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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr.

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Der Zusammenhang von Äußerer und innerer Politik

Zunächst mußten die Stände anerkannt werden, um die Mittel für den
Schutz des Staates nach außen zu erhalten. Nachdem dessen Existenz not¬
dürftig gesichert war, galt es, in der Staatsverwaltung und in der Wohl¬
habenheit des Volks die Grundlagen der äußern Machtstellung zu schaffen.
Der Staatswehr gilt in erster Linie die Begründung der absoluten Monarchie,
"die Stabilirung der Souveränität," ihr gilt die Theorie des Merkantilsystems.

Schon bald nach dem Kriege machte der Kurfürst einen Versuch, den
erforderlichen Ersatz vom Lande aufheben zu lassen, aber so weit war mau
noch nicht; wie natürlich, scheiterte der Versuch an dem Widerstand der Stände,
und so blieb nur Werbung übrig. Diese mußte um so leichter sein, als von
dem langen Kriege eine große Zahl abgedankter Soldaten, die nicht mehr zu
andern Gewerben überzugehen Lust hatten, übrig geblieben war. Sie fanden
damit ein Unterkommen und einen Lebensberuf. An eine Verschmelzung des
Soldatenstandes mit den übrigen Teilen des Volks war noch lange nicht zu
denken, dazu halten sich die geschiednen Teile viel zu lange feindlich gegen¬
über gestanden; wer Soldat wurde, schied damit ans seinem bürgerlichen
Verhältnis aus.

Blieb somit der Kriegerstand als besondre Kaste bestehen, so gelang es
doch, das Heer mit der Zeit wenigstens wieder in die Hand des Staat: -
oberhanptes zu bringen. Eine der wichtigsten Einrichtungen, die ans diesen
Zweck gerichtet war, bestand in den Kriegskommissaren: sie waren sozusagen
Deputirte des Landesherrn, die darauf zu sehen hatten, daß Fürst und Land
nicht durch die Söldnerführer übervorteilt wurden. Der Große Kurfürst betont
in seinen Erlassen an erster Stelle, daß ihn die regelmäßige Zahlung des
Soldes auch berechtige, allen Übergriffen zu wehren. Die Offiziere mußten sich
in den Quartieren von Kommissären und Magistraten ihr Wohlverhalten
bescheinigen lassen. Schrittweise wurde das Feld dem Einflüsse des Landes¬
herr" unterworfen*); freilich liefen auch in seiner Hand allein die gemein¬
samen Interessen des Landes und des Heeres zusammen. Aber die Verbindung
war noch keine organische: das Volk wurde als ein Ertrag gehendes Ding
augesehen und sah seinerseits die Regierung als den Feind an, der sich überall,
wo er könne, alles Eigentums zu bemächtigen trachte. So blieben die Interessen
auch von Volk und Regierung getrennt.

Solange der Kampf gegen die Stunde währte, blieb das platte Land
der Herrschaft des Adels unterworfen; erst als er völlig entschieden war,
konnte die Negierung an eine .Heranziehung der bäuerlichen Bevölkerung in
größer": Maße zur Rekrutirung der Armee denken. Mit dein unmittelbaren
Nutzen, den der Bauer für den Staat gewinnt, wächst anch die staatliche Fürsorge
für den Stand. Die Banernpolitik Friedrich Wilhelms I. und Friedrichs II.



5) Mit zuletzt fiel die Eigenwirtschaft der Kompagnien im Jahre i.807.
Der Zusammenhang von Äußerer und innerer Politik

Zunächst mußten die Stände anerkannt werden, um die Mittel für den
Schutz des Staates nach außen zu erhalten. Nachdem dessen Existenz not¬
dürftig gesichert war, galt es, in der Staatsverwaltung und in der Wohl¬
habenheit des Volks die Grundlagen der äußern Machtstellung zu schaffen.
Der Staatswehr gilt in erster Linie die Begründung der absoluten Monarchie,
„die Stabilirung der Souveränität," ihr gilt die Theorie des Merkantilsystems.

Schon bald nach dem Kriege machte der Kurfürst einen Versuch, den
erforderlichen Ersatz vom Lande aufheben zu lassen, aber so weit war mau
noch nicht; wie natürlich, scheiterte der Versuch an dem Widerstand der Stände,
und so blieb nur Werbung übrig. Diese mußte um so leichter sein, als von
dem langen Kriege eine große Zahl abgedankter Soldaten, die nicht mehr zu
andern Gewerben überzugehen Lust hatten, übrig geblieben war. Sie fanden
damit ein Unterkommen und einen Lebensberuf. An eine Verschmelzung des
Soldatenstandes mit den übrigen Teilen des Volks war noch lange nicht zu
denken, dazu halten sich die geschiednen Teile viel zu lange feindlich gegen¬
über gestanden; wer Soldat wurde, schied damit ans seinem bürgerlichen
Verhältnis aus.

Blieb somit der Kriegerstand als besondre Kaste bestehen, so gelang es
doch, das Heer mit der Zeit wenigstens wieder in die Hand des Staat: -
oberhanptes zu bringen. Eine der wichtigsten Einrichtungen, die ans diesen
Zweck gerichtet war, bestand in den Kriegskommissaren: sie waren sozusagen
Deputirte des Landesherrn, die darauf zu sehen hatten, daß Fürst und Land
nicht durch die Söldnerführer übervorteilt wurden. Der Große Kurfürst betont
in seinen Erlassen an erster Stelle, daß ihn die regelmäßige Zahlung des
Soldes auch berechtige, allen Übergriffen zu wehren. Die Offiziere mußten sich
in den Quartieren von Kommissären und Magistraten ihr Wohlverhalten
bescheinigen lassen. Schrittweise wurde das Feld dem Einflüsse des Landes¬
herr« unterworfen*); freilich liefen auch in seiner Hand allein die gemein¬
samen Interessen des Landes und des Heeres zusammen. Aber die Verbindung
war noch keine organische: das Volk wurde als ein Ertrag gehendes Ding
augesehen und sah seinerseits die Regierung als den Feind an, der sich überall,
wo er könne, alles Eigentums zu bemächtigen trachte. So blieben die Interessen
auch von Volk und Regierung getrennt.

Solange der Kampf gegen die Stunde währte, blieb das platte Land
der Herrschaft des Adels unterworfen; erst als er völlig entschieden war,
konnte die Negierung an eine .Heranziehung der bäuerlichen Bevölkerung in
größer«: Maße zur Rekrutirung der Armee denken. Mit dein unmittelbaren
Nutzen, den der Bauer für den Staat gewinnt, wächst anch die staatliche Fürsorge
für den Stand. Die Banernpolitik Friedrich Wilhelms I. und Friedrichs II.



5) Mit zuletzt fiel die Eigenwirtschaft der Kompagnien im Jahre i.807.
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[0632] Der Zusammenhang von Äußerer und innerer Politik Zunächst mußten die Stände anerkannt werden, um die Mittel für den Schutz des Staates nach außen zu erhalten. Nachdem dessen Existenz not¬ dürftig gesichert war, galt es, in der Staatsverwaltung und in der Wohl¬ habenheit des Volks die Grundlagen der äußern Machtstellung zu schaffen. Der Staatswehr gilt in erster Linie die Begründung der absoluten Monarchie, „die Stabilirung der Souveränität," ihr gilt die Theorie des Merkantilsystems. Schon bald nach dem Kriege machte der Kurfürst einen Versuch, den erforderlichen Ersatz vom Lande aufheben zu lassen, aber so weit war mau noch nicht; wie natürlich, scheiterte der Versuch an dem Widerstand der Stände, und so blieb nur Werbung übrig. Diese mußte um so leichter sein, als von dem langen Kriege eine große Zahl abgedankter Soldaten, die nicht mehr zu andern Gewerben überzugehen Lust hatten, übrig geblieben war. Sie fanden damit ein Unterkommen und einen Lebensberuf. An eine Verschmelzung des Soldatenstandes mit den übrigen Teilen des Volks war noch lange nicht zu denken, dazu halten sich die geschiednen Teile viel zu lange feindlich gegen¬ über gestanden; wer Soldat wurde, schied damit ans seinem bürgerlichen Verhältnis aus. Blieb somit der Kriegerstand als besondre Kaste bestehen, so gelang es doch, das Heer mit der Zeit wenigstens wieder in die Hand des Staat: - oberhanptes zu bringen. Eine der wichtigsten Einrichtungen, die ans diesen Zweck gerichtet war, bestand in den Kriegskommissaren: sie waren sozusagen Deputirte des Landesherrn, die darauf zu sehen hatten, daß Fürst und Land nicht durch die Söldnerführer übervorteilt wurden. Der Große Kurfürst betont in seinen Erlassen an erster Stelle, daß ihn die regelmäßige Zahlung des Soldes auch berechtige, allen Übergriffen zu wehren. Die Offiziere mußten sich in den Quartieren von Kommissären und Magistraten ihr Wohlverhalten bescheinigen lassen. Schrittweise wurde das Feld dem Einflüsse des Landes¬ herr« unterworfen*); freilich liefen auch in seiner Hand allein die gemein¬ samen Interessen des Landes und des Heeres zusammen. Aber die Verbindung war noch keine organische: das Volk wurde als ein Ertrag gehendes Ding augesehen und sah seinerseits die Regierung als den Feind an, der sich überall, wo er könne, alles Eigentums zu bemächtigen trachte. So blieben die Interessen auch von Volk und Regierung getrennt. Solange der Kampf gegen die Stunde währte, blieb das platte Land der Herrschaft des Adels unterworfen; erst als er völlig entschieden war, konnte die Negierung an eine .Heranziehung der bäuerlichen Bevölkerung in größer«: Maße zur Rekrutirung der Armee denken. Mit dein unmittelbaren Nutzen, den der Bauer für den Staat gewinnt, wächst anch die staatliche Fürsorge für den Stand. Die Banernpolitik Friedrich Wilhelms I. und Friedrichs II. 5) Mit zuletzt fiel die Eigenwirtschaft der Kompagnien im Jahre i.807.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224245/632>, abgerufen am 27.09.2024.