Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr.Karl V. und die Fugger ganzen Substanz zu dienen. Das ist etwas ganz andres, als was die Anekdote Diese finanzpolitische Lage der Zeit Karls V. ist von großem Interesse, - Die längst begonnene Umwandlung der frühmittelalterlichen Naturalwirt¬ Grenzboten I 1897 till
Karl V. und die Fugger ganzen Substanz zu dienen. Das ist etwas ganz andres, als was die Anekdote Diese finanzpolitische Lage der Zeit Karls V. ist von großem Interesse, - Die längst begonnene Umwandlung der frühmittelalterlichen Naturalwirt¬ Grenzboten I 1897 till
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0529" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/224775"/> <fw type="header" place="top"> Karl V. und die Fugger</fw><lb/> <p xml:id="ID_1587" prev="#ID_1586"> ganzen Substanz zu dienen. Das ist etwas ganz andres, als was die Anekdote<lb/> erzählt. Es ist nicht ein Stück Romanze, sondern eine verbindliche Ablehnung<lb/> weiterer gefährlicher Geschäfte mit dem Kaiser. Um diese Pille zu versüßen,<lb/> streicht Fugger einige ältere, wahrscheinlich uneinbringliche Forderungen. Das<lb/> heißt wie ein Kaufmann gedacht und gehandelt. Mag aber die Geschichte aus<lb/> diesem Anlaß oder aus der gebräuchlichen Redensart: Wechsel verbrennen<lb/> entstanden oder frei erfunden sein, jedenfalls stellt sie eine finanzpolitische Lage<lb/> in anschaulicher, auf den Raum eines Bildes zusammengedrängter Form dar.</p><lb/> <p xml:id="ID_1588"> Diese finanzpolitische Lage der Zeit Karls V. ist von großem Interesse,<lb/> nicht bloß in Bezug auf die Kenntnis der Vergangenheit, sondern auch als<lb/> Lehre für die Gegenwart. Wir verdanken hierüber dem Verfasser des Zeit¬<lb/> alters der Fugger, Dr. Richard Ehrenberg, ein ausgezeichnetes Werk.<lb/> Über seinen zweiten Teil ist schon neulich berichtet worden. Hier folgen wir<lb/> den Ausführungen des ersten Teils und zeigen mit einigen Strichen die Be¬<lb/> deutung der großen Finanzlcute des sechzehnten Jahrhunderts für die Geschichte<lb/> ihrer Zeit. Wir beschränken uns dabei ans die beiden hervorragendsten Er¬<lb/> scheinungen jener Zeit, auf Karl V. und Fugger.</p><lb/> <p xml:id="ID_1589" next="#ID_1590"> - Die längst begonnene Umwandlung der frühmittelalterlichen Naturalwirt¬<lb/> schaft zur Geld- und Kreditwirtschaft nahm im Zeitalter der Renaissance einen<lb/> sehr schnellen Verlauf. Das Geld wurde der nsrvu8 roruiu, ganz be¬<lb/> sonders im Kriegswesen. Aus dieser Zeit stammt das geflügelte Wort, daß<lb/> zum Kriege Geld, Geld und nochmals Geld nötig sei, freilich auch das<lb/> Wort Macchiavells, daß die Menschenkmst beim Kriege die Hauptsache sei.<lb/> Der Waffendienst, einst die Sache lehnspflichtiger Leute, war zum Handwerk<lb/> und schließlich zur Großindustrie geworden. Die Kriegführenden legten ihren<lb/> Auftrag in die Hände von Privatunternehmern, Coudottieri; diese nahmen<lb/> den Fürsten vorher die Ausbildung und Leitung der Heere ab, aber nicht die<lb/> Unterhaltung. Die Unterhaltung der Heere kostete aber erstaunlich viel Geld. Im<lb/> Jahre 1532 berechnete Schenrl die Kosten eines Heeres von durchschnittlicher Größe<lb/> mit Sold, aber ohne Proviant auf 500000 Mark. Der Aufwand der spanischen<lb/> Krone für die Bekämpfung des niederländischen Aufstands betrug durchschnittlich<lb/> zwei bis drei Millionen Goldkronen im Jahre. Welche Kriegskosten jener<lb/> Zeit überhaupt entstanden, ist daraus zu sehen, daß nur ein Viertel des ganzen<lb/> sechzehnten Jahrhunderts ohne große Kriegsunternehmungen war. Die Ein¬<lb/> nahmen der Fürsten waren aber zum großen Teile Naturaleinkünfte; wenn Gelder<lb/> einkamen, so waren sie doch nicht zur rechten Zeit am rechten Orte vorhanden-<lb/> Überdies waren die Einkünfte dem Bedarf gegenüber unzureichend. Um Geld<lb/> zu schaffen, veräußerte man Krongut, ein verzweifeltes Mittel, oder man borgte,<lb/> wobei Einnahmequellen verpfändet wurden. Denn eine andre Sicherheit, daß<lb/> der Fürst seinen Verpflichtungen nachkommen werde, gab es eigentlich nicht —<lb/> gerade so, wie heute im Orient, War doch das Geldgeschäft noch immer mit</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten I 1897 till</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0529]
Karl V. und die Fugger
ganzen Substanz zu dienen. Das ist etwas ganz andres, als was die Anekdote
erzählt. Es ist nicht ein Stück Romanze, sondern eine verbindliche Ablehnung
weiterer gefährlicher Geschäfte mit dem Kaiser. Um diese Pille zu versüßen,
streicht Fugger einige ältere, wahrscheinlich uneinbringliche Forderungen. Das
heißt wie ein Kaufmann gedacht und gehandelt. Mag aber die Geschichte aus
diesem Anlaß oder aus der gebräuchlichen Redensart: Wechsel verbrennen
entstanden oder frei erfunden sein, jedenfalls stellt sie eine finanzpolitische Lage
in anschaulicher, auf den Raum eines Bildes zusammengedrängter Form dar.
Diese finanzpolitische Lage der Zeit Karls V. ist von großem Interesse,
nicht bloß in Bezug auf die Kenntnis der Vergangenheit, sondern auch als
Lehre für die Gegenwart. Wir verdanken hierüber dem Verfasser des Zeit¬
alters der Fugger, Dr. Richard Ehrenberg, ein ausgezeichnetes Werk.
Über seinen zweiten Teil ist schon neulich berichtet worden. Hier folgen wir
den Ausführungen des ersten Teils und zeigen mit einigen Strichen die Be¬
deutung der großen Finanzlcute des sechzehnten Jahrhunderts für die Geschichte
ihrer Zeit. Wir beschränken uns dabei ans die beiden hervorragendsten Er¬
scheinungen jener Zeit, auf Karl V. und Fugger.
- Die längst begonnene Umwandlung der frühmittelalterlichen Naturalwirt¬
schaft zur Geld- und Kreditwirtschaft nahm im Zeitalter der Renaissance einen
sehr schnellen Verlauf. Das Geld wurde der nsrvu8 roruiu, ganz be¬
sonders im Kriegswesen. Aus dieser Zeit stammt das geflügelte Wort, daß
zum Kriege Geld, Geld und nochmals Geld nötig sei, freilich auch das
Wort Macchiavells, daß die Menschenkmst beim Kriege die Hauptsache sei.
Der Waffendienst, einst die Sache lehnspflichtiger Leute, war zum Handwerk
und schließlich zur Großindustrie geworden. Die Kriegführenden legten ihren
Auftrag in die Hände von Privatunternehmern, Coudottieri; diese nahmen
den Fürsten vorher die Ausbildung und Leitung der Heere ab, aber nicht die
Unterhaltung. Die Unterhaltung der Heere kostete aber erstaunlich viel Geld. Im
Jahre 1532 berechnete Schenrl die Kosten eines Heeres von durchschnittlicher Größe
mit Sold, aber ohne Proviant auf 500000 Mark. Der Aufwand der spanischen
Krone für die Bekämpfung des niederländischen Aufstands betrug durchschnittlich
zwei bis drei Millionen Goldkronen im Jahre. Welche Kriegskosten jener
Zeit überhaupt entstanden, ist daraus zu sehen, daß nur ein Viertel des ganzen
sechzehnten Jahrhunderts ohne große Kriegsunternehmungen war. Die Ein¬
nahmen der Fürsten waren aber zum großen Teile Naturaleinkünfte; wenn Gelder
einkamen, so waren sie doch nicht zur rechten Zeit am rechten Orte vorhanden-
Überdies waren die Einkünfte dem Bedarf gegenüber unzureichend. Um Geld
zu schaffen, veräußerte man Krongut, ein verzweifeltes Mittel, oder man borgte,
wobei Einnahmequellen verpfändet wurden. Denn eine andre Sicherheit, daß
der Fürst seinen Verpflichtungen nachkommen werde, gab es eigentlich nicht —
gerade so, wie heute im Orient, War doch das Geldgeschäft noch immer mit
Grenzboten I 1897 till
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