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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr.

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München und Konstanz

lernte, besuchte er die Bonner Synode als Delegirter. Er reiste, der Geld¬
ersparnis wegen, zu Fuß hin, bei schönem Wetter die Stiefel ans Ränzchen
gehängt, in Dorfwirtshäusern und in Scheunen nächtigend, also ganz apostolisch,
vielleicht der einzige wirklich apostolische Mann unter allen Synodalen, und es
wäre hübsch, wenn einmal auf einer jener Synoden, die mehr für die Welt¬
geschichte zu bedeuten haben als die Bonner, etwa auf einer Konferenz öster¬
reichisch-ungarischer Fürstbischöfe oder auf der preußischen Generalsynode, der
Vorschlag gemacht würde, in dieser Beziehung zu den Sitten der Apostel
zurückzukehren. Natürlich würde ein solcher Vorschlag allgemeine Heiterkeit er¬
regen, und sollte ihn der Antragsteller ernst nehmen, so würde man ihn be¬
lehren, daß er ein beschränkter Mensch sei, der an Äußerlichkeiten klebe, und
daß der Apostel Paulus, wenn er heute lebte, ganz gewiß mit der Eisenbahn,
und zwar allermindenstcns zweiter Klasse reisen und sich xsrkew laoorv") ein
gutes Diner und eine Mokka mit einer Havanna sicherlich schmecken lassen
würde. Dagegen könnte man ja dann am Ende auch nicht viel einwenden,
denn es ist wirklich schwierig oder vielmehr unmöglich, zu sagen, was ein
Mann früherer Jahrtausende heute unter ganz andern Verhältnissen thun
würde.*") Aber gewisse moderne Dinge giebt es doch, von denen man ohne
Schwanken behaupten darf: nein, dazu würde sich ein Apostel nimmermehr
verstanden haben! An dem Wohnorte jenes Richters hatte ich einmal gerade
am Geburtstage des bciirischen Königs Gottesdienst zu halten. Da wurde
mir gesagt, die Offiziere der benachbarten österreichischen Garnison würden sich
zur Königsgeburtstagsfeier in der Kirche einfinden, und da möchte ichs nur
hübsch kurz machen (das that ich ohnehin immer), "denn die Herrn hobens
eilig zum Frühschoppen." Ich bin überzeugt, daß da Paulus nicht gefüllig
genickt, sondern den Boten angeranzt haben würde: "Sage deinen Herren, daß
ich die Perlen""*) nicht vor die Säue werfe; diese Herren gehören überhaupt
nicht in unsre Gemeinschaft, sie sollen zu ihrem Herrn und Vater, dem "^/^^
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") So sagte der Stadtpfarrer Herzig in Glatz gern, um junge Kapläne in den Genus¬
regeln zu prüfen. Dieser alte Herr hatte sich 181.!! das Eiserne Kreuz für Kombattanten ver¬
dient, machte um Altar in vorschriftsmäßig militärischer Form Kehrt und sprach das Dowmus
vooisvuin im Kommandotone.
Bischof Ketteler soll einmal auf die Frage: Was meinen Sie, was Paulus heute thun
würde? geantwortet haben: Er würde eine Zeitung gründen. Das glaube ich nun schlechter¬
dings nicht; aber sich in Zeitungen vernehmen lassen, das würde weder dein persönlichen, noch
dein Apostelcharakter des Paulus widersprechen.
Mit den Perlen ist hier nicht das Menschenwort an sich gemeint, sondern nur das
Mcnschenwort, sofern es dem Gotteswort als Vehikel dient, und die heilige Handlung. Mein
alter Pfarrer Betr las mir einmal mit Lachthränen in den Augen aus einer Zeitung vor:
"Hierauf geruhten die Allerhöchsten Herrschaften, in der Schlosstnpelle dein Höchsten Allerhöchst-
ihrcn Dank abzustatten."
München und Konstanz

lernte, besuchte er die Bonner Synode als Delegirter. Er reiste, der Geld¬
ersparnis wegen, zu Fuß hin, bei schönem Wetter die Stiefel ans Ränzchen
gehängt, in Dorfwirtshäusern und in Scheunen nächtigend, also ganz apostolisch,
vielleicht der einzige wirklich apostolische Mann unter allen Synodalen, und es
wäre hübsch, wenn einmal auf einer jener Synoden, die mehr für die Welt¬
geschichte zu bedeuten haben als die Bonner, etwa auf einer Konferenz öster¬
reichisch-ungarischer Fürstbischöfe oder auf der preußischen Generalsynode, der
Vorschlag gemacht würde, in dieser Beziehung zu den Sitten der Apostel
zurückzukehren. Natürlich würde ein solcher Vorschlag allgemeine Heiterkeit er¬
regen, und sollte ihn der Antragsteller ernst nehmen, so würde man ihn be¬
lehren, daß er ein beschränkter Mensch sei, der an Äußerlichkeiten klebe, und
daß der Apostel Paulus, wenn er heute lebte, ganz gewiß mit der Eisenbahn,
und zwar allermindenstcns zweiter Klasse reisen und sich xsrkew laoorv") ein
gutes Diner und eine Mokka mit einer Havanna sicherlich schmecken lassen
würde. Dagegen könnte man ja dann am Ende auch nicht viel einwenden,
denn es ist wirklich schwierig oder vielmehr unmöglich, zu sagen, was ein
Mann früherer Jahrtausende heute unter ganz andern Verhältnissen thun
würde.*") Aber gewisse moderne Dinge giebt es doch, von denen man ohne
Schwanken behaupten darf: nein, dazu würde sich ein Apostel nimmermehr
verstanden haben! An dem Wohnorte jenes Richters hatte ich einmal gerade
am Geburtstage des bciirischen Königs Gottesdienst zu halten. Da wurde
mir gesagt, die Offiziere der benachbarten österreichischen Garnison würden sich
zur Königsgeburtstagsfeier in der Kirche einfinden, und da möchte ichs nur
hübsch kurz machen (das that ich ohnehin immer), „denn die Herrn hobens
eilig zum Frühschoppen." Ich bin überzeugt, daß da Paulus nicht gefüllig
genickt, sondern den Boten angeranzt haben würde: „Sage deinen Herren, daß
ich die Perlen""*) nicht vor die Säue werfe; diese Herren gehören überhaupt
nicht in unsre Gemeinschaft, sie sollen zu ihrem Herrn und Vater, dem «^/^^
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") So sagte der Stadtpfarrer Herzig in Glatz gern, um junge Kapläne in den Genus¬
regeln zu prüfen. Dieser alte Herr hatte sich 181.!! das Eiserne Kreuz für Kombattanten ver¬
dient, machte um Altar in vorschriftsmäßig militärischer Form Kehrt und sprach das Dowmus
vooisvuin im Kommandotone.
Bischof Ketteler soll einmal auf die Frage: Was meinen Sie, was Paulus heute thun
würde? geantwortet haben: Er würde eine Zeitung gründen. Das glaube ich nun schlechter¬
dings nicht; aber sich in Zeitungen vernehmen lassen, das würde weder dein persönlichen, noch
dein Apostelcharakter des Paulus widersprechen.
Mit den Perlen ist hier nicht das Menschenwort an sich gemeint, sondern nur das
Mcnschenwort, sofern es dem Gotteswort als Vehikel dient, und die heilige Handlung. Mein
alter Pfarrer Betr las mir einmal mit Lachthränen in den Augen aus einer Zeitung vor:
„Hierauf geruhten die Allerhöchsten Herrschaften, in der Schlosstnpelle dein Höchsten Allerhöchst-
ihrcn Dank abzustatten."
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[0236] München und Konstanz lernte, besuchte er die Bonner Synode als Delegirter. Er reiste, der Geld¬ ersparnis wegen, zu Fuß hin, bei schönem Wetter die Stiefel ans Ränzchen gehängt, in Dorfwirtshäusern und in Scheunen nächtigend, also ganz apostolisch, vielleicht der einzige wirklich apostolische Mann unter allen Synodalen, und es wäre hübsch, wenn einmal auf einer jener Synoden, die mehr für die Welt¬ geschichte zu bedeuten haben als die Bonner, etwa auf einer Konferenz öster¬ reichisch-ungarischer Fürstbischöfe oder auf der preußischen Generalsynode, der Vorschlag gemacht würde, in dieser Beziehung zu den Sitten der Apostel zurückzukehren. Natürlich würde ein solcher Vorschlag allgemeine Heiterkeit er¬ regen, und sollte ihn der Antragsteller ernst nehmen, so würde man ihn be¬ lehren, daß er ein beschränkter Mensch sei, der an Äußerlichkeiten klebe, und daß der Apostel Paulus, wenn er heute lebte, ganz gewiß mit der Eisenbahn, und zwar allermindenstcns zweiter Klasse reisen und sich xsrkew laoorv") ein gutes Diner und eine Mokka mit einer Havanna sicherlich schmecken lassen würde. Dagegen könnte man ja dann am Ende auch nicht viel einwenden, denn es ist wirklich schwierig oder vielmehr unmöglich, zu sagen, was ein Mann früherer Jahrtausende heute unter ganz andern Verhältnissen thun würde.*") Aber gewisse moderne Dinge giebt es doch, von denen man ohne Schwanken behaupten darf: nein, dazu würde sich ein Apostel nimmermehr verstanden haben! An dem Wohnorte jenes Richters hatte ich einmal gerade am Geburtstage des bciirischen Königs Gottesdienst zu halten. Da wurde mir gesagt, die Offiziere der benachbarten österreichischen Garnison würden sich zur Königsgeburtstagsfeier in der Kirche einfinden, und da möchte ichs nur hübsch kurz machen (das that ich ohnehin immer), „denn die Herrn hobens eilig zum Frühschoppen." Ich bin überzeugt, daß da Paulus nicht gefüllig genickt, sondern den Boten angeranzt haben würde: „Sage deinen Herren, daß ich die Perlen""*) nicht vor die Säue werfe; diese Herren gehören überhaupt nicht in unsre Gemeinschaft, sie sollen zu ihrem Herrn und Vater, dem «^/^^ r<?5 x<5<?//,vo rovrvv gehen!" ") So sagte der Stadtpfarrer Herzig in Glatz gern, um junge Kapläne in den Genus¬ regeln zu prüfen. Dieser alte Herr hatte sich 181.!! das Eiserne Kreuz für Kombattanten ver¬ dient, machte um Altar in vorschriftsmäßig militärischer Form Kehrt und sprach das Dowmus vooisvuin im Kommandotone. Bischof Ketteler soll einmal auf die Frage: Was meinen Sie, was Paulus heute thun würde? geantwortet haben: Er würde eine Zeitung gründen. Das glaube ich nun schlechter¬ dings nicht; aber sich in Zeitungen vernehmen lassen, das würde weder dein persönlichen, noch dein Apostelcharakter des Paulus widersprechen. Mit den Perlen ist hier nicht das Menschenwort an sich gemeint, sondern nur das Mcnschenwort, sofern es dem Gotteswort als Vehikel dient, und die heilige Handlung. Mein alter Pfarrer Betr las mir einmal mit Lachthränen in den Augen aus einer Zeitung vor: „Hierauf geruhten die Allerhöchsten Herrschaften, in der Schlosstnpelle dein Höchsten Allerhöchst- ihrcn Dank abzustatten."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224927/236>, abgerufen am 23.07.2024.