Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr.Goethes Lieder in den Kompositionen seiner Zeitgenossen sind selbstverständliche Dinge. Vielleicht hatte er darin gelegentlich noch etwas In den Anmerkungen zu deu einzelnen Liedern teilt Fricdlünder allerlei ') Vei Schulz ficht nberi nur ums; um" ihn mit dein Beknnnien selbst nicht verwechseln.
Goethes Lieder in den Kompositionen seiner Zeitgenossen sind selbstverständliche Dinge. Vielleicht hatte er darin gelegentlich noch etwas In den Anmerkungen zu deu einzelnen Liedern teilt Fricdlünder allerlei ') Vei Schulz ficht nberi nur ums; um» ihn mit dein Beknnnien selbst nicht verwechseln.
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0450" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/224696"/> <fw type="header" place="top"> Goethes Lieder in den Kompositionen seiner Zeitgenossen</fw><lb/> <p xml:id="ID_1315" prev="#ID_1314"> sind selbstverständliche Dinge. Vielleicht hatte er darin gelegentlich noch etwas<lb/> weiter gehen können, z. B. die Takteinteilung verbessern. Gleich in dem ersten<lb/> Breitkopfschen Liede verrät sich der Dilettant. Der Text hat vierfüßige<lb/> Trochäen; diese hat Breitkopf durch Dehnung des zweiten und vierten Fußes zu<lb/> Dreivierteltakt breitgezogen, dabei aber nicht gemerkt, daß nun das erste Viertel<lb/> zum Auftakt wird; so teilt er das ganze Lied falsch ein: 3 1 2 j 3 1 2 j usw.<lb/> In Zelters „Über allen Gipfeln" (S. 63) muß es aus Zeile 3 in der Ver¬<lb/> zierung der Singstimme wohl s statt vis heißen; wenigstens ist in zwei Exem¬<lb/> plaren des Originaldrucks, die beide unmittelbar von der Verlagshandlung<lb/> bezogen worden sind, die Stelle (mit andern Druckfehlern des Heftes) von<lb/> alter Hand, also höchst wahrscheinlich auf Zelters Wunsch, so verbessert.<lb/> Einige Lieder hat Friedländer „transvonirt" (höher oder tiefer gesetzt). In<lb/> deu meisten Fällen macht er davon Mitteilung, aber nicht immer. Rombergs<lb/> „An deu Mond" (Ur. 39) geht im Original in v-aur, nicht in L-cor. Auch<lb/> bei Zelters Lied an Mignon (Über Thal und Fluß getragen) fehlt die Angabe,<lb/> daß es im ersten Druck (in Schillers Musenalmanach für 1798) in L-cor,<lb/> nicht in ^-ckur geht. Ein paarmal hat Friedländer Änderungen vorgenommen,<lb/> zu denen keine Nötigung vorlag, so in Ur. 11 (Corona Schröter), 36 (Kayser),<lb/> 3? (Ruhe). Die Vorschläge versichert er ausdrücklich überall genau wie in deu<lb/> Originalen geschrieben zu haben, aber auch das ist nicht durchgeführt; in<lb/> Ur. 18 (Seckendorff) fehlt einmal ein Vorschlag ganz, zweimal ist ein Achtel<lb/> mit Vorschlag als zwei Sechzehntel geschrieben.</p><lb/> <p xml:id="ID_1316" next="#ID_1317"> In den Anmerkungen zu deu einzelnen Liedern teilt Fricdlünder allerlei<lb/> Geschichtliches mit, was er über „unser" Lied, „unsre" Komposition, „unser"<lb/> Veilchen, „unsern" Nachtgesang — so schreibt er immer — zu erzählen weiß,<lb/> giebt manchmal biographische Nachrichten über den Komponisten, manchmal<lb/> auch nicht, lagert nachträgliche Funde hier ab, führt zu einzelnen musikalischen<lb/> Stellen bisweilen Parallelstellen an, versucht auch einzelne Kompositionen zu<lb/> charakterisiren oder giebt die Urteile andrer darüber. Manches hat er offenbar<lb/> nur geschrieben, um etwas zu schreiben. Die Anmerkung zu Rombergs „An<lb/> deu Mond" (Ur. 39) beginnt: „In den Melodien habe ich mich ver höchsten<lb/> Simplieitüt und Faßlichkeit beflissen, ja auf alle Weise den Schein des Be¬<lb/> kannten darinzubringen gesucht. In diesem Schein des Bekannten liegt das<lb/> ganze Geheimnis des Volkstons; nur muß man ihn nicht mit dem Bekannten<lb/> selbst verwechseln." Jeder Leser muß glauben, das habe Romberg gesagt.<lb/> Gott bewahre! „So spricht sich Johann Abraham Peter Schulz in der Vor¬<lb/> rede zu seinen Liedern im Volkston 1785 aus.°'°) Nach dieser goldenen Regel<lb/> hat sich Romberg in den vorliegenden Liedern gerichtet." In der Anmerkung<lb/> zu Ur. 73 (Nachtgesang von Walter Goethe) teilt Friedländer noch ein zweites</p><lb/> <note xml:id="FID_36" place="foot"> ') Vei Schulz ficht nberi nur ums; um» ihn mit dein Beknnnien selbst nicht verwechseln.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0450]
Goethes Lieder in den Kompositionen seiner Zeitgenossen
sind selbstverständliche Dinge. Vielleicht hatte er darin gelegentlich noch etwas
weiter gehen können, z. B. die Takteinteilung verbessern. Gleich in dem ersten
Breitkopfschen Liede verrät sich der Dilettant. Der Text hat vierfüßige
Trochäen; diese hat Breitkopf durch Dehnung des zweiten und vierten Fußes zu
Dreivierteltakt breitgezogen, dabei aber nicht gemerkt, daß nun das erste Viertel
zum Auftakt wird; so teilt er das ganze Lied falsch ein: 3 1 2 j 3 1 2 j usw.
In Zelters „Über allen Gipfeln" (S. 63) muß es aus Zeile 3 in der Ver¬
zierung der Singstimme wohl s statt vis heißen; wenigstens ist in zwei Exem¬
plaren des Originaldrucks, die beide unmittelbar von der Verlagshandlung
bezogen worden sind, die Stelle (mit andern Druckfehlern des Heftes) von
alter Hand, also höchst wahrscheinlich auf Zelters Wunsch, so verbessert.
Einige Lieder hat Friedländer „transvonirt" (höher oder tiefer gesetzt). In
deu meisten Fällen macht er davon Mitteilung, aber nicht immer. Rombergs
„An deu Mond" (Ur. 39) geht im Original in v-aur, nicht in L-cor. Auch
bei Zelters Lied an Mignon (Über Thal und Fluß getragen) fehlt die Angabe,
daß es im ersten Druck (in Schillers Musenalmanach für 1798) in L-cor,
nicht in ^-ckur geht. Ein paarmal hat Friedländer Änderungen vorgenommen,
zu denen keine Nötigung vorlag, so in Ur. 11 (Corona Schröter), 36 (Kayser),
3? (Ruhe). Die Vorschläge versichert er ausdrücklich überall genau wie in deu
Originalen geschrieben zu haben, aber auch das ist nicht durchgeführt; in
Ur. 18 (Seckendorff) fehlt einmal ein Vorschlag ganz, zweimal ist ein Achtel
mit Vorschlag als zwei Sechzehntel geschrieben.
In den Anmerkungen zu deu einzelnen Liedern teilt Fricdlünder allerlei
Geschichtliches mit, was er über „unser" Lied, „unsre" Komposition, „unser"
Veilchen, „unsern" Nachtgesang — so schreibt er immer — zu erzählen weiß,
giebt manchmal biographische Nachrichten über den Komponisten, manchmal
auch nicht, lagert nachträgliche Funde hier ab, führt zu einzelnen musikalischen
Stellen bisweilen Parallelstellen an, versucht auch einzelne Kompositionen zu
charakterisiren oder giebt die Urteile andrer darüber. Manches hat er offenbar
nur geschrieben, um etwas zu schreiben. Die Anmerkung zu Rombergs „An
deu Mond" (Ur. 39) beginnt: „In den Melodien habe ich mich ver höchsten
Simplieitüt und Faßlichkeit beflissen, ja auf alle Weise den Schein des Be¬
kannten darinzubringen gesucht. In diesem Schein des Bekannten liegt das
ganze Geheimnis des Volkstons; nur muß man ihn nicht mit dem Bekannten
selbst verwechseln." Jeder Leser muß glauben, das habe Romberg gesagt.
Gott bewahre! „So spricht sich Johann Abraham Peter Schulz in der Vor¬
rede zu seinen Liedern im Volkston 1785 aus.°'°) Nach dieser goldenen Regel
hat sich Romberg in den vorliegenden Liedern gerichtet." In der Anmerkung
zu Ur. 73 (Nachtgesang von Walter Goethe) teilt Friedländer noch ein zweites
') Vei Schulz ficht nberi nur ums; um» ihn mit dein Beknnnien selbst nicht verwechseln.
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