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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr.

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Line Geschichte von Florenz

Politik festgehalten hat, und wie diese Bürger politisch weiser gewesen sind
als ihr mit Recht verbannter großer Mitbürger Dante.") Diese politische Weis¬
heit, die nichts andres ist als ein zu wunderbarer Feinheit entwickelter Instinkt
der Selbsterhaltung in einem ganzen Gemeinwesen, war der Stadt schon in den
Zeiten Gregors und Mathildens eigen, wo sie aus der Unterthänigkeit unter
Kaiser und Markgraf herausstrebte. Alle Konjunkturen der Kämpfe zwischen
Kaiser und Papst, zwischen Adel und Städten, zwischen den Städten selbst
wußte sie aufs geschickteste auszunutzen. Nur die zunächst gelegnen kleiner"
Städte wurden bis zur Vernichtung bekämpft, Fiesole ward einmal zerstört;
der fernern und mächtigern, Pisa und Lucca, suchte man sich mehr mit diplo¬
matischen Künsten und geschickten Bündnissen zu erwehren; mit Pisa war
Florenz im elften und zwölften Jahrhundert meistens befreundet und verbündet.
Dem gewaltigen Barbarossa und seinen beiden gewaltigen Kanzlern, Rainald
von Köln und Christian von Mainz, war die Stadt natürlich nicht gewachsen,
jahrelang mußte sie unterducken und die getreue Unterthanin spielen; aber sie
verlor auch in dieser Lage ihre Ziele nicht einen Augenblick aus den Auge"
und schnellte bei jeder Verminderung des Druckes wie ein Gummiball in die
Höhe. Auch einem Barbarossa unterwarf sie sich uicht, ohne Widerstand zu
versuchen; trotzig, und dieses erstemal ungestraft, verschloß sie ihm auf seinem
ersten Römerzuge die Thore. "Wenn die Künstler späterer Zeiten mit unver-
sieglicher Vorliebe den Knaben David meißelten, der des Geistes voll gegen
den Riesen kämpfte, so schufen sie unbewußt das Bild der Vaterstadt in den
Anfänge" ihrer Entwicklung, wie sie die trotzig bewehrte Hand gegen jede
Übergewalt erhob." Und die Art und Weise, wie Friedrich die italienischen
Angelegenheiten "ordnete," war nicht geeignet, sie an ihren: Streben nach
munizipaler Freiheit irre zu machen. Brennende Städte beleuchteten den Weg
des schreckliche!? Kaisers. Und nicht seine Truppen allein plünderten: unter
seinem Schutz erhoben die gedemütigten Burgherren aufs neue ihre Häupter;
unter dem Vorwande, dem Kaiser die Rebellen zu unterwerfen, raubten sie
lustig drauf los. Daß Friedrich seine Zeit nicht verstanden hat und darum
auch nichts dauerhaftes begründen konnte, das wird heute wohl allgemein an¬
erkannt, nachdem der Glanz seiner Augenblickserfolge die Völker und die Ge¬
schichtsschreiber lange Zeit hindurch geblendet hatte. "Wie immer, schreibt
Davidsohn, ging die politische Reaktion mit der wirtschaftlichen Hand in Hand."
Unter andern: suchte der Kaiser die zahlreichen Güter, die aus dein Besitz von



Ganz so urteilt n, a, O, S, 14^ Snntini, Dante habe einen von der Kirche unab¬
hängigen reinen Laien- und Rechtsstaat im Sinne gehabt, der der legitime Nachfolger des
römischen Imperiums sein sollte, er habe aber übersehen, daß der Staat die Nationalitnt zur
Grundlage haben müsse, daß die Ausführung seines Planes Italien ins Mittelalter zurück¬
geschleudert, und die ganze Kulturarbeit der Kommunen vernichtet haben würde; Is. sui iäo", in
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Line Geschichte von Florenz

Politik festgehalten hat, und wie diese Bürger politisch weiser gewesen sind
als ihr mit Recht verbannter großer Mitbürger Dante.") Diese politische Weis¬
heit, die nichts andres ist als ein zu wunderbarer Feinheit entwickelter Instinkt
der Selbsterhaltung in einem ganzen Gemeinwesen, war der Stadt schon in den
Zeiten Gregors und Mathildens eigen, wo sie aus der Unterthänigkeit unter
Kaiser und Markgraf herausstrebte. Alle Konjunkturen der Kämpfe zwischen
Kaiser und Papst, zwischen Adel und Städten, zwischen den Städten selbst
wußte sie aufs geschickteste auszunutzen. Nur die zunächst gelegnen kleiner»
Städte wurden bis zur Vernichtung bekämpft, Fiesole ward einmal zerstört;
der fernern und mächtigern, Pisa und Lucca, suchte man sich mehr mit diplo¬
matischen Künsten und geschickten Bündnissen zu erwehren; mit Pisa war
Florenz im elften und zwölften Jahrhundert meistens befreundet und verbündet.
Dem gewaltigen Barbarossa und seinen beiden gewaltigen Kanzlern, Rainald
von Köln und Christian von Mainz, war die Stadt natürlich nicht gewachsen,
jahrelang mußte sie unterducken und die getreue Unterthanin spielen; aber sie
verlor auch in dieser Lage ihre Ziele nicht einen Augenblick aus den Auge»
und schnellte bei jeder Verminderung des Druckes wie ein Gummiball in die
Höhe. Auch einem Barbarossa unterwarf sie sich uicht, ohne Widerstand zu
versuchen; trotzig, und dieses erstemal ungestraft, verschloß sie ihm auf seinem
ersten Römerzuge die Thore. „Wenn die Künstler späterer Zeiten mit unver-
sieglicher Vorliebe den Knaben David meißelten, der des Geistes voll gegen
den Riesen kämpfte, so schufen sie unbewußt das Bild der Vaterstadt in den
Anfänge» ihrer Entwicklung, wie sie die trotzig bewehrte Hand gegen jede
Übergewalt erhob." Und die Art und Weise, wie Friedrich die italienischen
Angelegenheiten „ordnete," war nicht geeignet, sie an ihren: Streben nach
munizipaler Freiheit irre zu machen. Brennende Städte beleuchteten den Weg
des schreckliche!? Kaisers. Und nicht seine Truppen allein plünderten: unter
seinem Schutz erhoben die gedemütigten Burgherren aufs neue ihre Häupter;
unter dem Vorwande, dem Kaiser die Rebellen zu unterwerfen, raubten sie
lustig drauf los. Daß Friedrich seine Zeit nicht verstanden hat und darum
auch nichts dauerhaftes begründen konnte, das wird heute wohl allgemein an¬
erkannt, nachdem der Glanz seiner Augenblickserfolge die Völker und die Ge¬
schichtsschreiber lange Zeit hindurch geblendet hatte. „Wie immer, schreibt
Davidsohn, ging die politische Reaktion mit der wirtschaftlichen Hand in Hand."
Unter andern: suchte der Kaiser die zahlreichen Güter, die aus dein Besitz von



Ganz so urteilt n, a, O, S, 14^ Snntini, Dante habe einen von der Kirche unab¬
hängigen reinen Laien- und Rechtsstaat im Sinne gehabt, der der legitime Nachfolger des
römischen Imperiums sein sollte, er habe aber übersehen, daß der Staat die Nationalitnt zur
Grundlage haben müsse, daß die Ausführung seines Planes Italien ins Mittelalter zurück¬
geschleudert, und die ganze Kulturarbeit der Kommunen vernichtet haben würde; Is. sui iäo», in
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224245/648>, abgerufen am 27.09.2024.