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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr.

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Die Verkehrsmittel in Deutsch-Ostafrika

zu unscheinbare Aufgabe ist, bei der nicht so viel Ruhm zu ernten ist, wie
in dem zu Heldenthaten reizenden Jnnerafrika. Hoffentlich ist nun die Zeit
der Ruhmsucht vorbei und die Zeit redlichen Schaffens gekommen. Es würde
sich sicher der Mühe lohnen, die Flüsse der Kolonie zu erforschen, weil sich
sehr bald zeigen würde, daß nur die Erschließung der Flußläufe dem Schmerzens-
kinde der deutsch-kolonialen Bestrebungen zu wirtschaftlichem Aufschwung ver¬
helfen kann.

Die Schissbarkeit des Pangani ist in feinem Unterlauf festgestellt in einem
Gebiet, das für Znckerrohranbau wie geschaffen ist. Der Flußschiffahrtsverkehr
würde sich hier höchst einfach gestalten, da durch die Flut die Kähne strom¬
auf getrieben werden würden, während sie zur Zeit der Ebbe mit Rückladung
stromab treiben könnten. Wie die Verhältnisse im Mittel- und im Oberlauf
des Pangani sind, ist noch nicht mit Gewißheit festgestellt, doch müßte sich
auch dort ein Verkehr mit Flößen oder Treidelkähnen streckenweise ermöglichen
lassen.

Eine ungleich größere Bedeutung darf der Rufitschi beanspruchen, von
dem schon Kapitän Malcolm 1873 sagte, "er verspräche, der ostafrikanische
Rhein zu werden." Man braucht nur einen Blick auf die Karte zu werfen,
um den unermeßlichen Wert dieses Flusses für unsre Kolonie zu begreifen.
Seine beiden mächtigen Quellflüsse Ruaha und Ulanga führen bis ins Herz
der Kolonie. Der Ruaha entspringt unweit des Nordendes des Nyasscisces
auf dem Kondeplateau, in einer Gegend, die man für kohlcnreich hält. Dann
durchströmt er ein bisher unbekanntes Hochland Nrori, auf das man alle Hoff¬
nungen für Viehzucht und Reisknltur setzt. Von links nimmt er dann den
Kisigo auf, den Fluß Ugogos, dann fließt er ständig ostwärts bis zu seiner
Einmündung in den Rufitschi. Der Ulanga ist zwar kartographisch festgelegt,
wie weit er aber schiffbar ist, ist bisher nicht erkundet. Nur von dem Unter¬
lauf bis zu den Panganisällen weiß man, daß er schiffbar ist. Für diesen
Unterlauf hat uach Wißmanns Angaben die Regierung bereits einen Heckrad¬
dampfer in Bau gegeben. Das wäre wenigstens ein Anfang. Alles deutet
darauf hin, daß das Gebiet des Rufitschi unser Indien ist; das Delta ist von
äußerster Fruchtbarkeit, in Asche und Mahenge (Ausfuhr über Mohorro-
Kilva) wächst Reis, der nach der amtlichen Denkschrift (1894/95, S. 62) den
indischen übertrifft, und die Gebiete, in denen er rationell angebaut werden
könnte, sind unermeßlich. Dazu kommt der Viehreichtum des Landes. Es ist
daher unverständlich, warum man sich mit kleinlichen Versuchen plagt, während
hier ein großer und sicherer Gewinn winkt. Es ist geradezu schmachvoll, daß
unsre Kolonie jetzt aus Indien Reis im Werte von Millionen beziehen muß,
während sie doch berufen ist, dieses Land bei Hungersnöten zu versorgen.
Wenn es noch eines Grundes für die Notwendigkeit einer schnellen Erforschung
des Rufitschi bedürfte, so brauchte mau uur auf die Wahehegefahr zu weisen.


Grenzboten I 1807 LZ,
Die Verkehrsmittel in Deutsch-Ostafrika

zu unscheinbare Aufgabe ist, bei der nicht so viel Ruhm zu ernten ist, wie
in dem zu Heldenthaten reizenden Jnnerafrika. Hoffentlich ist nun die Zeit
der Ruhmsucht vorbei und die Zeit redlichen Schaffens gekommen. Es würde
sich sicher der Mühe lohnen, die Flüsse der Kolonie zu erforschen, weil sich
sehr bald zeigen würde, daß nur die Erschließung der Flußläufe dem Schmerzens-
kinde der deutsch-kolonialen Bestrebungen zu wirtschaftlichem Aufschwung ver¬
helfen kann.

Die Schissbarkeit des Pangani ist in feinem Unterlauf festgestellt in einem
Gebiet, das für Znckerrohranbau wie geschaffen ist. Der Flußschiffahrtsverkehr
würde sich hier höchst einfach gestalten, da durch die Flut die Kähne strom¬
auf getrieben werden würden, während sie zur Zeit der Ebbe mit Rückladung
stromab treiben könnten. Wie die Verhältnisse im Mittel- und im Oberlauf
des Pangani sind, ist noch nicht mit Gewißheit festgestellt, doch müßte sich
auch dort ein Verkehr mit Flößen oder Treidelkähnen streckenweise ermöglichen
lassen.

Eine ungleich größere Bedeutung darf der Rufitschi beanspruchen, von
dem schon Kapitän Malcolm 1873 sagte, „er verspräche, der ostafrikanische
Rhein zu werden." Man braucht nur einen Blick auf die Karte zu werfen,
um den unermeßlichen Wert dieses Flusses für unsre Kolonie zu begreifen.
Seine beiden mächtigen Quellflüsse Ruaha und Ulanga führen bis ins Herz
der Kolonie. Der Ruaha entspringt unweit des Nordendes des Nyasscisces
auf dem Kondeplateau, in einer Gegend, die man für kohlcnreich hält. Dann
durchströmt er ein bisher unbekanntes Hochland Nrori, auf das man alle Hoff¬
nungen für Viehzucht und Reisknltur setzt. Von links nimmt er dann den
Kisigo auf, den Fluß Ugogos, dann fließt er ständig ostwärts bis zu seiner
Einmündung in den Rufitschi. Der Ulanga ist zwar kartographisch festgelegt,
wie weit er aber schiffbar ist, ist bisher nicht erkundet. Nur von dem Unter¬
lauf bis zu den Panganisällen weiß man, daß er schiffbar ist. Für diesen
Unterlauf hat uach Wißmanns Angaben die Regierung bereits einen Heckrad¬
dampfer in Bau gegeben. Das wäre wenigstens ein Anfang. Alles deutet
darauf hin, daß das Gebiet des Rufitschi unser Indien ist; das Delta ist von
äußerster Fruchtbarkeit, in Asche und Mahenge (Ausfuhr über Mohorro-
Kilva) wächst Reis, der nach der amtlichen Denkschrift (1894/95, S. 62) den
indischen übertrifft, und die Gebiete, in denen er rationell angebaut werden
könnte, sind unermeßlich. Dazu kommt der Viehreichtum des Landes. Es ist
daher unverständlich, warum man sich mit kleinlichen Versuchen plagt, während
hier ein großer und sicherer Gewinn winkt. Es ist geradezu schmachvoll, daß
unsre Kolonie jetzt aus Indien Reis im Werte von Millionen beziehen muß,
während sie doch berufen ist, dieses Land bei Hungersnöten zu versorgen.
Wenn es noch eines Grundes für die Notwendigkeit einer schnellen Erforschung
des Rufitschi bedürfte, so brauchte mau uur auf die Wahehegefahr zu weisen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224245/169>, abgerufen am 27.09.2024.