Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr.Das Dreiklassenwahlsystem Unterscheidung zusammengezählt worden sind und in ganz gleichem Verhältnisse Bei Zusicherung des allgemeinen Stimmrechts konnte es nicht die Absicht sein, Unser Vorschlag verwirklicht nicht die in der Anmerkung zum Z 67 der Ver¬ Auf dieselbe Weise ist die Wcihlverordnung in der Denkschrift des Staats- ") Diese Anmerkung lautete: Bei der Revision der Bcrfassungsurkunde bleibt es zu er¬
wägen, ob nicht ein andrer Wahlmodus namentlich der der Einteilung nach bestimmten Klassen für Stadt und Land, wobei alle Urwähler mitwählen, vorzuziehen sein würde. Das Dreiklassenwahlsystem Unterscheidung zusammengezählt worden sind und in ganz gleichem Verhältnisse Bei Zusicherung des allgemeinen Stimmrechts konnte es nicht die Absicht sein, Unser Vorschlag verwirklicht nicht die in der Anmerkung zum Z 67 der Ver¬ Auf dieselbe Weise ist die Wcihlverordnung in der Denkschrift des Staats- ") Diese Anmerkung lautete: Bei der Revision der Bcrfassungsurkunde bleibt es zu er¬
wägen, ob nicht ein andrer Wahlmodus namentlich der der Einteilung nach bestimmten Klassen für Stadt und Land, wobei alle Urwähler mitwählen, vorzuziehen sein würde. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0318" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/225246"/> <fw type="header" place="top"> Das Dreiklassenwahlsystem</fw><lb/> <p xml:id="ID_1059" prev="#ID_1058"> Unterscheidung zusammengezählt worden sind und in ganz gleichem Verhältnisse<lb/> zum Resultate der Wahlen beigetragen haben. Diese scheinbare Gleichheit ist in<lb/> der That eine Ungleichheit und Ungerechtigkeit; sie bietet keine Bürgschaft dafür,<lb/> daß die verschiednen Interessen des Wahlbezirks in der Körperschaft der Wahl¬<lb/> männer verhältnismäßig vertreten werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1060"> Bei Zusicherung des allgemeinen Stimmrechts konnte es nicht die Absicht sein,<lb/> die Entscheidung der großen politischen und sozialen Fragen in die Hand aller zu<lb/> gleichen Rechten zu legen, auf diese Art das numerische Übergewicht als das Be¬<lb/> stimmende hinzustellen und dem unrichtig aufgefaßten Prinzip der Gleichberechtigung<lb/> zu Gefallen eine gerechte und einsichtige Gesetzgebung unmöglich zu machen. Die<lb/> Verfassungsurkunde verhindert nicht, daß bei Ausübung des Wahlrechts diejenigen<lb/> zusammentreten, welche gleiche Lebensweise und gleiche Bedürfnisse zu gleicher An¬<lb/> schauung und gleichen Wünschen verbinden. Sie sichert jedem selbständigen Preußen<lb/> eine Teilnahme an den politischen Rechten, ohne den Grundsatz umzustoßen, daß<lb/> dieselbe nur nach den gegenüber stehenden Pflichten bemessen werden könne, sie steht<lb/> mit der lauten Forderung der verhältnismäßigen Vertretung der einzelnen Elemente<lb/> nicht in Widerspruch und will den Fleiß, den Besitz und die Intelligenz nicht dem<lb/> Übergewichte der Kopfzahl zum Opfer bringen. . . .</p><lb/> <p xml:id="ID_1061"> Unser Vorschlag verwirklicht nicht die in der Anmerkung zum Z 67 der Ver¬<lb/> fassungsurkunde der Revisiion vorbehaltn« Klassenvertretung.*) Das gleiche Interesse<lb/> der einzelnen Bevölkerungsschichten tritt äußerlich nicht so erkennbar hervor, als<lb/> es innerlich tief begründet ist, und die Bemessung des Verhältnisses der Berech¬<lb/> tigungen zu einander ist eine so schwierige, daß wir es nicht unternehmen mochten,<lb/> Ew. Majestät zu raten, darüber ini Wege der Verordnung Festsetzung zu treffen.<lb/> Wir haben uns demnach an das einfachste äußerliche Kennzeichen jener Verhältnisse,<lb/> die Beteiligung bei der Steuerzahlung gehalten. Indem nur drei Abteilungen der<lb/> Wähler gebildet sind, haben wir der Assoziation der Interessen einen weiten Spiel¬<lb/> raum gelassen und auf die eigentümlichen Verhältnisse jedes Orts und jeder Gegend<lb/> dadurch gebührende Rücksicht genommen, daß die Abteilungen in jeder Gemeinde<lb/> oder jedem aus mehreren Gemeinden zusammengesetzten Wahlbezirke, je nach dem<lb/> Steuerquantum, welches sie aufbringen, und nicht nach demselben bestimmten Steuer¬<lb/> satze für den ganzen Staat gebildet werden sollen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1062" next="#ID_1063"> Auf dieselbe Weise ist die Wcihlverordnung in der Denkschrift des Staats-<lb/> ministeriums vom 12. August 1849 begründet, womit sie den Kammern zur<lb/> verfassungsmäßigen Beschlußnahme vorgelegt wurde. Diese Denkschrift führt<lb/> aus, daß sich die Staatsregierung schon beim Scheitern des ersten Verein¬<lb/> barungsversuches wegen Revision der vom Könige gegebnen Verfassung nicht<lb/> die Gefahren verhehlt habe, die mit Beibehaltung des ungeregelten lediglich<lb/> auf die Kopfzahl begründeten Repräsentativsystems verknüpft sein würden; aber<lb/> erst nachdem die Verfassung von dem Volke und seinen berufnen Vertretern<lb/> als rechtsgiltig anerkannt worden sei, habe sie den Zeitpunkt zur besondern<lb/> Prüfung der betreffenden Artikel der Verfassungsurkunde und zur Reform des</p><lb/> <note xml:id="FID_45" place="foot"> ") Diese Anmerkung lautete: Bei der Revision der Bcrfassungsurkunde bleibt es zu er¬<lb/> wägen, ob nicht ein andrer Wahlmodus namentlich der der Einteilung nach bestimmten Klassen<lb/> für Stadt und Land, wobei alle Urwähler mitwählen, vorzuziehen sein würde.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0318]
Das Dreiklassenwahlsystem
Unterscheidung zusammengezählt worden sind und in ganz gleichem Verhältnisse
zum Resultate der Wahlen beigetragen haben. Diese scheinbare Gleichheit ist in
der That eine Ungleichheit und Ungerechtigkeit; sie bietet keine Bürgschaft dafür,
daß die verschiednen Interessen des Wahlbezirks in der Körperschaft der Wahl¬
männer verhältnismäßig vertreten werden.
Bei Zusicherung des allgemeinen Stimmrechts konnte es nicht die Absicht sein,
die Entscheidung der großen politischen und sozialen Fragen in die Hand aller zu
gleichen Rechten zu legen, auf diese Art das numerische Übergewicht als das Be¬
stimmende hinzustellen und dem unrichtig aufgefaßten Prinzip der Gleichberechtigung
zu Gefallen eine gerechte und einsichtige Gesetzgebung unmöglich zu machen. Die
Verfassungsurkunde verhindert nicht, daß bei Ausübung des Wahlrechts diejenigen
zusammentreten, welche gleiche Lebensweise und gleiche Bedürfnisse zu gleicher An¬
schauung und gleichen Wünschen verbinden. Sie sichert jedem selbständigen Preußen
eine Teilnahme an den politischen Rechten, ohne den Grundsatz umzustoßen, daß
dieselbe nur nach den gegenüber stehenden Pflichten bemessen werden könne, sie steht
mit der lauten Forderung der verhältnismäßigen Vertretung der einzelnen Elemente
nicht in Widerspruch und will den Fleiß, den Besitz und die Intelligenz nicht dem
Übergewichte der Kopfzahl zum Opfer bringen. . . .
Unser Vorschlag verwirklicht nicht die in der Anmerkung zum Z 67 der Ver¬
fassungsurkunde der Revisiion vorbehaltn« Klassenvertretung.*) Das gleiche Interesse
der einzelnen Bevölkerungsschichten tritt äußerlich nicht so erkennbar hervor, als
es innerlich tief begründet ist, und die Bemessung des Verhältnisses der Berech¬
tigungen zu einander ist eine so schwierige, daß wir es nicht unternehmen mochten,
Ew. Majestät zu raten, darüber ini Wege der Verordnung Festsetzung zu treffen.
Wir haben uns demnach an das einfachste äußerliche Kennzeichen jener Verhältnisse,
die Beteiligung bei der Steuerzahlung gehalten. Indem nur drei Abteilungen der
Wähler gebildet sind, haben wir der Assoziation der Interessen einen weiten Spiel¬
raum gelassen und auf die eigentümlichen Verhältnisse jedes Orts und jeder Gegend
dadurch gebührende Rücksicht genommen, daß die Abteilungen in jeder Gemeinde
oder jedem aus mehreren Gemeinden zusammengesetzten Wahlbezirke, je nach dem
Steuerquantum, welches sie aufbringen, und nicht nach demselben bestimmten Steuer¬
satze für den ganzen Staat gebildet werden sollen.
Auf dieselbe Weise ist die Wcihlverordnung in der Denkschrift des Staats-
ministeriums vom 12. August 1849 begründet, womit sie den Kammern zur
verfassungsmäßigen Beschlußnahme vorgelegt wurde. Diese Denkschrift führt
aus, daß sich die Staatsregierung schon beim Scheitern des ersten Verein¬
barungsversuches wegen Revision der vom Könige gegebnen Verfassung nicht
die Gefahren verhehlt habe, die mit Beibehaltung des ungeregelten lediglich
auf die Kopfzahl begründeten Repräsentativsystems verknüpft sein würden; aber
erst nachdem die Verfassung von dem Volke und seinen berufnen Vertretern
als rechtsgiltig anerkannt worden sei, habe sie den Zeitpunkt zur besondern
Prüfung der betreffenden Artikel der Verfassungsurkunde und zur Reform des
") Diese Anmerkung lautete: Bei der Revision der Bcrfassungsurkunde bleibt es zu er¬
wägen, ob nicht ein andrer Wahlmodus namentlich der der Einteilung nach bestimmten Klassen
für Stadt und Land, wobei alle Urwähler mitwählen, vorzuziehen sein würde.
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