Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr.Midaskinder aus taufenden wieder erkannt. Und am Familientische leuchtete die Lampe auf die Viktor schwieg die nächsten Tage von seinen Wünschen. Aber die feine, stille Da thatest du wohl daran, mein Sohn, daß du sie suchtest, sie verdiente es, Dann vergeht ein Tag, so erinnert sich Viktor, wenn er später an diese Und so verwunderte sich Herr Bcllosf zum zweitenmale, wie er sich noch nie Midaskinder aus taufenden wieder erkannt. Und am Familientische leuchtete die Lampe auf die Viktor schwieg die nächsten Tage von seinen Wünschen. Aber die feine, stille Da thatest du wohl daran, mein Sohn, daß du sie suchtest, sie verdiente es, Dann vergeht ein Tag, so erinnert sich Viktor, wenn er später an diese Und so verwunderte sich Herr Bcllosf zum zweitenmale, wie er sich noch nie <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0348" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/225276"/> <fw type="header" place="top"> Midaskinder</fw><lb/> <p xml:id="ID_1163" prev="#ID_1162"> aus taufenden wieder erkannt. Und am Familientische leuchtete die Lampe auf die<lb/> neuen und ihm doch ganz vertrauten Gesichter, und ihnen war er wohl vertraut.<lb/> Er erzählt von den Eltern und Großeltern, von Endenburg, von der halben Kunde<lb/> von den fernen Verwandten, von dem, was die Seinen von dem Ahnherrn wissen,<lb/> und das ist für die Wiegandshäuser Leute eine köstliche Kunde, sie verstehen<lb/> nun, wo sie von seinem Tode in den Wellen hören, das Bild, das einst das<lb/> „Herrenhaus" schmückte und alle Zuhörer nehmen den frischen, ernsten, treu¬<lb/> herzigen Mann in ihr Herz auf, soweit das nach den Beobachtungen des ge¬<lb/> schulteste» Menschenkenners in Haßlach nicht schon früher geschehen war. Das Du<lb/> wird mit ihm getauscht, und drei Tage später liest es in Endenburg die Mutter<lb/> mit Thränen, und der Vater mit Lächeln, wie es der Sohn gesunden hat. Sie<lb/> macht in Gedanken sofort die schöne Mansardenwohnung in ihrem herrlichen Gärtner-<lb/> Hanse für die Kinder frei, und der Vater teilt mit ihr die Zimmer dieser kleinen,<lb/> allerliebsten Wohnung für das junge Paar ein, und hundert kleine Ankleben spielen<lb/> an seinen Augen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1164"> Viktor schwieg die nächsten Tage von seinen Wünschen. Aber die feine, stille<lb/> Mutter Dorotheens, in der alle Sanftmut als ein Trost und eine Zuflucht für deu<lb/> starken Mann, für die Kinder und alle Hausgenossen wohnte, und der Vater,<lb/> der auf die Menschen teilnehmend acht zu haben gewöhnt war, sahen bald, wie<lb/> es stand, und verbargen es ihm nicht, als sich die Gelegenheit ungewollt ergab.<lb/> Sie saßen abends alle vor der Thür, die aus dem Garten in das Haus führte,<lb/> so ausruhend, wie man auf dein Lande ausruht. Da begattn der Hausherr:<lb/> Dorothee hat uns erzählt, daß dn in Haßlach ein Buch schreiben wolltest; wie<lb/> weit bist du damit gekommen? Viktor sagte mit einem halb fröhlichen, halb ver¬<lb/> legner Lächeln: Soll ich deine Frage der Wahrheit gemäß beantworten?<lb/> Dorothee stand ans, sie hatte noch etwas im Hause zu thun, wie sie sagte. Als<lb/> sie gegangen war, erzählte Viktor, daß sein Herz darauf bestanden habe, Dorothee»<lb/> wiederzusehen, und daß er alle Schulen und Institute Hnßlachs eine Woche lang<lb/> belagert habe, da sie ihm gesagt hätte, daß sie Lehrerin sei.</p><lb/> <p xml:id="ID_1165"> Da thatest du wohl daran, mein Sohn, daß du sie suchtest, sie verdiente es,<lb/> sagte Dorotheeus Vater, die Mutter aber reichte ihm die Hand.</p><lb/> <p xml:id="ID_1166"> Dann vergeht ein Tag, so erinnert sich Viktor, wenn er später an diese<lb/> sonnigen Tage zurückdenkt, und auch Dorothee meint, ein Tag. Der Briefbote kommt<lb/> und geht. Und einen Tag später sagt die Sonne: Es ist so schön draußen! —<lb/> Es geht ein Weg durch einen Wald, wie vordem der nasse Winkel war, dunkle<lb/> Wasser überdecken den Waldboden, und Hagebuchen wachsen in hohen Lvdcnschöß-<lb/> lingen prächtig ans diesem dunkeln Grunde herauf, und mitten durch diesen, in<lb/> seinen Wipfeln lichten und sonnigen Wald führt ein Dammpfad, fest aufgeworfen,<lb/> sicher, aber nicht breit; zwei Leute können nebeneinander darauf gehe», am sichersten<lb/> allerdings, wenn sie sich umfangen, und ans diesem Grnnde offenbar gehen Viktor<lb/> und Dorothee diesen von Sonnenlichtern überspielter, von schwebenden Schatten<lb/> verdunkelten, von Gräsern überglitzerten Pfad tief, immer tiefer in den Wald hinein,<lb/> langsam, Hand in Hand, Arm in Arm, umschlingend und umschlungen, und diese<lb/> Weise zu gehen scheint beiden die sicherste. Und sie sieht ihn um, wie ihn noch<lb/> kein Auge angesehen hat, und er hat einen Blick und hat Worte und hat ein<lb/> Schweigen — Dorotheen überschüttet das alles das starke, junge Herz mit Frcuden-<lb/> schauern, vou denen sie nichts wußte, als sie den Weg zur Großmutter ging, und<lb/> ein junger Wandrer sie einholte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1167" next="#ID_1168"> Und so verwunderte sich Herr Bcllosf zum zweitenmale, wie er sich noch nie</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0348]
Midaskinder
aus taufenden wieder erkannt. Und am Familientische leuchtete die Lampe auf die
neuen und ihm doch ganz vertrauten Gesichter, und ihnen war er wohl vertraut.
Er erzählt von den Eltern und Großeltern, von Endenburg, von der halben Kunde
von den fernen Verwandten, von dem, was die Seinen von dem Ahnherrn wissen,
und das ist für die Wiegandshäuser Leute eine köstliche Kunde, sie verstehen
nun, wo sie von seinem Tode in den Wellen hören, das Bild, das einst das
„Herrenhaus" schmückte und alle Zuhörer nehmen den frischen, ernsten, treu¬
herzigen Mann in ihr Herz auf, soweit das nach den Beobachtungen des ge¬
schulteste» Menschenkenners in Haßlach nicht schon früher geschehen war. Das Du
wird mit ihm getauscht, und drei Tage später liest es in Endenburg die Mutter
mit Thränen, und der Vater mit Lächeln, wie es der Sohn gesunden hat. Sie
macht in Gedanken sofort die schöne Mansardenwohnung in ihrem herrlichen Gärtner-
Hanse für die Kinder frei, und der Vater teilt mit ihr die Zimmer dieser kleinen,
allerliebsten Wohnung für das junge Paar ein, und hundert kleine Ankleben spielen
an seinen Augen.
Viktor schwieg die nächsten Tage von seinen Wünschen. Aber die feine, stille
Mutter Dorotheens, in der alle Sanftmut als ein Trost und eine Zuflucht für deu
starken Mann, für die Kinder und alle Hausgenossen wohnte, und der Vater,
der auf die Menschen teilnehmend acht zu haben gewöhnt war, sahen bald, wie
es stand, und verbargen es ihm nicht, als sich die Gelegenheit ungewollt ergab.
Sie saßen abends alle vor der Thür, die aus dem Garten in das Haus führte,
so ausruhend, wie man auf dein Lande ausruht. Da begattn der Hausherr:
Dorothee hat uns erzählt, daß dn in Haßlach ein Buch schreiben wolltest; wie
weit bist du damit gekommen? Viktor sagte mit einem halb fröhlichen, halb ver¬
legner Lächeln: Soll ich deine Frage der Wahrheit gemäß beantworten?
Dorothee stand ans, sie hatte noch etwas im Hause zu thun, wie sie sagte. Als
sie gegangen war, erzählte Viktor, daß sein Herz darauf bestanden habe, Dorothee»
wiederzusehen, und daß er alle Schulen und Institute Hnßlachs eine Woche lang
belagert habe, da sie ihm gesagt hätte, daß sie Lehrerin sei.
Da thatest du wohl daran, mein Sohn, daß du sie suchtest, sie verdiente es,
sagte Dorotheeus Vater, die Mutter aber reichte ihm die Hand.
Dann vergeht ein Tag, so erinnert sich Viktor, wenn er später an diese
sonnigen Tage zurückdenkt, und auch Dorothee meint, ein Tag. Der Briefbote kommt
und geht. Und einen Tag später sagt die Sonne: Es ist so schön draußen! —
Es geht ein Weg durch einen Wald, wie vordem der nasse Winkel war, dunkle
Wasser überdecken den Waldboden, und Hagebuchen wachsen in hohen Lvdcnschöß-
lingen prächtig ans diesem dunkeln Grunde herauf, und mitten durch diesen, in
seinen Wipfeln lichten und sonnigen Wald führt ein Dammpfad, fest aufgeworfen,
sicher, aber nicht breit; zwei Leute können nebeneinander darauf gehe», am sichersten
allerdings, wenn sie sich umfangen, und ans diesem Grnnde offenbar gehen Viktor
und Dorothee diesen von Sonnenlichtern überspielter, von schwebenden Schatten
verdunkelten, von Gräsern überglitzerten Pfad tief, immer tiefer in den Wald hinein,
langsam, Hand in Hand, Arm in Arm, umschlingend und umschlungen, und diese
Weise zu gehen scheint beiden die sicherste. Und sie sieht ihn um, wie ihn noch
kein Auge angesehen hat, und er hat einen Blick und hat Worte und hat ein
Schweigen — Dorotheen überschüttet das alles das starke, junge Herz mit Frcuden-
schauern, vou denen sie nichts wußte, als sie den Weg zur Großmutter ging, und
ein junger Wandrer sie einholte.
Und so verwunderte sich Herr Bcllosf zum zweitenmale, wie er sich noch nie
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |