Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches Umsturz losarbeitenden Führer und Schürer? Wir wissen sehr gut, dnß da wenig Weiter heißt es dann in den Hamburger Nachrichten: Nicht viel anders sei Es wäre sehr zu beklagen, wenn der kaiserliche Aufruf zum Kampfe gegen Sozialwissenschaftliche Studien. Vor kurzem hat in München Professor Maßgebliches und Unmaßgebliches Umsturz losarbeitenden Führer und Schürer? Wir wissen sehr gut, dnß da wenig Weiter heißt es dann in den Hamburger Nachrichten: Nicht viel anders sei Es wäre sehr zu beklagen, wenn der kaiserliche Aufruf zum Kampfe gegen Sozialwissenschaftliche Studien. Vor kurzem hat in München Professor <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0511" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/224757"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_1529" prev="#ID_1528"> Umsturz losarbeitenden Führer und Schürer? Wir wissen sehr gut, dnß da wenig<lb/> zu bekehren sein wird, daß, wer toll ist, toll bleibt. Aber es handelt sich doch<lb/> anch und vor allem um die Masse der verführten, blindgläubigen Arbeiter, denen<lb/> die Endziele der Führer höchst gleichgiltig und ganz unklar sind, die aber in treuer<lb/> Kameradschaft fest zu denen halten zu müssen glauben, die scheinbar allein oder<lb/> doch am aufopferndsten ihre Interessen vertreten. Wie kann man da die „geistigen<lb/> Waffen" einfach als unbrauchbar beiseite werfen? Wenn Religion und Kirche jemals<lb/> etwas mit geistigen Waffen erkämpft haben, dann siud sie auch im Kampfe gegen<lb/> die Sozialdemokratie am Platze. Es ist ein Hohn ans unsre ganze christliche Kultur,<lb/> wenn man in dieser Weise nach dem Beifall der Krautjunker und Protzen hascht,<lb/> die auf das Schlagwort von der Untauglichkeit der „geistigen Waffen" hin im<lb/> Hochgefühl ihrer überlegnen „Praxis" natürlich sofort den Stock und die Reit¬<lb/> gerte schwingen. Aber es ist auch die ausgesprochenste Mißachtung des Unter¬<lb/> schiedes zwischen Sozialdemokratie und Arbeiterschaft, und der Himmel bewahre unser<lb/> Volk davor, daß bei dem notwendigen Kampfe gegen die Sozialdemokratie dieser<lb/> Unterschied etwa nicht überall scharf zum Ausdruck gebracht werden sollte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1530"> Weiter heißt es dann in den Hamburger Nachrichten: Nicht viel anders sei<lb/> es, soweit die Wirkung auf die Sozialdemokratie in Frage komme, mit der „Sozial¬<lb/> reform," Diese finde „ihren Ausgangspunkt in rein menschlichen Motiven" (was<lb/> heißt das?). Sie habe — wenigstens wenn man sich auf die Aufgaben beschränke,<lb/> die ihr dnrch die kaiserliche Botschaft vom 17. November 1881 zugewiesen seien —<lb/> den Zweck, die Härten zu mildern, die den Arbeitern „bei Erwerbsunfähigkeit,"<lb/> gleichviel aus welche» Ursachen, bedrohen. „Sie will den Staat in die Lage<lb/> bringen, sich sagen zu dürfen, das er das Seinige gethan habe, und daß die Ver¬<lb/> antwortung allein der sozialistischen Verhetzung zufalle, wenn sich die Verhältnisse<lb/> einmal so zuspitzen sollten, daß der Staat genötigt wäre, seine Existenzberechtigung<lb/> und die der bürgerlichen Gesellschaft den Sozialdemokraten gegenüber im materiellen<lb/> Kampfe erweisen zu müssen. Wer andre Erfolge mit der Sozialdemokratie er¬<lb/> reichen zu können hofft, täuscht sich." Das also wird für die Sozialrefvrm, für<lb/> die Arbeiterfrcnndlichkeit Kaiser Wilhelms I. ausgegeben? Wir können uns keine<lb/> ärgere Schmähung des Andenkens dieses großen Monarchen mit dem warmen, für<lb/> die Armen und Schwachen schlagenden Herzen denken.</p><lb/> <p xml:id="ID_1531"> Es wäre sehr zu beklagen, wenn der kaiserliche Aufruf zum Kampfe gegen<lb/> die Sozialdemokratie nicht bald ergänzt würde durch einen unzweideutigen Beweis,<lb/> daß der Kaiser und seine Regierung die Politik ehrlicher Arbeiterfreundlichkeit, wie<lb/> sie dem Willen des ersten Kaisers allein entspricht und in den Erlassen von 1890<lb/> zum bündigen Versprechen geformt worden ist, unbeirrt fortsetzen wird, trotz aller<lb/> Gemeingefährlichkeit der Sozialdemokratie. Das deutsche Volk wird dann freudig<lb/> einschlagen in die Hand des Kaisers und treu zu ihm stehen in allen Gefahren<lb/> des großen nationalen Kulturkampfes, zu dem er aufruft, das deutsche Volk wird<lb/> dann auch mit aufrichtiger Dankbarkeit den in diesem Kampfe vor allem unent¬<lb/> behrlichen gerechten, selbständigen und Verantwortlicher Mitarbeitern des Kaisers<lb/> den Lohn zu teil werde» lassen, der ihnen gebührt. Die persönlichen Schmähungen,<lb/> die das Hamburger Blatt am Schluß seines Artikels auch diesmal wieder gegen<lb/> die Regierung des Kaisers richtet, werden es darin nicht beirre».</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> Sozialwissenschaftliche Studien.</head> <p xml:id="ID_1532" next="#ID_1533"> Vor kurzem hat in München Professor<lb/> Brentano zur Eröffnung der Thätigkeit eines Sozialwissenschaftlichen Studentenvereins<lb/> einen Vortrag über die Stellung der Studenten zu den sozialpolitischen Aufgaben</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0511]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
Umsturz losarbeitenden Führer und Schürer? Wir wissen sehr gut, dnß da wenig
zu bekehren sein wird, daß, wer toll ist, toll bleibt. Aber es handelt sich doch
anch und vor allem um die Masse der verführten, blindgläubigen Arbeiter, denen
die Endziele der Führer höchst gleichgiltig und ganz unklar sind, die aber in treuer
Kameradschaft fest zu denen halten zu müssen glauben, die scheinbar allein oder
doch am aufopferndsten ihre Interessen vertreten. Wie kann man da die „geistigen
Waffen" einfach als unbrauchbar beiseite werfen? Wenn Religion und Kirche jemals
etwas mit geistigen Waffen erkämpft haben, dann siud sie auch im Kampfe gegen
die Sozialdemokratie am Platze. Es ist ein Hohn ans unsre ganze christliche Kultur,
wenn man in dieser Weise nach dem Beifall der Krautjunker und Protzen hascht,
die auf das Schlagwort von der Untauglichkeit der „geistigen Waffen" hin im
Hochgefühl ihrer überlegnen „Praxis" natürlich sofort den Stock und die Reit¬
gerte schwingen. Aber es ist auch die ausgesprochenste Mißachtung des Unter¬
schiedes zwischen Sozialdemokratie und Arbeiterschaft, und der Himmel bewahre unser
Volk davor, daß bei dem notwendigen Kampfe gegen die Sozialdemokratie dieser
Unterschied etwa nicht überall scharf zum Ausdruck gebracht werden sollte.
Weiter heißt es dann in den Hamburger Nachrichten: Nicht viel anders sei
es, soweit die Wirkung auf die Sozialdemokratie in Frage komme, mit der „Sozial¬
reform," Diese finde „ihren Ausgangspunkt in rein menschlichen Motiven" (was
heißt das?). Sie habe — wenigstens wenn man sich auf die Aufgaben beschränke,
die ihr dnrch die kaiserliche Botschaft vom 17. November 1881 zugewiesen seien —
den Zweck, die Härten zu mildern, die den Arbeitern „bei Erwerbsunfähigkeit,"
gleichviel aus welche» Ursachen, bedrohen. „Sie will den Staat in die Lage
bringen, sich sagen zu dürfen, das er das Seinige gethan habe, und daß die Ver¬
antwortung allein der sozialistischen Verhetzung zufalle, wenn sich die Verhältnisse
einmal so zuspitzen sollten, daß der Staat genötigt wäre, seine Existenzberechtigung
und die der bürgerlichen Gesellschaft den Sozialdemokraten gegenüber im materiellen
Kampfe erweisen zu müssen. Wer andre Erfolge mit der Sozialdemokratie er¬
reichen zu können hofft, täuscht sich." Das also wird für die Sozialrefvrm, für
die Arbeiterfrcnndlichkeit Kaiser Wilhelms I. ausgegeben? Wir können uns keine
ärgere Schmähung des Andenkens dieses großen Monarchen mit dem warmen, für
die Armen und Schwachen schlagenden Herzen denken.
Es wäre sehr zu beklagen, wenn der kaiserliche Aufruf zum Kampfe gegen
die Sozialdemokratie nicht bald ergänzt würde durch einen unzweideutigen Beweis,
daß der Kaiser und seine Regierung die Politik ehrlicher Arbeiterfreundlichkeit, wie
sie dem Willen des ersten Kaisers allein entspricht und in den Erlassen von 1890
zum bündigen Versprechen geformt worden ist, unbeirrt fortsetzen wird, trotz aller
Gemeingefährlichkeit der Sozialdemokratie. Das deutsche Volk wird dann freudig
einschlagen in die Hand des Kaisers und treu zu ihm stehen in allen Gefahren
des großen nationalen Kulturkampfes, zu dem er aufruft, das deutsche Volk wird
dann auch mit aufrichtiger Dankbarkeit den in diesem Kampfe vor allem unent¬
behrlichen gerechten, selbständigen und Verantwortlicher Mitarbeitern des Kaisers
den Lohn zu teil werde» lassen, der ihnen gebührt. Die persönlichen Schmähungen,
die das Hamburger Blatt am Schluß seines Artikels auch diesmal wieder gegen
die Regierung des Kaisers richtet, werden es darin nicht beirre».
Sozialwissenschaftliche Studien. Vor kurzem hat in München Professor
Brentano zur Eröffnung der Thätigkeit eines Sozialwissenschaftlichen Studentenvereins
einen Vortrag über die Stellung der Studenten zu den sozialpolitischen Aufgaben
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