Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr.Der Friede von Abif Abeba und seine Folgen des March-Belesa-Multa! Heute weht der Wind anders, und England schickt Es giebt Leute, die behaupten: der Artikel 4 habe die vorstehende Fassung Eher möchten wir annehmen, daß Menelik durch einen andern Grund Weniger bedenklich, wenn auch etwas befremdlich erscheint der fünfte Artikel 5. Bis zur endgiltigen Festsetzung der Grenze verpflichtet sich die Hier ist zunächst eins zu bemerken. Aus der telegraphischen Fassung Der Friede von Abif Abeba und seine Folgen des March-Belesa-Multa! Heute weht der Wind anders, und England schickt Es giebt Leute, die behaupten: der Artikel 4 habe die vorstehende Fassung Eher möchten wir annehmen, daß Menelik durch einen andern Grund Weniger bedenklich, wenn auch etwas befremdlich erscheint der fünfte Artikel 5. Bis zur endgiltigen Festsetzung der Grenze verpflichtet sich die Hier ist zunächst eins zu bemerken. Aus der telegraphischen Fassung <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0277" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/224523"/> <fw type="header" place="top"> Der Friede von Abif Abeba und seine Folgen</fw><lb/> <p xml:id="ID_743" prev="#ID_742"> des March-Belesa-Multa! Heute weht der Wind anders, und England schickt<lb/> sich schon an, mit behaglichem Schmunzeln die Erbschaft anzutreten.</p><lb/> <p xml:id="ID_744"> Es giebt Leute, die behaupten: der Artikel 4 habe die vorstehende Fassung<lb/> nur erhalten, um der italienischen Regierung Zeit zur Vorbereitung des Landes<lb/> auf die Räumung der Südprovinzen (d. h. des besten Gebietsteils der Kolonie<lb/> für Besiedlungszwecke), wenn nicht der ganzen Kolonie, zu lassen. Von andrer<lb/> Seite wird geltend gemacht, Menelik habe die March-Velesa-Multa-Grenze nicht<lb/> ohne weiteres bewilligt, weil die mit den Erfolgen des Krieges unzufriednen<lb/> Reis des Tigrö dagegen Einspruch erhoben hätten. Dieser Grund ist nicht<lb/> ganz von der Hand zu weisen, doch glauben wir, daß sie Meneliks Befehl<lb/> nicht mißachten werden. Daß sie ohne seine Hilfe dem italienischen Kolonial¬<lb/> heer nicht gewachsen sind, dürften sie aus der Vorgeschichte des letzten Krieges<lb/> gelernt haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_745"> Eher möchten wir annehmen, daß Menelik durch einen andern Grund<lb/> bestimmt worden sei. Wäre nicht, wie inzwischen durch Freigebung des Schiffes<lb/> geschehen ist, die Doelwykangelegenheit nach seinem Wunsch geregelt worden,<lb/> oder entspräche die Entschädigung für den Unterhalt der Gefangnen nicht seinen<lb/> Erwartungen, so hätte er es in der Hand, die Italiener bei der Grenzberich¬<lb/> tigung — oder -Verlegung? — seinen Unmut fühlen zu lassen.</p><lb/> <p xml:id="ID_746"> Weniger bedenklich, wenn auch etwas befremdlich erscheint der fünfte<lb/> Artikel.</p><lb/> <p xml:id="ID_747"> Artikel 5. Bis zur endgiltigen Festsetzung der Grenze verpflichtet sich die<lb/> italienische Regierung, keinerlei Gebiet ein eine fremde Macht abzutreten. Für<lb/> den Fall, daß sie freiwillig einen Teil ihres Gebiets aufgeben sollte, wird sie ihn<lb/> um Äthiopier ausfolgern.</p><lb/> <p xml:id="ID_748" next="#ID_749"> Hier ist zunächst eins zu bemerken. Aus der telegraphischen Fassung<lb/> mußte man den Schluß ziehen, daß hier nur Gebietsteile in Frage kommen<lb/> könnten, die dem Szepter des Negus Regest früher einmal unterworfen waren,<lb/> denn dort hieß es, sie sollten an Abessinien zurückfallen. Dementsprechend<lb/> wurde dem römischen Vertreter des Standard die amtliche (?) Versicherung ge¬<lb/> geben, der Artikel könne sich nicht auf Kassala beziehen, „da dieser Ort nicht<lb/> Abessinien, sondern den Derwischen entrissen worden sei und nicht zu den<lb/> zwischen Italien und Abessinien streitigen Gebieten gehöre." Aber was heißt<lb/> »früher"? Die Provinz Takci, deren Hauptort Kasfala ist, wurde den Abessi-<lb/> niern nach langem, unangefochtenem Besitz 1822 von Mehemed Ali entrissen<lb/> und zu Ägypten geschlagen. Und noch mehr: als im Jahre 1885 Euglaud-<lb/> Aghpten vor dem Andrang der Mahdisten den Sudan räumte, bewog es den<lb/> Negus Regest Johannes, einer Anzahl abgeschnittener Besatzungen den rettenden<lb/> Durchmarsch durch Nordabessinien zur Küste zu gestatten. Zum Dank dafür<lb/> gab es ihm in den Bogoslcindern (Keren) und Taka freie Hand. Der cibessi-<lb/> "ische Versuch, sich Kassalas thatsächlich zu bemächtigen, führte am 23. Sey-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0277]
Der Friede von Abif Abeba und seine Folgen
des March-Belesa-Multa! Heute weht der Wind anders, und England schickt
sich schon an, mit behaglichem Schmunzeln die Erbschaft anzutreten.
Es giebt Leute, die behaupten: der Artikel 4 habe die vorstehende Fassung
nur erhalten, um der italienischen Regierung Zeit zur Vorbereitung des Landes
auf die Räumung der Südprovinzen (d. h. des besten Gebietsteils der Kolonie
für Besiedlungszwecke), wenn nicht der ganzen Kolonie, zu lassen. Von andrer
Seite wird geltend gemacht, Menelik habe die March-Velesa-Multa-Grenze nicht
ohne weiteres bewilligt, weil die mit den Erfolgen des Krieges unzufriednen
Reis des Tigrö dagegen Einspruch erhoben hätten. Dieser Grund ist nicht
ganz von der Hand zu weisen, doch glauben wir, daß sie Meneliks Befehl
nicht mißachten werden. Daß sie ohne seine Hilfe dem italienischen Kolonial¬
heer nicht gewachsen sind, dürften sie aus der Vorgeschichte des letzten Krieges
gelernt haben.
Eher möchten wir annehmen, daß Menelik durch einen andern Grund
bestimmt worden sei. Wäre nicht, wie inzwischen durch Freigebung des Schiffes
geschehen ist, die Doelwykangelegenheit nach seinem Wunsch geregelt worden,
oder entspräche die Entschädigung für den Unterhalt der Gefangnen nicht seinen
Erwartungen, so hätte er es in der Hand, die Italiener bei der Grenzberich¬
tigung — oder -Verlegung? — seinen Unmut fühlen zu lassen.
Weniger bedenklich, wenn auch etwas befremdlich erscheint der fünfte
Artikel.
Artikel 5. Bis zur endgiltigen Festsetzung der Grenze verpflichtet sich die
italienische Regierung, keinerlei Gebiet ein eine fremde Macht abzutreten. Für
den Fall, daß sie freiwillig einen Teil ihres Gebiets aufgeben sollte, wird sie ihn
um Äthiopier ausfolgern.
Hier ist zunächst eins zu bemerken. Aus der telegraphischen Fassung
mußte man den Schluß ziehen, daß hier nur Gebietsteile in Frage kommen
könnten, die dem Szepter des Negus Regest früher einmal unterworfen waren,
denn dort hieß es, sie sollten an Abessinien zurückfallen. Dementsprechend
wurde dem römischen Vertreter des Standard die amtliche (?) Versicherung ge¬
geben, der Artikel könne sich nicht auf Kassala beziehen, „da dieser Ort nicht
Abessinien, sondern den Derwischen entrissen worden sei und nicht zu den
zwischen Italien und Abessinien streitigen Gebieten gehöre." Aber was heißt
»früher"? Die Provinz Takci, deren Hauptort Kasfala ist, wurde den Abessi-
niern nach langem, unangefochtenem Besitz 1822 von Mehemed Ali entrissen
und zu Ägypten geschlagen. Und noch mehr: als im Jahre 1885 Euglaud-
Aghpten vor dem Andrang der Mahdisten den Sudan räumte, bewog es den
Negus Regest Johannes, einer Anzahl abgeschnittener Besatzungen den rettenden
Durchmarsch durch Nordabessinien zur Küste zu gestatten. Zum Dank dafür
gab es ihm in den Bogoslcindern (Keren) und Taka freie Hand. Der cibessi-
"ische Versuch, sich Kassalas thatsächlich zu bemächtigen, führte am 23. Sey-
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