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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr.

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Die Teilung der Provinz Posen

kommen. In den beiden letzten sind aber die Polen schon stark vertreten. So
hat Schlesien unter 4224458 Bewohnern 1016241 Polen, Westpreußen unter
1433681 Bewohnern 448235 Polen. Nur die polnische Bevölkerung der
Provinz Brandenburg kommt nicht in Betracht, aber die deutsche Bevölkerung
der Provinz Posen bewohnt vorwiegend die Gebiete, die infolge ihrer Lage zu
Brandenburg geschlagen werden müßten. Es würde also ein reichliches Drittel
der 1057 413 polnischen Bewohner Posens mit einem knappen Drittel der
694229 deutschen Bewohner je an Schlesien und Westpreußen fallen. Wenn
auch dadurch in Schlesien die Stärkung des Polentums nicht übermäßig groß
werden würde, so wäre doch dieser Zuwachs immerhin unerwünscht, weil die
dortige polnische Bevölkerung ganz überwiegend, nämlich 950452 von 1016141,
in einem einzigen Gebiete, dem Regierungsbezirk Oppeln, wohnt, dessen Ge¬
samtbevölkerung nur 1577 731 Personen zählt, sodaß diese Gegend ein durch¬
aus polnisches Gebiet bildet. Der schon jetzt stark polnische Teil Schlesiens
würde den Zuwachs als nächsten Nachbarn erhalten, mit dem ihn dann sämt¬
liche Interessen, auch die kommunalen und wirtschaftlichen, aufs engste ver¬
binden würden. Überall harmonirt der in Schlesien zahlreich vertretene Ultra¬
montanismus mit dem Polentum. Noch weit ungünstiger würden sich die
Verhältnisse in Westpreußen gestalten. Dort sind heute die Polen in der
Minderheit, da sie noch nicht den dritten Teil der gesamten Bevölkerung aus¬
machen. Sie bewohnen zwar überwiegend den Regierungsbezirk Marienwerder
mit 333206 Personen, doch beläuft sich dessen Gesamtbevölkerung auf 844505
Bewohner, sodaß auch hier die deutsche Bevölkerung bedeutend überwiegt. Durch
den Zuwachs dagegen würde sich die Zahl der Polen fast verdoppeln und bis
zur Hälfte der gesamten Bevölkerung anwachsen. Das Polentum könnte also
auch in Westpreußen leicht zur Mehrheit gelangen, und es wären dann die¬
selben Zustände zu erwarten, die heute in Posen bestehen und dort beseitigt
werden sollen.

Ebenso undurchführbar aber ist ein in der Post besprochner und schon
dort widerlegter Vorschlag, nämlich durch Abzweigung der Niederlausitz von
Brandenburg, der Oberlausitz von Schlesien und der westlichen Teile von
Posen eine neue Provinz zu bilden und den Rest der Provinz Posen mit
Schlesien oder Westpreußen zu vereinigen. Man geht bei diesem Vorschlag
von der Annahme aus, daß sich die Provinzen mit den Armeekorpsbezirken zu
decken hätten. Aus militärischen Gründen ist das aber keineswegs erforderlich,
und es ist deshalb auch gar nicht immer der Fall. Überdies gehört zum
Bezirke des fünften Armeekorps außer dem Regierungsbezirk Posen der Regie-
rungsbezirk Liegnitz über die Oberlausitz hinaus, während die Niederlausitz dem
Bereiche des dritten Armeekorps angehört. Der westliche Teil Posens würde
nach diesem Vorschlag freilich deutschen Gebieten zugeteilt werden, aber man
würde damit gerade die wesentlich deutsche Bevölkerung aus Posen heraus-


Die Teilung der Provinz Posen

kommen. In den beiden letzten sind aber die Polen schon stark vertreten. So
hat Schlesien unter 4224458 Bewohnern 1016241 Polen, Westpreußen unter
1433681 Bewohnern 448235 Polen. Nur die polnische Bevölkerung der
Provinz Brandenburg kommt nicht in Betracht, aber die deutsche Bevölkerung
der Provinz Posen bewohnt vorwiegend die Gebiete, die infolge ihrer Lage zu
Brandenburg geschlagen werden müßten. Es würde also ein reichliches Drittel
der 1057 413 polnischen Bewohner Posens mit einem knappen Drittel der
694229 deutschen Bewohner je an Schlesien und Westpreußen fallen. Wenn
auch dadurch in Schlesien die Stärkung des Polentums nicht übermäßig groß
werden würde, so wäre doch dieser Zuwachs immerhin unerwünscht, weil die
dortige polnische Bevölkerung ganz überwiegend, nämlich 950452 von 1016141,
in einem einzigen Gebiete, dem Regierungsbezirk Oppeln, wohnt, dessen Ge¬
samtbevölkerung nur 1577 731 Personen zählt, sodaß diese Gegend ein durch¬
aus polnisches Gebiet bildet. Der schon jetzt stark polnische Teil Schlesiens
würde den Zuwachs als nächsten Nachbarn erhalten, mit dem ihn dann sämt¬
liche Interessen, auch die kommunalen und wirtschaftlichen, aufs engste ver¬
binden würden. Überall harmonirt der in Schlesien zahlreich vertretene Ultra¬
montanismus mit dem Polentum. Noch weit ungünstiger würden sich die
Verhältnisse in Westpreußen gestalten. Dort sind heute die Polen in der
Minderheit, da sie noch nicht den dritten Teil der gesamten Bevölkerung aus¬
machen. Sie bewohnen zwar überwiegend den Regierungsbezirk Marienwerder
mit 333206 Personen, doch beläuft sich dessen Gesamtbevölkerung auf 844505
Bewohner, sodaß auch hier die deutsche Bevölkerung bedeutend überwiegt. Durch
den Zuwachs dagegen würde sich die Zahl der Polen fast verdoppeln und bis
zur Hälfte der gesamten Bevölkerung anwachsen. Das Polentum könnte also
auch in Westpreußen leicht zur Mehrheit gelangen, und es wären dann die¬
selben Zustände zu erwarten, die heute in Posen bestehen und dort beseitigt
werden sollen.

Ebenso undurchführbar aber ist ein in der Post besprochner und schon
dort widerlegter Vorschlag, nämlich durch Abzweigung der Niederlausitz von
Brandenburg, der Oberlausitz von Schlesien und der westlichen Teile von
Posen eine neue Provinz zu bilden und den Rest der Provinz Posen mit
Schlesien oder Westpreußen zu vereinigen. Man geht bei diesem Vorschlag
von der Annahme aus, daß sich die Provinzen mit den Armeekorpsbezirken zu
decken hätten. Aus militärischen Gründen ist das aber keineswegs erforderlich,
und es ist deshalb auch gar nicht immer der Fall. Überdies gehört zum
Bezirke des fünften Armeekorps außer dem Regierungsbezirk Posen der Regie-
rungsbezirk Liegnitz über die Oberlausitz hinaus, während die Niederlausitz dem
Bereiche des dritten Armeekorps angehört. Der westliche Teil Posens würde
nach diesem Vorschlag freilich deutschen Gebieten zugeteilt werden, aber man
würde damit gerade die wesentlich deutsche Bevölkerung aus Posen heraus-


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[0268] Die Teilung der Provinz Posen kommen. In den beiden letzten sind aber die Polen schon stark vertreten. So hat Schlesien unter 4224458 Bewohnern 1016241 Polen, Westpreußen unter 1433681 Bewohnern 448235 Polen. Nur die polnische Bevölkerung der Provinz Brandenburg kommt nicht in Betracht, aber die deutsche Bevölkerung der Provinz Posen bewohnt vorwiegend die Gebiete, die infolge ihrer Lage zu Brandenburg geschlagen werden müßten. Es würde also ein reichliches Drittel der 1057 413 polnischen Bewohner Posens mit einem knappen Drittel der 694229 deutschen Bewohner je an Schlesien und Westpreußen fallen. Wenn auch dadurch in Schlesien die Stärkung des Polentums nicht übermäßig groß werden würde, so wäre doch dieser Zuwachs immerhin unerwünscht, weil die dortige polnische Bevölkerung ganz überwiegend, nämlich 950452 von 1016141, in einem einzigen Gebiete, dem Regierungsbezirk Oppeln, wohnt, dessen Ge¬ samtbevölkerung nur 1577 731 Personen zählt, sodaß diese Gegend ein durch¬ aus polnisches Gebiet bildet. Der schon jetzt stark polnische Teil Schlesiens würde den Zuwachs als nächsten Nachbarn erhalten, mit dem ihn dann sämt¬ liche Interessen, auch die kommunalen und wirtschaftlichen, aufs engste ver¬ binden würden. Überall harmonirt der in Schlesien zahlreich vertretene Ultra¬ montanismus mit dem Polentum. Noch weit ungünstiger würden sich die Verhältnisse in Westpreußen gestalten. Dort sind heute die Polen in der Minderheit, da sie noch nicht den dritten Teil der gesamten Bevölkerung aus¬ machen. Sie bewohnen zwar überwiegend den Regierungsbezirk Marienwerder mit 333206 Personen, doch beläuft sich dessen Gesamtbevölkerung auf 844505 Bewohner, sodaß auch hier die deutsche Bevölkerung bedeutend überwiegt. Durch den Zuwachs dagegen würde sich die Zahl der Polen fast verdoppeln und bis zur Hälfte der gesamten Bevölkerung anwachsen. Das Polentum könnte also auch in Westpreußen leicht zur Mehrheit gelangen, und es wären dann die¬ selben Zustände zu erwarten, die heute in Posen bestehen und dort beseitigt werden sollen. Ebenso undurchführbar aber ist ein in der Post besprochner und schon dort widerlegter Vorschlag, nämlich durch Abzweigung der Niederlausitz von Brandenburg, der Oberlausitz von Schlesien und der westlichen Teile von Posen eine neue Provinz zu bilden und den Rest der Provinz Posen mit Schlesien oder Westpreußen zu vereinigen. Man geht bei diesem Vorschlag von der Annahme aus, daß sich die Provinzen mit den Armeekorpsbezirken zu decken hätten. Aus militärischen Gründen ist das aber keineswegs erforderlich, und es ist deshalb auch gar nicht immer der Fall. Überdies gehört zum Bezirke des fünften Armeekorps außer dem Regierungsbezirk Posen der Regie- rungsbezirk Liegnitz über die Oberlausitz hinaus, während die Niederlausitz dem Bereiche des dritten Armeekorps angehört. Der westliche Teil Posens würde nach diesem Vorschlag freilich deutschen Gebieten zugeteilt werden, aber man würde damit gerade die wesentlich deutsche Bevölkerung aus Posen heraus-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224927/268>, abgerufen am 23.07.2024.