener Volksinstinkt verfährt, während vom grünen Tisch aus die unglaublichsten Thorheiten mit Wasserläufen und Erdboden vorgenommen werden, das muß mau erlebt haben, um es in seiner ganzen Tragweite zu begreifen. Die Forstabfindungen, deren Wirkung sür die Erscheinung abgesehen Über die Verödung des Landlebens und die daraus entspringenden Gefahren sagt Heinrich Sohnrey vortreffliches in seiner Schrift „Die Bedeutung der Landbevölkerung im Staate."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224927/415>, abgerufen am 23.07.2024.