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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr.

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Gewerbeaufflcht und Vrtspolizei

nehmer lägen, zu kümmern habe, und es sei da ganz folgerichtig, daß solche
Organe ganz neu geschaffen werden müßten, denen zunächst nichts weiter obliege,
als nur die Nachforschung über die Beachtung der im unmittelbaren Interesse
einzelner Bevölkerungsklasfen liegenden Anordnungen, Die Gewerbeinspektor
sei der "Anfang einer neuen Funktion der Verwaltung, sich um die thatsäch¬
liche Befolgung auch dort zu bekümmern, wo unmittelbar nur das Interesse
von Bevölkerungsgruppen vorliegt."

Uns scheinen diese Gedanken denn doch etwas gesucht und schief zu sein
und gmiz dazu angethan, die natürliche Weiterentwicklung der Sicherstellung
unsers Arbeitsschutzes eher zu erschweren als zu fördern. Der Verfasser Null
aus der Aufgabe der Gewerbeaufsichtsbeamten mit Gewalt etwas ganz neues
machen. Das swäium rvrum novarum, dieses charakteristische Merkmal unsrer
Modernen in Sozialpolitik. Malerei und Dichtung, scheint auch ihn befangen
M machen. Weder das österreichische noch das deutsche Staatsrecht hat jemals
der politischen Verwaltung oder den ordentlichen Polizeibehörden eine so extrem
manchesterliche Stellung zugewiesen, wie es hier vorausgesetzt wird, und
weder die österreichische noch die deutsche Gewerbeordnung hat in den in
neuerer Zeit hinzugefügten Arbeiterschutzbestimmungen ein derartiges novuni,
schaffen wollen noch geschaffen. Eine grundsätzliche Änderung in der staats¬
rechtlichen Aufgabe der politischen Verwaltung, sich um die Befolgung der
unter Strafandrohung erlassenen gewerbe-, gesundheits- und sittenpolizeiluchen
Vorschriften von Amts wegen zu kümmern, hat gar nicht stattgefunden. Es
ergab sich ganz natürlich, daß die polizeilichen Organe, die die Ausführung
der Vorschriften zu beaufsichtigen bilden, abgeändert, ergänzt und vermehrt
werden mußten, als sich mit der Weiterentwicklung des wirtschaftlichen, sozialen,
überhaupt des ganzen Volkslebens Abänderungen, Ergänzungen und Ver¬
mehrungen der polizeilichen Vorschriften als nötig erwiesen. Weder die juristisch
geschulten Beamten der politischen Verwaltung noch die sonstigen Polizeiorgane,
auch nicht die Gewerbeaufsichtsbeamten selbst haben, soweit wir unterrichtet
sind, bei der praktischen Anwendung der neuen Arbeiterschutzgesetze der Em¬
pfindung Ausdruck gegeben, daß es sich dabei um einen Bruch mit den bis¬
herigen Grundsätzen des öffentlichen Rechts handle, wie sich ihn Mischler kon-
struirt, und wir würden es nur bedauern, wenn das Bestreben der modernen
Theoretiker in der Sozialpolitik nach Neuheit a Wut xrix die praktisch auf diesem
Gebiete zu lösende Aufgabe noch mehr verwirrte und ganz unnötig erschwerte.

Als etwas grundsätzlich neues ist denn auch die vielfach zu Tage getretne
mangelhafte Mitwirkung der ordentlichen Polizeibehörden oder der sogenannten
Ortspolizei bei der Handhabung des Arbeiterschutzes nicht zu betrachten, viel¬
mehr machen sich dabei recht alte Sünden geltend, und wo diese etwa
neue besondre Nahrung finden, handelt es sich, so viel wir zu erkennen
vermögen, um ganz andre, praktische Dinge, als die von Mischler hervor-


Gewerbeaufflcht und Vrtspolizei

nehmer lägen, zu kümmern habe, und es sei da ganz folgerichtig, daß solche
Organe ganz neu geschaffen werden müßten, denen zunächst nichts weiter obliege,
als nur die Nachforschung über die Beachtung der im unmittelbaren Interesse
einzelner Bevölkerungsklasfen liegenden Anordnungen, Die Gewerbeinspektor
sei der „Anfang einer neuen Funktion der Verwaltung, sich um die thatsäch¬
liche Befolgung auch dort zu bekümmern, wo unmittelbar nur das Interesse
von Bevölkerungsgruppen vorliegt."

Uns scheinen diese Gedanken denn doch etwas gesucht und schief zu sein
und gmiz dazu angethan, die natürliche Weiterentwicklung der Sicherstellung
unsers Arbeitsschutzes eher zu erschweren als zu fördern. Der Verfasser Null
aus der Aufgabe der Gewerbeaufsichtsbeamten mit Gewalt etwas ganz neues
machen. Das swäium rvrum novarum, dieses charakteristische Merkmal unsrer
Modernen in Sozialpolitik. Malerei und Dichtung, scheint auch ihn befangen
M machen. Weder das österreichische noch das deutsche Staatsrecht hat jemals
der politischen Verwaltung oder den ordentlichen Polizeibehörden eine so extrem
manchesterliche Stellung zugewiesen, wie es hier vorausgesetzt wird, und
weder die österreichische noch die deutsche Gewerbeordnung hat in den in
neuerer Zeit hinzugefügten Arbeiterschutzbestimmungen ein derartiges novuni,
schaffen wollen noch geschaffen. Eine grundsätzliche Änderung in der staats¬
rechtlichen Aufgabe der politischen Verwaltung, sich um die Befolgung der
unter Strafandrohung erlassenen gewerbe-, gesundheits- und sittenpolizeiluchen
Vorschriften von Amts wegen zu kümmern, hat gar nicht stattgefunden. Es
ergab sich ganz natürlich, daß die polizeilichen Organe, die die Ausführung
der Vorschriften zu beaufsichtigen bilden, abgeändert, ergänzt und vermehrt
werden mußten, als sich mit der Weiterentwicklung des wirtschaftlichen, sozialen,
überhaupt des ganzen Volkslebens Abänderungen, Ergänzungen und Ver¬
mehrungen der polizeilichen Vorschriften als nötig erwiesen. Weder die juristisch
geschulten Beamten der politischen Verwaltung noch die sonstigen Polizeiorgane,
auch nicht die Gewerbeaufsichtsbeamten selbst haben, soweit wir unterrichtet
sind, bei der praktischen Anwendung der neuen Arbeiterschutzgesetze der Em¬
pfindung Ausdruck gegeben, daß es sich dabei um einen Bruch mit den bis¬
herigen Grundsätzen des öffentlichen Rechts handle, wie sich ihn Mischler kon-
struirt, und wir würden es nur bedauern, wenn das Bestreben der modernen
Theoretiker in der Sozialpolitik nach Neuheit a Wut xrix die praktisch auf diesem
Gebiete zu lösende Aufgabe noch mehr verwirrte und ganz unnötig erschwerte.

Als etwas grundsätzlich neues ist denn auch die vielfach zu Tage getretne
mangelhafte Mitwirkung der ordentlichen Polizeibehörden oder der sogenannten
Ortspolizei bei der Handhabung des Arbeiterschutzes nicht zu betrachten, viel¬
mehr machen sich dabei recht alte Sünden geltend, und wo diese etwa
neue besondre Nahrung finden, handelt es sich, so viel wir zu erkennen
vermögen, um ganz andre, praktische Dinge, als die von Mischler hervor-


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[0021] Gewerbeaufflcht und Vrtspolizei nehmer lägen, zu kümmern habe, und es sei da ganz folgerichtig, daß solche Organe ganz neu geschaffen werden müßten, denen zunächst nichts weiter obliege, als nur die Nachforschung über die Beachtung der im unmittelbaren Interesse einzelner Bevölkerungsklasfen liegenden Anordnungen, Die Gewerbeinspektor sei der „Anfang einer neuen Funktion der Verwaltung, sich um die thatsäch¬ liche Befolgung auch dort zu bekümmern, wo unmittelbar nur das Interesse von Bevölkerungsgruppen vorliegt." Uns scheinen diese Gedanken denn doch etwas gesucht und schief zu sein und gmiz dazu angethan, die natürliche Weiterentwicklung der Sicherstellung unsers Arbeitsschutzes eher zu erschweren als zu fördern. Der Verfasser Null aus der Aufgabe der Gewerbeaufsichtsbeamten mit Gewalt etwas ganz neues machen. Das swäium rvrum novarum, dieses charakteristische Merkmal unsrer Modernen in Sozialpolitik. Malerei und Dichtung, scheint auch ihn befangen M machen. Weder das österreichische noch das deutsche Staatsrecht hat jemals der politischen Verwaltung oder den ordentlichen Polizeibehörden eine so extrem manchesterliche Stellung zugewiesen, wie es hier vorausgesetzt wird, und weder die österreichische noch die deutsche Gewerbeordnung hat in den in neuerer Zeit hinzugefügten Arbeiterschutzbestimmungen ein derartiges novuni, schaffen wollen noch geschaffen. Eine grundsätzliche Änderung in der staats¬ rechtlichen Aufgabe der politischen Verwaltung, sich um die Befolgung der unter Strafandrohung erlassenen gewerbe-, gesundheits- und sittenpolizeiluchen Vorschriften von Amts wegen zu kümmern, hat gar nicht stattgefunden. Es ergab sich ganz natürlich, daß die polizeilichen Organe, die die Ausführung der Vorschriften zu beaufsichtigen bilden, abgeändert, ergänzt und vermehrt werden mußten, als sich mit der Weiterentwicklung des wirtschaftlichen, sozialen, überhaupt des ganzen Volkslebens Abänderungen, Ergänzungen und Ver¬ mehrungen der polizeilichen Vorschriften als nötig erwiesen. Weder die juristisch geschulten Beamten der politischen Verwaltung noch die sonstigen Polizeiorgane, auch nicht die Gewerbeaufsichtsbeamten selbst haben, soweit wir unterrichtet sind, bei der praktischen Anwendung der neuen Arbeiterschutzgesetze der Em¬ pfindung Ausdruck gegeben, daß es sich dabei um einen Bruch mit den bis¬ herigen Grundsätzen des öffentlichen Rechts handle, wie sich ihn Mischler kon- struirt, und wir würden es nur bedauern, wenn das Bestreben der modernen Theoretiker in der Sozialpolitik nach Neuheit a Wut xrix die praktisch auf diesem Gebiete zu lösende Aufgabe noch mehr verwirrte und ganz unnötig erschwerte. Als etwas grundsätzlich neues ist denn auch die vielfach zu Tage getretne mangelhafte Mitwirkung der ordentlichen Polizeibehörden oder der sogenannten Ortspolizei bei der Handhabung des Arbeiterschutzes nicht zu betrachten, viel¬ mehr machen sich dabei recht alte Sünden geltend, und wo diese etwa neue besondre Nahrung finden, handelt es sich, so viel wir zu erkennen vermögen, um ganz andre, praktische Dinge, als die von Mischler hervor-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224927/21>, abgerufen am 23.07.2024.