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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr.

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Lecil Rhodes

und ihrer Aktionäre ab, die gerade in den einflußreichsten Kreisen Englands
zu finden sind. Wie Rhodes bei den Abschiedsbanketten im Kaplande in seinen
Reden darlegte, sieht er den Ausschuß mit großer Ruhe an; denn er weiß,
daß ihn die Reichsregierung nicht fallen lassen kann. Er hat den Kolonial¬
minister Chamberlain so sicher in der Tasche, wie dieser die übrigen Mitglieder
des Kabinetts. Machen wir uns also darauf gefaßt, daß ihm nicht nur kein
Haar gekrümmt werden, sondern daß er mit vermehrtem Ansehen nach dem
Kap zurückkehren wird.

Ein merkwürdiger Mann, dieser Rhodes! Ein Konquistador in der Tracht
des neunzehnten Jahrhunderts, ein Cortez oder Pizarro in Glacehandschuhen.
Aber als er seinerzeit die Heimat verließ, ahnte niemand, und er selbst wohl
am wenigsten, welche Laufbahn ihm bevorstand. In Oxford, wo er in Oriel
College seinen Studien oblag, hatte er sich auf dem Flusse ein Lungenleiden
zugezogen. Etwa sechs Monate noch hatte ihm der Arzt gegeben, und in dem
milden tuberkelseindlichen Klima Südafrikas lag seine letzte Hoffnung. Die
Hoffnung erfüllte sich. Dem Fortschritt der Krankheit wurde Halt geboten,
und es folgte vollständige Genesung. So fand sich Rhodes durch einen Zufall
auf einen Boden versetzt, der einem thatkräftigen Charakter und festen Willen
ein fast unbeschränktes Feld der Thätigkeit eröffnete. Beides hatte er. Er
selbst hat einmal erklärt, wenn sich ein Mensch so in einen Gedanken vertiefe,
daß er ganz darin aufgehe, so sei er auch imstande, ihn auszuführen.

Daß ihm von Beginn seiner Laufbahn an ein festes Ziel vorgeschwebt
habe, möchten wir freilich bezweifeln. Wahrscheinlicher ist es bei den afrika¬
nischen Verhältnissen, daß sich seine Ziele erst allmählich bildeten, je nachdem
die Dinge lagen. Daß er aber jetzt ein bedeutendes Ziel im Auge hat, wo er
eine ganze Nation hinter sich weiß, ist nicht in Frage zu stellen, und daß es
kein Leichtes ist, seiner Thatkraft zu begegnen, ist auch sicher. Man kann mit
Recht sagen, daß ihm die Umstände bei seinem raschen Aufsteigen günstig ge¬
wesen sind, doch ist auch nicht zu vergessen, daß nur ein bedeutender Mann
die Umstände auszunutzen versteht.

Über sein früheres Leben wissen wir wenig. Eine soeben erschienene Bio¬
graphie^) behandelt sogar sein Geburtsjahr mit frauenzimmerlicher Diskretion,
und ob er namhafte Funde gemacht hat, muß dahingestellt bleiben. Sicher ist
nur, daß er sein Vermögen und seine Stellung nicht seiner eignen Arbeit auf
den Diamantfeldern, sondern seiner hervorragenden Begabung als Organisator
und Geschäftsmann verdankt.

Die Diamantgruben waren zuerst in den Händen von mehr als tausend
Eigentümern. Allmählich bildeten sich Gesellschaften, doch noch 1885 gab es



*) Lsei.1 lidoäos, Ä LivFraxd^ arul L.Mro<zi-^tioll, Hz? ImxsriÄUst, xsrsnrml
Romillisosllc-hö dz^ Dr. ^->.msso". 1,onäou, 1897,
Lecil Rhodes

und ihrer Aktionäre ab, die gerade in den einflußreichsten Kreisen Englands
zu finden sind. Wie Rhodes bei den Abschiedsbanketten im Kaplande in seinen
Reden darlegte, sieht er den Ausschuß mit großer Ruhe an; denn er weiß,
daß ihn die Reichsregierung nicht fallen lassen kann. Er hat den Kolonial¬
minister Chamberlain so sicher in der Tasche, wie dieser die übrigen Mitglieder
des Kabinetts. Machen wir uns also darauf gefaßt, daß ihm nicht nur kein
Haar gekrümmt werden, sondern daß er mit vermehrtem Ansehen nach dem
Kap zurückkehren wird.

Ein merkwürdiger Mann, dieser Rhodes! Ein Konquistador in der Tracht
des neunzehnten Jahrhunderts, ein Cortez oder Pizarro in Glacehandschuhen.
Aber als er seinerzeit die Heimat verließ, ahnte niemand, und er selbst wohl
am wenigsten, welche Laufbahn ihm bevorstand. In Oxford, wo er in Oriel
College seinen Studien oblag, hatte er sich auf dem Flusse ein Lungenleiden
zugezogen. Etwa sechs Monate noch hatte ihm der Arzt gegeben, und in dem
milden tuberkelseindlichen Klima Südafrikas lag seine letzte Hoffnung. Die
Hoffnung erfüllte sich. Dem Fortschritt der Krankheit wurde Halt geboten,
und es folgte vollständige Genesung. So fand sich Rhodes durch einen Zufall
auf einen Boden versetzt, der einem thatkräftigen Charakter und festen Willen
ein fast unbeschränktes Feld der Thätigkeit eröffnete. Beides hatte er. Er
selbst hat einmal erklärt, wenn sich ein Mensch so in einen Gedanken vertiefe,
daß er ganz darin aufgehe, so sei er auch imstande, ihn auszuführen.

Daß ihm von Beginn seiner Laufbahn an ein festes Ziel vorgeschwebt
habe, möchten wir freilich bezweifeln. Wahrscheinlicher ist es bei den afrika¬
nischen Verhältnissen, daß sich seine Ziele erst allmählich bildeten, je nachdem
die Dinge lagen. Daß er aber jetzt ein bedeutendes Ziel im Auge hat, wo er
eine ganze Nation hinter sich weiß, ist nicht in Frage zu stellen, und daß es
kein Leichtes ist, seiner Thatkraft zu begegnen, ist auch sicher. Man kann mit
Recht sagen, daß ihm die Umstände bei seinem raschen Aufsteigen günstig ge¬
wesen sind, doch ist auch nicht zu vergessen, daß nur ein bedeutender Mann
die Umstände auszunutzen versteht.

Über sein früheres Leben wissen wir wenig. Eine soeben erschienene Bio¬
graphie^) behandelt sogar sein Geburtsjahr mit frauenzimmerlicher Diskretion,
und ob er namhafte Funde gemacht hat, muß dahingestellt bleiben. Sicher ist
nur, daß er sein Vermögen und seine Stellung nicht seiner eignen Arbeit auf
den Diamantfeldern, sondern seiner hervorragenden Begabung als Organisator
und Geschäftsmann verdankt.

Die Diamantgruben waren zuerst in den Händen von mehr als tausend
Eigentümern. Allmählich bildeten sich Gesellschaften, doch noch 1885 gab es



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[0170] Lecil Rhodes und ihrer Aktionäre ab, die gerade in den einflußreichsten Kreisen Englands zu finden sind. Wie Rhodes bei den Abschiedsbanketten im Kaplande in seinen Reden darlegte, sieht er den Ausschuß mit großer Ruhe an; denn er weiß, daß ihn die Reichsregierung nicht fallen lassen kann. Er hat den Kolonial¬ minister Chamberlain so sicher in der Tasche, wie dieser die übrigen Mitglieder des Kabinetts. Machen wir uns also darauf gefaßt, daß ihm nicht nur kein Haar gekrümmt werden, sondern daß er mit vermehrtem Ansehen nach dem Kap zurückkehren wird. Ein merkwürdiger Mann, dieser Rhodes! Ein Konquistador in der Tracht des neunzehnten Jahrhunderts, ein Cortez oder Pizarro in Glacehandschuhen. Aber als er seinerzeit die Heimat verließ, ahnte niemand, und er selbst wohl am wenigsten, welche Laufbahn ihm bevorstand. In Oxford, wo er in Oriel College seinen Studien oblag, hatte er sich auf dem Flusse ein Lungenleiden zugezogen. Etwa sechs Monate noch hatte ihm der Arzt gegeben, und in dem milden tuberkelseindlichen Klima Südafrikas lag seine letzte Hoffnung. Die Hoffnung erfüllte sich. Dem Fortschritt der Krankheit wurde Halt geboten, und es folgte vollständige Genesung. So fand sich Rhodes durch einen Zufall auf einen Boden versetzt, der einem thatkräftigen Charakter und festen Willen ein fast unbeschränktes Feld der Thätigkeit eröffnete. Beides hatte er. Er selbst hat einmal erklärt, wenn sich ein Mensch so in einen Gedanken vertiefe, daß er ganz darin aufgehe, so sei er auch imstande, ihn auszuführen. Daß ihm von Beginn seiner Laufbahn an ein festes Ziel vorgeschwebt habe, möchten wir freilich bezweifeln. Wahrscheinlicher ist es bei den afrika¬ nischen Verhältnissen, daß sich seine Ziele erst allmählich bildeten, je nachdem die Dinge lagen. Daß er aber jetzt ein bedeutendes Ziel im Auge hat, wo er eine ganze Nation hinter sich weiß, ist nicht in Frage zu stellen, und daß es kein Leichtes ist, seiner Thatkraft zu begegnen, ist auch sicher. Man kann mit Recht sagen, daß ihm die Umstände bei seinem raschen Aufsteigen günstig ge¬ wesen sind, doch ist auch nicht zu vergessen, daß nur ein bedeutender Mann die Umstände auszunutzen versteht. Über sein früheres Leben wissen wir wenig. Eine soeben erschienene Bio¬ graphie^) behandelt sogar sein Geburtsjahr mit frauenzimmerlicher Diskretion, und ob er namhafte Funde gemacht hat, muß dahingestellt bleiben. Sicher ist nur, daß er sein Vermögen und seine Stellung nicht seiner eignen Arbeit auf den Diamantfeldern, sondern seiner hervorragenden Begabung als Organisator und Geschäftsmann verdankt. Die Diamantgruben waren zuerst in den Händen von mehr als tausend Eigentümern. Allmählich bildeten sich Gesellschaften, doch noch 1885 gab es *) Lsei.1 lidoäos, Ä LivFraxd^ arul L.Mro<zi-^tioll, Hz? ImxsriÄUst, xsrsnrml Romillisosllc-hö dz^ Dr. ^->.msso». 1,onäou, 1897,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224927/170>, abgerufen am 23.07.2024.