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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr.

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Aus den Denkwürdigkeiten zweier Kunstforscher
Adolf Philipp! von

wei hervorragende Männer, die zu den Begründern einer noch
jungen Wissenschaft gehören, machen uns aus dem reichen
Inhalt ihres Lebens wertvolle Mitteilungen. Zufällig sind sie
genau gleichaltrig, denn beide wurden 1825 geboren. Wahrend
der eine, Sir Joseph Crowe, der Mitverfasser einer längst
berühmt gewordnen Geschichte der italienischen Malerei, vor kurzem gestorben
ist, lebt der andre, Jakob von Falle, der ehemalige Direktor des öster¬
reichischen Museums für Kunst und Industrie und wohl der genaueste Kenner
des Kunstgewerbes unter den Deutschen, seit einigen Jahren zurückgezogen von
seinen Geschäften. Crowes Memoiren gehen nur bis zum Jahre 1860, wo
der Ruhm ihres Verfassers als Kunsthistoriker eben erst gegründet war; sie
beschäftigen sich mit sehr vielen interessanten Dingen eines zunächst ganz anders
gerichteten Lebensganges: Crowe war Journalist, Kriegskorrespondent, diplo¬
matischer Agent, Konsul und zuletzt Handelsattache. In dieser umfangreichen,
ruhelosen und aufreibenden Thätigkeit fand er noch die Zeit, zusammen mit
dem italienischen Maler Cavalcaselle, den er zufällig auf einer Reift nach
Berlin kennen gelernt hatte, eine Geschichte der altniederlündischen Maler unter
großen Schwierigkeiten und äußern Hindernissen zu stände zu bringen. Darauf
erst folgten dann die verschiednen Abteilungen des Werkes über die italienische
Malerei, die nach 1860 erschienen. So kommt es, daß von der Kunst in
diesen Memoiren seiner frühern Zeit nur nebenbei gehandelt wird. Der Ver¬
fasser hatte sie zunächst abgeschlossen und nicht weiter herausgegeben, weil er
über vieles, was er seit 1860 erlebte und that, noch nicht frei sprechen zu
dürfen meinte. Er behielt das der Zukunft vor und ist nun gestorben, ehe
er selbst weiteres veröffentlichen konnte, was hoffentlich noch in seinem Nach¬
lasse vorhanden ist, sodaß wir auch noch einmal die spätern Memoiren dieses
Kenners seiner Zeit erhalten werden. Einstweilen haben wir hier eine deutsche
Übersetzung der frühern/") Jakob von Falles Leben liegt bereits in seinem



") Sir Joseph Crowe, Lebenserinnerungen eines Journalisten, Staatsmannes
und Kunstforschers. 1825 Ms 18V0. Deutsch von Arndt von Holtzendorff. Berlin, Mittler.


Aus den Denkwürdigkeiten zweier Kunstforscher
Adolf Philipp! von

wei hervorragende Männer, die zu den Begründern einer noch
jungen Wissenschaft gehören, machen uns aus dem reichen
Inhalt ihres Lebens wertvolle Mitteilungen. Zufällig sind sie
genau gleichaltrig, denn beide wurden 1825 geboren. Wahrend
der eine, Sir Joseph Crowe, der Mitverfasser einer längst
berühmt gewordnen Geschichte der italienischen Malerei, vor kurzem gestorben
ist, lebt der andre, Jakob von Falle, der ehemalige Direktor des öster¬
reichischen Museums für Kunst und Industrie und wohl der genaueste Kenner
des Kunstgewerbes unter den Deutschen, seit einigen Jahren zurückgezogen von
seinen Geschäften. Crowes Memoiren gehen nur bis zum Jahre 1860, wo
der Ruhm ihres Verfassers als Kunsthistoriker eben erst gegründet war; sie
beschäftigen sich mit sehr vielen interessanten Dingen eines zunächst ganz anders
gerichteten Lebensganges: Crowe war Journalist, Kriegskorrespondent, diplo¬
matischer Agent, Konsul und zuletzt Handelsattache. In dieser umfangreichen,
ruhelosen und aufreibenden Thätigkeit fand er noch die Zeit, zusammen mit
dem italienischen Maler Cavalcaselle, den er zufällig auf einer Reift nach
Berlin kennen gelernt hatte, eine Geschichte der altniederlündischen Maler unter
großen Schwierigkeiten und äußern Hindernissen zu stände zu bringen. Darauf
erst folgten dann die verschiednen Abteilungen des Werkes über die italienische
Malerei, die nach 1860 erschienen. So kommt es, daß von der Kunst in
diesen Memoiren seiner frühern Zeit nur nebenbei gehandelt wird. Der Ver¬
fasser hatte sie zunächst abgeschlossen und nicht weiter herausgegeben, weil er
über vieles, was er seit 1860 erlebte und that, noch nicht frei sprechen zu
dürfen meinte. Er behielt das der Zukunft vor und ist nun gestorben, ehe
er selbst weiteres veröffentlichen konnte, was hoffentlich noch in seinem Nach¬
lasse vorhanden ist, sodaß wir auch noch einmal die spätern Memoiren dieses
Kenners seiner Zeit erhalten werden. Einstweilen haben wir hier eine deutsche
Übersetzung der frühern/") Jakob von Falles Leben liegt bereits in seinem



") Sir Joseph Crowe, Lebenserinnerungen eines Journalisten, Staatsmannes
und Kunstforschers. 1825 Ms 18V0. Deutsch von Arndt von Holtzendorff. Berlin, Mittler.
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[0291] [Abbildung] Aus den Denkwürdigkeiten zweier Kunstforscher Adolf Philipp! von wei hervorragende Männer, die zu den Begründern einer noch jungen Wissenschaft gehören, machen uns aus dem reichen Inhalt ihres Lebens wertvolle Mitteilungen. Zufällig sind sie genau gleichaltrig, denn beide wurden 1825 geboren. Wahrend der eine, Sir Joseph Crowe, der Mitverfasser einer längst berühmt gewordnen Geschichte der italienischen Malerei, vor kurzem gestorben ist, lebt der andre, Jakob von Falle, der ehemalige Direktor des öster¬ reichischen Museums für Kunst und Industrie und wohl der genaueste Kenner des Kunstgewerbes unter den Deutschen, seit einigen Jahren zurückgezogen von seinen Geschäften. Crowes Memoiren gehen nur bis zum Jahre 1860, wo der Ruhm ihres Verfassers als Kunsthistoriker eben erst gegründet war; sie beschäftigen sich mit sehr vielen interessanten Dingen eines zunächst ganz anders gerichteten Lebensganges: Crowe war Journalist, Kriegskorrespondent, diplo¬ matischer Agent, Konsul und zuletzt Handelsattache. In dieser umfangreichen, ruhelosen und aufreibenden Thätigkeit fand er noch die Zeit, zusammen mit dem italienischen Maler Cavalcaselle, den er zufällig auf einer Reift nach Berlin kennen gelernt hatte, eine Geschichte der altniederlündischen Maler unter großen Schwierigkeiten und äußern Hindernissen zu stände zu bringen. Darauf erst folgten dann die verschiednen Abteilungen des Werkes über die italienische Malerei, die nach 1860 erschienen. So kommt es, daß von der Kunst in diesen Memoiren seiner frühern Zeit nur nebenbei gehandelt wird. Der Ver¬ fasser hatte sie zunächst abgeschlossen und nicht weiter herausgegeben, weil er über vieles, was er seit 1860 erlebte und that, noch nicht frei sprechen zu dürfen meinte. Er behielt das der Zukunft vor und ist nun gestorben, ehe er selbst weiteres veröffentlichen konnte, was hoffentlich noch in seinem Nach¬ lasse vorhanden ist, sodaß wir auch noch einmal die spätern Memoiren dieses Kenners seiner Zeit erhalten werden. Einstweilen haben wir hier eine deutsche Übersetzung der frühern/") Jakob von Falles Leben liegt bereits in seinem ") Sir Joseph Crowe, Lebenserinnerungen eines Journalisten, Staatsmannes und Kunstforschers. 1825 Ms 18V0. Deutsch von Arndt von Holtzendorff. Berlin, Mittler.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224927/291>, abgerufen am 23.07.2024.