Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Memoiren von Paul Barras

Deutschen Verlagsanstalt erschienen*) und enthält eine Menge der wertvollsten
Mitteilungen. Ja man kann sagen, es ist lange kein Buch erschiene", das
uus so unmittelbar in die Zeit der französischen Revolution hineinführte. Man
stelle sich vor. was das heißt. Der Direktor Barras führt vier Jahre lang, vom
4. Brumaire (Oktober) 1795 an bis zum ersten Staatsstreich Bonapartes am
18. Brumaire (9. November 1799) ein kurzes, sachliches Privatprotokoll über
nlle Verhandlungen im Direktorium (Band 2 und 3). man steht tertius,
wie die eigentümliche Regierungsmaschine arbeitet, und wie die einzelnen Er¬
eignisse der innern und äußern Geschichte vor sich gehen. Das ist ohne Frage
der wertvollste Teil des Werkes. Dazu kommen die Aufzeichnungen und Be¬
urteilungen der Thatsachen und Persönlichkeiten, schon vor dem Direktorium
iBaud 1) und bis zu Barras Tode (Band 4). das eigentlich memoirenart.ge.
Dieser Teil enthält das "Gift." das George Duruy durch seine Zusätze un¬
schädlich machen mußte, indem er uns auf seinen bonapartistischen Standpunkt
zu treten einladet. Wir haben allerdings Veranlassung. uns den Gewährs¬
mann scharf anzusehen. Barras ist schon von der ältern Geschichtschreibung
sehr ungünstig beurteilt worden, mau hatte nichts für ihn übrig, fand kein
Talent i.l ihm und nichts, was el" besondres Interesse erweckte, wie die un¬
glaubliche Geschäftsgewaudtheit Rewbells oder die glückliche Organisationsgabe
und die Redlichkeit Camoes; er allein hatte sich nnr durch Glück und Geschick
während der ganzen Periode des Direktoriums behauptet, er war hart und
unbeugsam, wie es das Amt forderte, und mußte zuletzt einem noch energischeren
weichen, .im aus der öffentlichen Geschichte des folgenden Jahrhunderts zu
verschwinden. Dagegen folgte ihm der Vorwurf der Zweideutigkeit, weil er
"is Republikaner schon früh mit den Bourbonen verhandelt haben sollte, ein
Punkt, der freilich in dieser ganzen Umgebung nur insofern etwas zu bedeute.,
hat. als Barras selbst sich auf seine Gesinnung sehr viel zu gute that. Denn
andre als er wechselten bekanntlich noch öfter Farbe und Herrn. Bald er¬
schienen die Memoiren seiner Mitdirektoreu und Hamels Geschichte Robespierres.
Alle hatte., Ursache, sich auch mit Barras zu beschäftigen. Er kam nicht gut
dabei weg. Wird sein persönliches Andenken durch seine eignen Memoiren
gewinnen? Ja und nein. Man wird^ ihn nach diesen Mitteilungen für be¬
deutend klüger und auch für noch einflußreicher halten müssen, als er bisher
erschien. Aber angenehmer und lieber wird er keinem dadurch werden. Er
bleibt ein kalter, widerwärtiger Geselle, der uur vorsichtiger war als Marat
und Robespierre, nicht besser. Aber nur kommt die Kehrseite und der -Stand¬
punkt Dnruys. Damit, das Barras ein schlechter Charakter ist, sind seine
Angaben über andre, die nicht besser waren als er. nicht abgethan. Und am



*) Memoiren von Paul Barras, herausgegeben von George Duruy. Stuttgart,
und ILW,
Grenzboten it 1807 ^
Die Memoiren von Paul Barras

Deutschen Verlagsanstalt erschienen*) und enthält eine Menge der wertvollsten
Mitteilungen. Ja man kann sagen, es ist lange kein Buch erschiene», das
uus so unmittelbar in die Zeit der französischen Revolution hineinführte. Man
stelle sich vor. was das heißt. Der Direktor Barras führt vier Jahre lang, vom
4. Brumaire (Oktober) 1795 an bis zum ersten Staatsstreich Bonapartes am
18. Brumaire (9. November 1799) ein kurzes, sachliches Privatprotokoll über
nlle Verhandlungen im Direktorium (Band 2 und 3). man steht tertius,
wie die eigentümliche Regierungsmaschine arbeitet, und wie die einzelnen Er¬
eignisse der innern und äußern Geschichte vor sich gehen. Das ist ohne Frage
der wertvollste Teil des Werkes. Dazu kommen die Aufzeichnungen und Be¬
urteilungen der Thatsachen und Persönlichkeiten, schon vor dem Direktorium
iBaud 1) und bis zu Barras Tode (Band 4). das eigentlich memoirenart.ge.
Dieser Teil enthält das „Gift." das George Duruy durch seine Zusätze un¬
schädlich machen mußte, indem er uns auf seinen bonapartistischen Standpunkt
zu treten einladet. Wir haben allerdings Veranlassung. uns den Gewährs¬
mann scharf anzusehen. Barras ist schon von der ältern Geschichtschreibung
sehr ungünstig beurteilt worden, mau hatte nichts für ihn übrig, fand kein
Talent i.l ihm und nichts, was el» besondres Interesse erweckte, wie die un¬
glaubliche Geschäftsgewaudtheit Rewbells oder die glückliche Organisationsgabe
und die Redlichkeit Camoes; er allein hatte sich nnr durch Glück und Geschick
während der ganzen Periode des Direktoriums behauptet, er war hart und
unbeugsam, wie es das Amt forderte, und mußte zuletzt einem noch energischeren
weichen, .im aus der öffentlichen Geschichte des folgenden Jahrhunderts zu
verschwinden. Dagegen folgte ihm der Vorwurf der Zweideutigkeit, weil er
«is Republikaner schon früh mit den Bourbonen verhandelt haben sollte, ein
Punkt, der freilich in dieser ganzen Umgebung nur insofern etwas zu bedeute.,
hat. als Barras selbst sich auf seine Gesinnung sehr viel zu gute that. Denn
andre als er wechselten bekanntlich noch öfter Farbe und Herrn. Bald er¬
schienen die Memoiren seiner Mitdirektoreu und Hamels Geschichte Robespierres.
Alle hatte., Ursache, sich auch mit Barras zu beschäftigen. Er kam nicht gut
dabei weg. Wird sein persönliches Andenken durch seine eignen Memoiren
gewinnen? Ja und nein. Man wird^ ihn nach diesen Mitteilungen für be¬
deutend klüger und auch für noch einflußreicher halten müssen, als er bisher
erschien. Aber angenehmer und lieber wird er keinem dadurch werden. Er
bleibt ein kalter, widerwärtiger Geselle, der uur vorsichtiger war als Marat
und Robespierre, nicht besser. Aber nur kommt die Kehrseite und der -Stand¬
punkt Dnruys. Damit, das Barras ein schlechter Charakter ist, sind seine
Angaben über andre, die nicht besser waren als er. nicht abgethan. Und am



*) Memoiren von Paul Barras, herausgegeben von George Duruy. Stuttgart,
und ILW,
Grenzboten it 1807 ^
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0033" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/224961"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Memoiren von Paul Barras </fw><lb/>
          <p xml:id="ID_79" prev="#ID_78" next="#ID_80"> Deutschen Verlagsanstalt erschienen*) und enthält eine Menge der wertvollsten<lb/>
Mitteilungen.  Ja man kann sagen, es ist lange kein Buch erschiene», das<lb/>
uus so unmittelbar in die Zeit der französischen Revolution hineinführte. Man<lb/>
stelle sich vor. was das heißt. Der Direktor Barras führt vier Jahre lang, vom<lb/>
4. Brumaire (Oktober) 1795 an bis zum ersten Staatsstreich Bonapartes am<lb/>
18. Brumaire (9. November 1799) ein kurzes, sachliches Privatprotokoll über<lb/>
nlle Verhandlungen im Direktorium (Band 2 und 3). man steht tertius,<lb/>
wie die eigentümliche Regierungsmaschine arbeitet, und wie die einzelnen Er¬<lb/>
eignisse der innern und äußern Geschichte vor sich gehen. Das ist ohne Frage<lb/>
der wertvollste Teil des Werkes.  Dazu kommen die Aufzeichnungen und Be¬<lb/>
urteilungen der Thatsachen und Persönlichkeiten, schon vor dem Direktorium<lb/>
iBaud 1) und bis zu Barras Tode (Band 4). das eigentlich memoirenart.ge.<lb/>
Dieser Teil enthält das &#x201E;Gift." das George Duruy durch seine Zusätze un¬<lb/>
schädlich machen mußte, indem er uns auf seinen bonapartistischen Standpunkt<lb/>
zu treten einladet.  Wir haben allerdings Veranlassung. uns den Gewährs¬<lb/>
mann scharf anzusehen. Barras ist schon von der ältern Geschichtschreibung<lb/>
sehr ungünstig beurteilt worden, mau hatte nichts für ihn übrig, fand kein<lb/>
Talent i.l ihm und nichts, was el» besondres Interesse erweckte, wie die un¬<lb/>
glaubliche Geschäftsgewaudtheit Rewbells oder die glückliche Organisationsgabe<lb/>
und die Redlichkeit Camoes; er allein hatte sich nnr durch Glück und Geschick<lb/>
während der ganzen Periode des Direktoriums behauptet, er war hart und<lb/>
unbeugsam, wie es das Amt forderte, und mußte zuletzt einem noch energischeren<lb/>
weichen, .im aus der öffentlichen Geschichte des folgenden Jahrhunderts zu<lb/>
verschwinden.  Dagegen folgte ihm der Vorwurf der Zweideutigkeit, weil er<lb/>
«is Republikaner schon früh mit den Bourbonen verhandelt haben sollte, ein<lb/>
Punkt, der freilich in dieser ganzen Umgebung nur insofern etwas zu bedeute.,<lb/>
hat. als Barras selbst sich auf seine Gesinnung sehr viel zu gute that. Denn<lb/>
andre als er wechselten bekanntlich noch öfter Farbe und Herrn.  Bald er¬<lb/>
schienen die Memoiren seiner Mitdirektoreu und Hamels Geschichte Robespierres.<lb/>
Alle hatte., Ursache, sich auch mit Barras zu beschäftigen. Er kam nicht gut<lb/>
dabei weg.  Wird sein persönliches Andenken durch seine eignen Memoiren<lb/>
gewinnen?  Ja und nein.  Man wird^ ihn nach diesen Mitteilungen für be¬<lb/>
deutend klüger und auch für noch einflußreicher halten müssen, als er bisher<lb/>
erschien.  Aber angenehmer und lieber wird er keinem dadurch werden. Er<lb/>
bleibt ein kalter, widerwärtiger Geselle, der uur vorsichtiger war als Marat<lb/>
und Robespierre, nicht besser. Aber nur kommt die Kehrseite und der -Stand¬<lb/>
punkt Dnruys.  Damit, das Barras ein schlechter Charakter ist, sind seine<lb/>
Angaben über andre, die nicht besser waren als er. nicht abgethan. Und am</p><lb/>
          <note xml:id="FID_7" place="foot"> *) Memoiren von Paul Barras, herausgegeben von George Duruy. Stuttgart,<lb/>
und ILW,</note><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten it 1807 ^</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0033] Die Memoiren von Paul Barras Deutschen Verlagsanstalt erschienen*) und enthält eine Menge der wertvollsten Mitteilungen. Ja man kann sagen, es ist lange kein Buch erschiene», das uus so unmittelbar in die Zeit der französischen Revolution hineinführte. Man stelle sich vor. was das heißt. Der Direktor Barras führt vier Jahre lang, vom 4. Brumaire (Oktober) 1795 an bis zum ersten Staatsstreich Bonapartes am 18. Brumaire (9. November 1799) ein kurzes, sachliches Privatprotokoll über nlle Verhandlungen im Direktorium (Band 2 und 3). man steht tertius, wie die eigentümliche Regierungsmaschine arbeitet, und wie die einzelnen Er¬ eignisse der innern und äußern Geschichte vor sich gehen. Das ist ohne Frage der wertvollste Teil des Werkes. Dazu kommen die Aufzeichnungen und Be¬ urteilungen der Thatsachen und Persönlichkeiten, schon vor dem Direktorium iBaud 1) und bis zu Barras Tode (Band 4). das eigentlich memoirenart.ge. Dieser Teil enthält das „Gift." das George Duruy durch seine Zusätze un¬ schädlich machen mußte, indem er uns auf seinen bonapartistischen Standpunkt zu treten einladet. Wir haben allerdings Veranlassung. uns den Gewährs¬ mann scharf anzusehen. Barras ist schon von der ältern Geschichtschreibung sehr ungünstig beurteilt worden, mau hatte nichts für ihn übrig, fand kein Talent i.l ihm und nichts, was el» besondres Interesse erweckte, wie die un¬ glaubliche Geschäftsgewaudtheit Rewbells oder die glückliche Organisationsgabe und die Redlichkeit Camoes; er allein hatte sich nnr durch Glück und Geschick während der ganzen Periode des Direktoriums behauptet, er war hart und unbeugsam, wie es das Amt forderte, und mußte zuletzt einem noch energischeren weichen, .im aus der öffentlichen Geschichte des folgenden Jahrhunderts zu verschwinden. Dagegen folgte ihm der Vorwurf der Zweideutigkeit, weil er «is Republikaner schon früh mit den Bourbonen verhandelt haben sollte, ein Punkt, der freilich in dieser ganzen Umgebung nur insofern etwas zu bedeute., hat. als Barras selbst sich auf seine Gesinnung sehr viel zu gute that. Denn andre als er wechselten bekanntlich noch öfter Farbe und Herrn. Bald er¬ schienen die Memoiren seiner Mitdirektoreu und Hamels Geschichte Robespierres. Alle hatte., Ursache, sich auch mit Barras zu beschäftigen. Er kam nicht gut dabei weg. Wird sein persönliches Andenken durch seine eignen Memoiren gewinnen? Ja und nein. Man wird^ ihn nach diesen Mitteilungen für be¬ deutend klüger und auch für noch einflußreicher halten müssen, als er bisher erschien. Aber angenehmer und lieber wird er keinem dadurch werden. Er bleibt ein kalter, widerwärtiger Geselle, der uur vorsichtiger war als Marat und Robespierre, nicht besser. Aber nur kommt die Kehrseite und der -Stand¬ punkt Dnruys. Damit, das Barras ein schlechter Charakter ist, sind seine Angaben über andre, die nicht besser waren als er. nicht abgethan. Und am *) Memoiren von Paul Barras, herausgegeben von George Duruy. Stuttgart, und ILW, Grenzboten it 1807 ^

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224927
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224927/33
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224927/33>, abgerufen am 23.07.2024.