Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Teilung der Provinz Posen

sein. Da auf sämtlichen Gebieten des öffentlichen Lebens, auf denen die Be¬
völkerung in der Organisation und Verwaltung teilnimmt, von den Polen
alles im national-polnischen Interesse behandelt und, so wenig auch eine An¬
gelegenheit damit zusammenhängen mag, mit der Polenfrage verquickt wird, so
sind die Polen immer mehr bemüht gewesen, die polnischen Bestrebungen in
jede Körperschaft hineinzutragen. Selbst bei den Wahlen für rein wirtschaftliche
Einrichtungen, wie den Provinziallandtag und die Landschaft, handelt es sich
sür sie nicht um die Tüchtigkeit, sondern vor allem um die Nationalität des
Kandidaten. Wenn es den Polen nicht gelingt, in einer Körperschaft die
Mehrheit zu erreichen, so streben sie doch unausgesetzt darnach, einen wenn
auch nur geringen Einfluß nationaler Art auszuüben und besonders zu be¬
tonen. Diese fortwährende Betonung der polnischen Interessen ist wohl in
jeder Körperschaft der Provinz Posen vorhanden. Bei der großen Bevölke¬
rungszahl der Polen in Posen, die sich etwa auf 1057413 von 1751642
Bewohnern beläuft,*) ist es deshalb unvermeidlich, daß auch die leitenden
Organe der Staatsregierung zu Zeiten diesem Umstände Rechnung zu tragen
haben, weil sie sich doch nicht mit der Mehrzahl der Bevölkerung fortwährend
in Widerspruch setzen können. Wenn nun die posenschen Gebietsteile andern
Provinzen einverleibt würden, so wäre gewiß die Aussicht vorhanden, daß die
Polen dann infolge ihrer Minderzahl in den Körperschaften nicht entfernt die
Einwirkung ausüben könnten, die sie den posenschen Behörden gegenüber that¬
sächlich erreicht haben. Es würde, wenn die Teilung der Provinz stattgefunden
hätte, in den andern Provinzen mit den Polen nicht mehr als mit einer den
Gang der Geschäfte beeinflussenden Partei gerechnet werden. Damit würde
natürlich auch die Opposition der Polen gegen die Durchführung der zur Be¬
kämpfung ihrer Bestrebungen auf dem Verwaltungswege vorhandnen Ma߬
nahmen ihren Erfolg verlieren. Die Parlamentsreden der polnischen Fraktion
über die Vergewaltigung und Bedrückung ihrer Nation hätten dann keine andre
Bedeutung mehr als die von sentimentalen Herzensergüssen. Es würden also
ähnliche Zustande entstehen wie in Oberschlesien und Westpreußen, wo das
Polentum an sich zwar eifrig agitirt, aber keine maßgebende Einwirkung auf
die Gestaltung der öffentlichen Angelegenheiten erreicht.

Einer solchen Teilung der Provinz Posen steht nun erstens die Unmöglich¬
keit im Wege, die posenschen Gebietsteile deutschen Provinzen zu dem beab¬
sichtigten Zwecke zuzuschlagen. Der geographischen Lage Posens wegen können
nur die Provinzen Brandenburg, Schlesien und Westpreußen in Betracht



Nach dein Ergebnis der Volkszählung von Dn sich die Bevölkerung der Provinz
bis zur Volkszählung am 2. Dezember 1895, deren Material noch nicht vollständig verarbeitet
ist, nur um 4,37 Prozent vermehrt hat, dürften die in dein vorliegenden Artikel angeführten
Zahlen auch heute noch zutreffen.
Die Teilung der Provinz Posen

sein. Da auf sämtlichen Gebieten des öffentlichen Lebens, auf denen die Be¬
völkerung in der Organisation und Verwaltung teilnimmt, von den Polen
alles im national-polnischen Interesse behandelt und, so wenig auch eine An¬
gelegenheit damit zusammenhängen mag, mit der Polenfrage verquickt wird, so
sind die Polen immer mehr bemüht gewesen, die polnischen Bestrebungen in
jede Körperschaft hineinzutragen. Selbst bei den Wahlen für rein wirtschaftliche
Einrichtungen, wie den Provinziallandtag und die Landschaft, handelt es sich
sür sie nicht um die Tüchtigkeit, sondern vor allem um die Nationalität des
Kandidaten. Wenn es den Polen nicht gelingt, in einer Körperschaft die
Mehrheit zu erreichen, so streben sie doch unausgesetzt darnach, einen wenn
auch nur geringen Einfluß nationaler Art auszuüben und besonders zu be¬
tonen. Diese fortwährende Betonung der polnischen Interessen ist wohl in
jeder Körperschaft der Provinz Posen vorhanden. Bei der großen Bevölke¬
rungszahl der Polen in Posen, die sich etwa auf 1057413 von 1751642
Bewohnern beläuft,*) ist es deshalb unvermeidlich, daß auch die leitenden
Organe der Staatsregierung zu Zeiten diesem Umstände Rechnung zu tragen
haben, weil sie sich doch nicht mit der Mehrzahl der Bevölkerung fortwährend
in Widerspruch setzen können. Wenn nun die posenschen Gebietsteile andern
Provinzen einverleibt würden, so wäre gewiß die Aussicht vorhanden, daß die
Polen dann infolge ihrer Minderzahl in den Körperschaften nicht entfernt die
Einwirkung ausüben könnten, die sie den posenschen Behörden gegenüber that¬
sächlich erreicht haben. Es würde, wenn die Teilung der Provinz stattgefunden
hätte, in den andern Provinzen mit den Polen nicht mehr als mit einer den
Gang der Geschäfte beeinflussenden Partei gerechnet werden. Damit würde
natürlich auch die Opposition der Polen gegen die Durchführung der zur Be¬
kämpfung ihrer Bestrebungen auf dem Verwaltungswege vorhandnen Ma߬
nahmen ihren Erfolg verlieren. Die Parlamentsreden der polnischen Fraktion
über die Vergewaltigung und Bedrückung ihrer Nation hätten dann keine andre
Bedeutung mehr als die von sentimentalen Herzensergüssen. Es würden also
ähnliche Zustande entstehen wie in Oberschlesien und Westpreußen, wo das
Polentum an sich zwar eifrig agitirt, aber keine maßgebende Einwirkung auf
die Gestaltung der öffentlichen Angelegenheiten erreicht.

Einer solchen Teilung der Provinz Posen steht nun erstens die Unmöglich¬
keit im Wege, die posenschen Gebietsteile deutschen Provinzen zu dem beab¬
sichtigten Zwecke zuzuschlagen. Der geographischen Lage Posens wegen können
nur die Provinzen Brandenburg, Schlesien und Westpreußen in Betracht



Nach dein Ergebnis der Volkszählung von Dn sich die Bevölkerung der Provinz
bis zur Volkszählung am 2. Dezember 1895, deren Material noch nicht vollständig verarbeitet
ist, nur um 4,37 Prozent vermehrt hat, dürften die in dein vorliegenden Artikel angeführten
Zahlen auch heute noch zutreffen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0267" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/225195"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Teilung der Provinz Posen</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_893" prev="#ID_892"> sein. Da auf sämtlichen Gebieten des öffentlichen Lebens, auf denen die Be¬<lb/>
völkerung in der Organisation und Verwaltung teilnimmt, von den Polen<lb/>
alles im national-polnischen Interesse behandelt und, so wenig auch eine An¬<lb/>
gelegenheit damit zusammenhängen mag, mit der Polenfrage verquickt wird, so<lb/>
sind die Polen immer mehr bemüht gewesen, die polnischen Bestrebungen in<lb/>
jede Körperschaft hineinzutragen. Selbst bei den Wahlen für rein wirtschaftliche<lb/>
Einrichtungen, wie den Provinziallandtag und die Landschaft, handelt es sich<lb/>
sür sie nicht um die Tüchtigkeit, sondern vor allem um die Nationalität des<lb/>
Kandidaten. Wenn es den Polen nicht gelingt, in einer Körperschaft die<lb/>
Mehrheit zu erreichen, so streben sie doch unausgesetzt darnach, einen wenn<lb/>
auch nur geringen Einfluß nationaler Art auszuüben und besonders zu be¬<lb/>
tonen. Diese fortwährende Betonung der polnischen Interessen ist wohl in<lb/>
jeder Körperschaft der Provinz Posen vorhanden. Bei der großen Bevölke¬<lb/>
rungszahl der Polen in Posen, die sich etwa auf 1057413 von 1751642<lb/>
Bewohnern beläuft,*) ist es deshalb unvermeidlich, daß auch die leitenden<lb/>
Organe der Staatsregierung zu Zeiten diesem Umstände Rechnung zu tragen<lb/>
haben, weil sie sich doch nicht mit der Mehrzahl der Bevölkerung fortwährend<lb/>
in Widerspruch setzen können. Wenn nun die posenschen Gebietsteile andern<lb/>
Provinzen einverleibt würden, so wäre gewiß die Aussicht vorhanden, daß die<lb/>
Polen dann infolge ihrer Minderzahl in den Körperschaften nicht entfernt die<lb/>
Einwirkung ausüben könnten, die sie den posenschen Behörden gegenüber that¬<lb/>
sächlich erreicht haben. Es würde, wenn die Teilung der Provinz stattgefunden<lb/>
hätte, in den andern Provinzen mit den Polen nicht mehr als mit einer den<lb/>
Gang der Geschäfte beeinflussenden Partei gerechnet werden. Damit würde<lb/>
natürlich auch die Opposition der Polen gegen die Durchführung der zur Be¬<lb/>
kämpfung ihrer Bestrebungen auf dem Verwaltungswege vorhandnen Ma߬<lb/>
nahmen ihren Erfolg verlieren. Die Parlamentsreden der polnischen Fraktion<lb/>
über die Vergewaltigung und Bedrückung ihrer Nation hätten dann keine andre<lb/>
Bedeutung mehr als die von sentimentalen Herzensergüssen. Es würden also<lb/>
ähnliche Zustande entstehen wie in Oberschlesien und Westpreußen, wo das<lb/>
Polentum an sich zwar eifrig agitirt, aber keine maßgebende Einwirkung auf<lb/>
die Gestaltung der öffentlichen Angelegenheiten erreicht.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_894" next="#ID_895"> Einer solchen Teilung der Provinz Posen steht nun erstens die Unmöglich¬<lb/>
keit im Wege, die posenschen Gebietsteile deutschen Provinzen zu dem beab¬<lb/>
sichtigten Zwecke zuzuschlagen. Der geographischen Lage Posens wegen können<lb/>
nur die Provinzen Brandenburg, Schlesien und Westpreußen in Betracht</p><lb/>
          <note xml:id="FID_39" place="foot"> Nach dein Ergebnis der Volkszählung von Dn sich die Bevölkerung der Provinz<lb/>
bis zur Volkszählung am 2. Dezember 1895, deren Material noch nicht vollständig verarbeitet<lb/>
ist, nur um 4,37 Prozent vermehrt hat, dürften die in dein vorliegenden Artikel angeführten<lb/>
Zahlen auch heute noch zutreffen.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0267] Die Teilung der Provinz Posen sein. Da auf sämtlichen Gebieten des öffentlichen Lebens, auf denen die Be¬ völkerung in der Organisation und Verwaltung teilnimmt, von den Polen alles im national-polnischen Interesse behandelt und, so wenig auch eine An¬ gelegenheit damit zusammenhängen mag, mit der Polenfrage verquickt wird, so sind die Polen immer mehr bemüht gewesen, die polnischen Bestrebungen in jede Körperschaft hineinzutragen. Selbst bei den Wahlen für rein wirtschaftliche Einrichtungen, wie den Provinziallandtag und die Landschaft, handelt es sich sür sie nicht um die Tüchtigkeit, sondern vor allem um die Nationalität des Kandidaten. Wenn es den Polen nicht gelingt, in einer Körperschaft die Mehrheit zu erreichen, so streben sie doch unausgesetzt darnach, einen wenn auch nur geringen Einfluß nationaler Art auszuüben und besonders zu be¬ tonen. Diese fortwährende Betonung der polnischen Interessen ist wohl in jeder Körperschaft der Provinz Posen vorhanden. Bei der großen Bevölke¬ rungszahl der Polen in Posen, die sich etwa auf 1057413 von 1751642 Bewohnern beläuft,*) ist es deshalb unvermeidlich, daß auch die leitenden Organe der Staatsregierung zu Zeiten diesem Umstände Rechnung zu tragen haben, weil sie sich doch nicht mit der Mehrzahl der Bevölkerung fortwährend in Widerspruch setzen können. Wenn nun die posenschen Gebietsteile andern Provinzen einverleibt würden, so wäre gewiß die Aussicht vorhanden, daß die Polen dann infolge ihrer Minderzahl in den Körperschaften nicht entfernt die Einwirkung ausüben könnten, die sie den posenschen Behörden gegenüber that¬ sächlich erreicht haben. Es würde, wenn die Teilung der Provinz stattgefunden hätte, in den andern Provinzen mit den Polen nicht mehr als mit einer den Gang der Geschäfte beeinflussenden Partei gerechnet werden. Damit würde natürlich auch die Opposition der Polen gegen die Durchführung der zur Be¬ kämpfung ihrer Bestrebungen auf dem Verwaltungswege vorhandnen Ma߬ nahmen ihren Erfolg verlieren. Die Parlamentsreden der polnischen Fraktion über die Vergewaltigung und Bedrückung ihrer Nation hätten dann keine andre Bedeutung mehr als die von sentimentalen Herzensergüssen. Es würden also ähnliche Zustande entstehen wie in Oberschlesien und Westpreußen, wo das Polentum an sich zwar eifrig agitirt, aber keine maßgebende Einwirkung auf die Gestaltung der öffentlichen Angelegenheiten erreicht. Einer solchen Teilung der Provinz Posen steht nun erstens die Unmöglich¬ keit im Wege, die posenschen Gebietsteile deutschen Provinzen zu dem beab¬ sichtigten Zwecke zuzuschlagen. Der geographischen Lage Posens wegen können nur die Provinzen Brandenburg, Schlesien und Westpreußen in Betracht Nach dein Ergebnis der Volkszählung von Dn sich die Bevölkerung der Provinz bis zur Volkszählung am 2. Dezember 1895, deren Material noch nicht vollständig verarbeitet ist, nur um 4,37 Prozent vermehrt hat, dürften die in dein vorliegenden Artikel angeführten Zahlen auch heute noch zutreffen.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224927
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224927/267
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224927/267>, abgerufen am 23.07.2024.