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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr.

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München und Aonstanz

mittelbar darauf bekam ich einen Brief von Jntlekofer. Dieser bat mich im
Auftrag der Gemeinde, nach Offenburg zurückzukehren, da man sich mit meinem
Nachfolger schlechterdings nicht vertragen könne. Ich sagte zu und bat in
Bonn um die Bestätigung der Offenburger Wahl. Diese wurde natürlich
gleichzeitig von Offenburg aus nachgesucht; mein an sich nicht nötiges Gesuch
kam nur gelegentlich in dem Briefe an einen der Bonner Herren vor, worin
ich diesem zum Neujahr gratulirte, meine Anfrage an den Liegnitzer Regierungs¬
rat mitteilte und diese mit einer Erörterung der Lage und meiner Ansicht
darüber begründete. P. schrieb mir, er sei ein grundsätzlicher Feind jedes
Konfessionswechsels, und es würde ihm sehr unangenehm sein, wenn ich mich
dazu entschließen sollte; übrigens könne er mir auf eine bessere evangelische
Pfarrei keine Aussicht machen. Dagegen würde es mir leicht sein, eine katho¬
lische Staatspfarre zu bekommen; eben habe man eine sehr gute in nächster
Nähe, Rotbrünuig, zu vergeben. Ich antwortete ihm, daß es mir nicht einfalle,
mich um eine Staatspfarre zu bewerben; denn der Altkatholizismus sei zwar
auch eine Dummheit in xraxi, aber wenigstens edel im Prinzip, der Staats¬
katholizismus dagegen sowohl unedel im Prinzip als auch eine Dummheit in
xrsxi; zudem hätte ich mich bereits für Offenburg entschieden.

Mein Nachfolger in Offenburg war außer sich, als ihm die Gemeinde
kündigte, und lief Knall und Fall davon; Jntlekofer schrieb mir daher, ich
möchte nur so bald als möglich, jedenfalls vor Ostern kommen und dafür
sorgen, daß die Bestätigung der Wahl, die sonderbarerweise noch nicht einge¬
gangen sei, beschleunigt würde. Ich bat also die Bonner Behörde, die Be¬
stätigung so bald wie möglich zu schicken. Darauf erhielt ich ein Schreiben,
worin es hieß, da ich in meinem Briefe an Herrn N. (den Herrn, dem ich
zum Neujahr gratulire hatte) das Recht eines unbeschränkt subjektiven Urteils
in religiösen Dingen für mich in Anspruch genommen hätte, so müsse mau
mir die Bestätigung der Wahl sowohl für Offenburg wie auch für jede andre
Gemeinde, von der ich etwa gewählt werden könnte, versagen. So ungefähr
hieß es. Das Schriftstück selbst habe ich nicht mehr; es ist mir samt der ganzen
Korrespondenz über die Angelegenheit abhanden gekommen. Nur soviel weiß
ich noch, daß mir, gerade so wie in dem Schreiben des Kanonikus Lämmer,
das ich in den "Wandlungen" S. 281 angeführt habe, der schrankenlose Sub¬
jektivismus darin vorgeworfen wird. Auch noch in einer andern Beziehung
nötigten die beiden Schreiben zu einer Vergleichung. Lämmer hatte von meinem
Privatbriefe an ihn keinen amtlichen Gebrauch gemacht, der Bonner Herr hatte
das gethan; er hatte meinen Brief der Synodalrepräsentanz vorgelegt. Als
ich mich darüber beschwerte, erhielt ich zur Antwort, es sei ja ein amtlicher
Gegenstand darin verhandelt worden. Ich erwiderte, der sei doch nur privatim
erwähnt worden, das amtliche Gesuch um Bestätigung der Wahl sei ja ordnungs¬
gemäß von der Offenburger Gemeinde eingereicht worden; mein Brief habe


München und Aonstanz

mittelbar darauf bekam ich einen Brief von Jntlekofer. Dieser bat mich im
Auftrag der Gemeinde, nach Offenburg zurückzukehren, da man sich mit meinem
Nachfolger schlechterdings nicht vertragen könne. Ich sagte zu und bat in
Bonn um die Bestätigung der Offenburger Wahl. Diese wurde natürlich
gleichzeitig von Offenburg aus nachgesucht; mein an sich nicht nötiges Gesuch
kam nur gelegentlich in dem Briefe an einen der Bonner Herren vor, worin
ich diesem zum Neujahr gratulirte, meine Anfrage an den Liegnitzer Regierungs¬
rat mitteilte und diese mit einer Erörterung der Lage und meiner Ansicht
darüber begründete. P. schrieb mir, er sei ein grundsätzlicher Feind jedes
Konfessionswechsels, und es würde ihm sehr unangenehm sein, wenn ich mich
dazu entschließen sollte; übrigens könne er mir auf eine bessere evangelische
Pfarrei keine Aussicht machen. Dagegen würde es mir leicht sein, eine katho¬
lische Staatspfarre zu bekommen; eben habe man eine sehr gute in nächster
Nähe, Rotbrünuig, zu vergeben. Ich antwortete ihm, daß es mir nicht einfalle,
mich um eine Staatspfarre zu bewerben; denn der Altkatholizismus sei zwar
auch eine Dummheit in xraxi, aber wenigstens edel im Prinzip, der Staats¬
katholizismus dagegen sowohl unedel im Prinzip als auch eine Dummheit in
xrsxi; zudem hätte ich mich bereits für Offenburg entschieden.

Mein Nachfolger in Offenburg war außer sich, als ihm die Gemeinde
kündigte, und lief Knall und Fall davon; Jntlekofer schrieb mir daher, ich
möchte nur so bald als möglich, jedenfalls vor Ostern kommen und dafür
sorgen, daß die Bestätigung der Wahl, die sonderbarerweise noch nicht einge¬
gangen sei, beschleunigt würde. Ich bat also die Bonner Behörde, die Be¬
stätigung so bald wie möglich zu schicken. Darauf erhielt ich ein Schreiben,
worin es hieß, da ich in meinem Briefe an Herrn N. (den Herrn, dem ich
zum Neujahr gratulire hatte) das Recht eines unbeschränkt subjektiven Urteils
in religiösen Dingen für mich in Anspruch genommen hätte, so müsse mau
mir die Bestätigung der Wahl sowohl für Offenburg wie auch für jede andre
Gemeinde, von der ich etwa gewählt werden könnte, versagen. So ungefähr
hieß es. Das Schriftstück selbst habe ich nicht mehr; es ist mir samt der ganzen
Korrespondenz über die Angelegenheit abhanden gekommen. Nur soviel weiß
ich noch, daß mir, gerade so wie in dem Schreiben des Kanonikus Lämmer,
das ich in den „Wandlungen" S. 281 angeführt habe, der schrankenlose Sub¬
jektivismus darin vorgeworfen wird. Auch noch in einer andern Beziehung
nötigten die beiden Schreiben zu einer Vergleichung. Lämmer hatte von meinem
Privatbriefe an ihn keinen amtlichen Gebrauch gemacht, der Bonner Herr hatte
das gethan; er hatte meinen Brief der Synodalrepräsentanz vorgelegt. Als
ich mich darüber beschwerte, erhielt ich zur Antwort, es sei ja ein amtlicher
Gegenstand darin verhandelt worden. Ich erwiderte, der sei doch nur privatim
erwähnt worden, das amtliche Gesuch um Bestätigung der Wahl sei ja ordnungs¬
gemäß von der Offenburger Gemeinde eingereicht worden; mein Brief habe


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[0327] München und Aonstanz mittelbar darauf bekam ich einen Brief von Jntlekofer. Dieser bat mich im Auftrag der Gemeinde, nach Offenburg zurückzukehren, da man sich mit meinem Nachfolger schlechterdings nicht vertragen könne. Ich sagte zu und bat in Bonn um die Bestätigung der Offenburger Wahl. Diese wurde natürlich gleichzeitig von Offenburg aus nachgesucht; mein an sich nicht nötiges Gesuch kam nur gelegentlich in dem Briefe an einen der Bonner Herren vor, worin ich diesem zum Neujahr gratulirte, meine Anfrage an den Liegnitzer Regierungs¬ rat mitteilte und diese mit einer Erörterung der Lage und meiner Ansicht darüber begründete. P. schrieb mir, er sei ein grundsätzlicher Feind jedes Konfessionswechsels, und es würde ihm sehr unangenehm sein, wenn ich mich dazu entschließen sollte; übrigens könne er mir auf eine bessere evangelische Pfarrei keine Aussicht machen. Dagegen würde es mir leicht sein, eine katho¬ lische Staatspfarre zu bekommen; eben habe man eine sehr gute in nächster Nähe, Rotbrünuig, zu vergeben. Ich antwortete ihm, daß es mir nicht einfalle, mich um eine Staatspfarre zu bewerben; denn der Altkatholizismus sei zwar auch eine Dummheit in xraxi, aber wenigstens edel im Prinzip, der Staats¬ katholizismus dagegen sowohl unedel im Prinzip als auch eine Dummheit in xrsxi; zudem hätte ich mich bereits für Offenburg entschieden. Mein Nachfolger in Offenburg war außer sich, als ihm die Gemeinde kündigte, und lief Knall und Fall davon; Jntlekofer schrieb mir daher, ich möchte nur so bald als möglich, jedenfalls vor Ostern kommen und dafür sorgen, daß die Bestätigung der Wahl, die sonderbarerweise noch nicht einge¬ gangen sei, beschleunigt würde. Ich bat also die Bonner Behörde, die Be¬ stätigung so bald wie möglich zu schicken. Darauf erhielt ich ein Schreiben, worin es hieß, da ich in meinem Briefe an Herrn N. (den Herrn, dem ich zum Neujahr gratulire hatte) das Recht eines unbeschränkt subjektiven Urteils in religiösen Dingen für mich in Anspruch genommen hätte, so müsse mau mir die Bestätigung der Wahl sowohl für Offenburg wie auch für jede andre Gemeinde, von der ich etwa gewählt werden könnte, versagen. So ungefähr hieß es. Das Schriftstück selbst habe ich nicht mehr; es ist mir samt der ganzen Korrespondenz über die Angelegenheit abhanden gekommen. Nur soviel weiß ich noch, daß mir, gerade so wie in dem Schreiben des Kanonikus Lämmer, das ich in den „Wandlungen" S. 281 angeführt habe, der schrankenlose Sub¬ jektivismus darin vorgeworfen wird. Auch noch in einer andern Beziehung nötigten die beiden Schreiben zu einer Vergleichung. Lämmer hatte von meinem Privatbriefe an ihn keinen amtlichen Gebrauch gemacht, der Bonner Herr hatte das gethan; er hatte meinen Brief der Synodalrepräsentanz vorgelegt. Als ich mich darüber beschwerte, erhielt ich zur Antwort, es sei ja ein amtlicher Gegenstand darin verhandelt worden. Ich erwiderte, der sei doch nur privatim erwähnt worden, das amtliche Gesuch um Bestätigung der Wahl sei ja ordnungs¬ gemäß von der Offenburger Gemeinde eingereicht worden; mein Brief habe

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224927/327>, abgerufen am 23.07.2024.