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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr.

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Unsre Postdamxferlinien

nannte, ein kaiserlicher Schutzbrief erteilt, durch den die Gebiete unter den
Schutz des deutschen Reichs gestellt wurden. Dasselbe Jahr brachte eine be¬
deutende Erweiterung dieses Besitzes; Graf Pfeil, Jühlke, Hörnecke, Weiß und
andre erwarben 1885 das gewaltige Gebiet, das jene Landschaften umschließt
und sich nördlich bis zur Straße von Aden, südlich bis zum Rovuma und
westlich bis zum Nyassa, Tangcmjika- und Ukerewesce erstreckt, zusammen eine
Ländermasse von etwa 30 000 deutschen Quadratmeilen. Durch das deutsch¬
englische Abkommen vom 29. Oktober 1886 über die Abgrenzung des Sultanats
von Sansibar und der beiderseitigen Interessensphären wurde freilich der deutsche
Besitz wieder wesentlich eingeschränkt. Der Sultan erhielt eine Küstenlinie von
zehn Seemeilen Tiefe landeinwärts; als Nordgrenze des deutschen Gebiets
nahmen die vertragschließenden Mächte die Linie an, die noch heute den
deutschen vom britischen Besitz in Ostafrika scheidet. Durch einen besondern
Vertrag mit Portugal wurde der Rovuma zur Südgrenze Deutsch-Ostafrikas
bestimmt. Und da der Küstenstreifen, der im Besitz des Sultans vou Sansibar
gelassen worden war, das deutsche Gebiet von der Küste abschnitt, was den
Verkehr mit diesem Gebiete sehr erschwerte, so war Deutschland darauf bedacht,
auch den Küstenstreifen zu erwerben. Dies geschah durch die im September
1887 und im April 1888 mit dem Sultan abgeschlossenen Verträge.

Es ergab sich nun die Notwendigkeit, zur Hebung des deutscheu Handels
mit den ostafrikanischen Gebieten, sowie zur Herstellung einer gesicherten und
regelmäßigen Verbindung der Schutzgebiete mit Deutschland eine eigne deutsche
Dampferliuie nach Ostafrika zu schaffen. Am 5. Januar 1890 wurde daher
dem Reichstage der Entwurf eines Gesetzes vorgelegt, betreffend die Verwen¬
dung von Geldmitteln aus Neichsfonds zur Einrichtung und Unterhaltung
einer Postdampfschiffverbiudung zwischen Deutschland und Ostafrika. Darnach
sollte der Reichskanzler ermächtigt werden, die Einrichtung und Unterhaltung
einer regelmäßigen Postdampfschiffverbindung zwischen Deutschland und Ost¬
afrika ans eine Dauer bis zu zehn Jahren an geeignete deutsche Unternehmer
zu verdingen und in dem darüber abzuschließenden Vertrage eine Beihilfe bis
zum Betrage von 900000 Mark jährlich zu bewilligen. Der Entwurf war
im wesentlichen folgendermaßen begründet. Die an der Ostküste Afrikas sich
hinziehende regelmäßige Dampfschiffverbindung von Aden über Mozambique
und einige andre Küstenplätze bis Kapstadt befinde sich in britischen Besitz und
werde von England und Portugal unterstützt; sie diene daher vorzugsweise
den Interessen dieser beiden Länder. Es bestehe zwar zwischen ihr und den
Neichspvstdampferlinien nach Ostasten und Australien ein Übergangsverkehr in
Aden; dieser sei aber deshalb unzulänglich, weil bei Raummangel auf den
britischen Schiffen stets die deutschen Waren zurückgestellt würden und dann
oft Wochen-, ja selbst monatelangen Verzögerungen ausgesetzt seien. Der den
Umweg über England nehmende deutsch-afrikanische Verkehr leide durch den


Grenzboten I 1897 15
Unsre Postdamxferlinien

nannte, ein kaiserlicher Schutzbrief erteilt, durch den die Gebiete unter den
Schutz des deutschen Reichs gestellt wurden. Dasselbe Jahr brachte eine be¬
deutende Erweiterung dieses Besitzes; Graf Pfeil, Jühlke, Hörnecke, Weiß und
andre erwarben 1885 das gewaltige Gebiet, das jene Landschaften umschließt
und sich nördlich bis zur Straße von Aden, südlich bis zum Rovuma und
westlich bis zum Nyassa, Tangcmjika- und Ukerewesce erstreckt, zusammen eine
Ländermasse von etwa 30 000 deutschen Quadratmeilen. Durch das deutsch¬
englische Abkommen vom 29. Oktober 1886 über die Abgrenzung des Sultanats
von Sansibar und der beiderseitigen Interessensphären wurde freilich der deutsche
Besitz wieder wesentlich eingeschränkt. Der Sultan erhielt eine Küstenlinie von
zehn Seemeilen Tiefe landeinwärts; als Nordgrenze des deutschen Gebiets
nahmen die vertragschließenden Mächte die Linie an, die noch heute den
deutschen vom britischen Besitz in Ostafrika scheidet. Durch einen besondern
Vertrag mit Portugal wurde der Rovuma zur Südgrenze Deutsch-Ostafrikas
bestimmt. Und da der Küstenstreifen, der im Besitz des Sultans vou Sansibar
gelassen worden war, das deutsche Gebiet von der Küste abschnitt, was den
Verkehr mit diesem Gebiete sehr erschwerte, so war Deutschland darauf bedacht,
auch den Küstenstreifen zu erwerben. Dies geschah durch die im September
1887 und im April 1888 mit dem Sultan abgeschlossenen Verträge.

Es ergab sich nun die Notwendigkeit, zur Hebung des deutscheu Handels
mit den ostafrikanischen Gebieten, sowie zur Herstellung einer gesicherten und
regelmäßigen Verbindung der Schutzgebiete mit Deutschland eine eigne deutsche
Dampferliuie nach Ostafrika zu schaffen. Am 5. Januar 1890 wurde daher
dem Reichstage der Entwurf eines Gesetzes vorgelegt, betreffend die Verwen¬
dung von Geldmitteln aus Neichsfonds zur Einrichtung und Unterhaltung
einer Postdampfschiffverbiudung zwischen Deutschland und Ostafrika. Darnach
sollte der Reichskanzler ermächtigt werden, die Einrichtung und Unterhaltung
einer regelmäßigen Postdampfschiffverbindung zwischen Deutschland und Ost¬
afrika ans eine Dauer bis zu zehn Jahren an geeignete deutsche Unternehmer
zu verdingen und in dem darüber abzuschließenden Vertrage eine Beihilfe bis
zum Betrage von 900000 Mark jährlich zu bewilligen. Der Entwurf war
im wesentlichen folgendermaßen begründet. Die an der Ostküste Afrikas sich
hinziehende regelmäßige Dampfschiffverbindung von Aden über Mozambique
und einige andre Küstenplätze bis Kapstadt befinde sich in britischen Besitz und
werde von England und Portugal unterstützt; sie diene daher vorzugsweise
den Interessen dieser beiden Länder. Es bestehe zwar zwischen ihr und den
Neichspvstdampferlinien nach Ostasten und Australien ein Übergangsverkehr in
Aden; dieser sei aber deshalb unzulänglich, weil bei Raummangel auf den
britischen Schiffen stets die deutschen Waren zurückgestellt würden und dann
oft Wochen-, ja selbst monatelangen Verzögerungen ausgesetzt seien. Der den
Umweg über England nehmende deutsch-afrikanische Verkehr leide durch den


Grenzboten I 1897 15
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[0121] Unsre Postdamxferlinien nannte, ein kaiserlicher Schutzbrief erteilt, durch den die Gebiete unter den Schutz des deutschen Reichs gestellt wurden. Dasselbe Jahr brachte eine be¬ deutende Erweiterung dieses Besitzes; Graf Pfeil, Jühlke, Hörnecke, Weiß und andre erwarben 1885 das gewaltige Gebiet, das jene Landschaften umschließt und sich nördlich bis zur Straße von Aden, südlich bis zum Rovuma und westlich bis zum Nyassa, Tangcmjika- und Ukerewesce erstreckt, zusammen eine Ländermasse von etwa 30 000 deutschen Quadratmeilen. Durch das deutsch¬ englische Abkommen vom 29. Oktober 1886 über die Abgrenzung des Sultanats von Sansibar und der beiderseitigen Interessensphären wurde freilich der deutsche Besitz wieder wesentlich eingeschränkt. Der Sultan erhielt eine Küstenlinie von zehn Seemeilen Tiefe landeinwärts; als Nordgrenze des deutschen Gebiets nahmen die vertragschließenden Mächte die Linie an, die noch heute den deutschen vom britischen Besitz in Ostafrika scheidet. Durch einen besondern Vertrag mit Portugal wurde der Rovuma zur Südgrenze Deutsch-Ostafrikas bestimmt. Und da der Küstenstreifen, der im Besitz des Sultans vou Sansibar gelassen worden war, das deutsche Gebiet von der Küste abschnitt, was den Verkehr mit diesem Gebiete sehr erschwerte, so war Deutschland darauf bedacht, auch den Küstenstreifen zu erwerben. Dies geschah durch die im September 1887 und im April 1888 mit dem Sultan abgeschlossenen Verträge. Es ergab sich nun die Notwendigkeit, zur Hebung des deutscheu Handels mit den ostafrikanischen Gebieten, sowie zur Herstellung einer gesicherten und regelmäßigen Verbindung der Schutzgebiete mit Deutschland eine eigne deutsche Dampferliuie nach Ostafrika zu schaffen. Am 5. Januar 1890 wurde daher dem Reichstage der Entwurf eines Gesetzes vorgelegt, betreffend die Verwen¬ dung von Geldmitteln aus Neichsfonds zur Einrichtung und Unterhaltung einer Postdampfschiffverbiudung zwischen Deutschland und Ostafrika. Darnach sollte der Reichskanzler ermächtigt werden, die Einrichtung und Unterhaltung einer regelmäßigen Postdampfschiffverbindung zwischen Deutschland und Ost¬ afrika ans eine Dauer bis zu zehn Jahren an geeignete deutsche Unternehmer zu verdingen und in dem darüber abzuschließenden Vertrage eine Beihilfe bis zum Betrage von 900000 Mark jährlich zu bewilligen. Der Entwurf war im wesentlichen folgendermaßen begründet. Die an der Ostküste Afrikas sich hinziehende regelmäßige Dampfschiffverbindung von Aden über Mozambique und einige andre Küstenplätze bis Kapstadt befinde sich in britischen Besitz und werde von England und Portugal unterstützt; sie diene daher vorzugsweise den Interessen dieser beiden Länder. Es bestehe zwar zwischen ihr und den Neichspvstdampferlinien nach Ostasten und Australien ein Übergangsverkehr in Aden; dieser sei aber deshalb unzulänglich, weil bei Raummangel auf den britischen Schiffen stets die deutschen Waren zurückgestellt würden und dann oft Wochen-, ja selbst monatelangen Verzögerungen ausgesetzt seien. Der den Umweg über England nehmende deutsch-afrikanische Verkehr leide durch den Grenzboten I 1897 15

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224245/121>, abgerufen am 27.09.2024.