Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.Strafprozeßordnung schon erfolgen soll, wenn der Angeschuldigte einer straf¬ Friedmann freilich stellt die Sache so dar, als ob mit dem Gutachten *) S. 45 der Fnedmannschen Schrift: los souxyons äirigös oontrs tut no xaraisssävnt
x"s suküs"minore tomlÄ. Die Worte sind allerdings zweideutig. LuMsawmsllt könnte an sich ebenso gut "dringend" wie "hinreichend" bedeuten. Strafprozeßordnung schon erfolgen soll, wenn der Angeschuldigte einer straf¬ Friedmann freilich stellt die Sache so dar, als ob mit dem Gutachten *) S. 45 der Fnedmannschen Schrift: los souxyons äirigös oontrs tut no xaraisssävnt
x»s suküs»minore tomlÄ. Die Worte sind allerdings zweideutig. LuMsawmsllt könnte an sich ebenso gut „dringend" wie „hinreichend" bedeuten. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0079" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/223663"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_221" prev="#ID_220"> Strafprozeßordnung schon erfolgen soll, wenn der Angeschuldigte einer straf¬<lb/> baren Handlung auch nur hinreichend verdächtig erscheint, so darf der Ange¬<lb/> schuldigte nach 8 112 und 123 nur dann in Untersuchungshaft genommen<lb/> oder behalten werden, wenn dringende Verdachtsgründe gegen ihn vorliegen.<lb/> Hebt das Gericht deu Haftbefehl auf, weil keine dringenden Verdachtsgrüude<lb/> mehr vorliegen, so können immer noch hinreichende Verdachtsgründe übrig<lb/> bleiben, die die Fortführung der Untersuchung, ja die Eröffnung des Haupt-<lb/> verfahreus vollkommen rechtfertigen können. Wenn also General v. Pape<lb/> ans Grund jenes Gutachtens den dringenden Verdacht sür beseitigt hielt, so<lb/> mußte er allerdings nach Z 123 die Aushebung der Untersuchungshaft veran¬<lb/> lassen. Diese Maßregel besagt aber auch weiter nichts, als daß eben ein die<lb/> Untersuchungshaft rechtfertigender dringender Verdacht nicht mehr vorlag.*)<lb/> Sie gestattet aber nicht den Schluß, daß Herr v. Pape nunmehr jeden die<lb/> weitere Fortführung der Untersuchung rechtfertigenden hinlänglichen Verdacht<lb/> für beseitigt gehalten habe. Im Gegenteil: hätte er diese weitergehende Über¬<lb/> zeugung gehabt, so würde er nach H 102 der Militärstrafgerichtsordnung so<lb/> befugt wie verpflichtet gewesen sein, das ganze Verfahren durch Verfügung ein¬<lb/> zustellen. Das hat er nicht gethan, und sonach muß wohl auch er noch nach<lb/> dem Eingange des Gutachtens von dem fortdauernden Bestehen hinreichender<lb/> Verdachtsgründe überzeugt gewesen sein.</p><lb/> <p xml:id="ID_222" next="#ID_223"> Friedmann freilich stellt die Sache so dar, als ob mit dem Gutachten<lb/> des Sachverständigen die Sache ein sür allemal endgiltig erledigt ge¬<lb/> wesen sei. Aber was bewies denn dieses Gutachten im günstigsten Falle?<lb/> Doch immer nur, daß Herr v. Kotze die anonymen Briefe nicht eigenhändig<lb/> geschrieben hatte. Ihr Urheber konnte er dessenungeachtet sein, und wenn<lb/> anders bestimmte Anzeichen für seine Urheberschaft sprachen, so wurden diese<lb/> nicht entfernt schon dnrch den Nachweis entkräftet, daß er sich zu der<lb/> mechanischen Thätigkeit des Schreibens einer fremden Hand bedient hatte, und<lb/> daß diese Hand, um den Verdacht von ihm abzulenken, das frevelhafte Spiel<lb/> nach seiner Verhaftung fortsetzte. Die spätern Briefe zeigten sich ja auch be¬<lb/> sonders beflissen, die Unschuld des Verhafteten zu beteuern. Das ist doch<lb/> alles völlig klar; und es ist einfach nicht zu verstehen, wenn Friedmann erklärt,<lb/> er wolle sich nicht mit der Aufdeckung des juristischen Nonsens anschalten,<lb/> der darin liege, den Anstifter oder den Gehilfen eines Vergehens zu verfolgen,<lb/> dessen Urheber unbekannt sei. Im Gegenteil: wenn man sonstige Beweise für<lb/> die geistige Urheberschaft des Angeschuldigten hatte, so hing die weitere Unter¬<lb/> suchung gegen ihn keineswegs davon ab, daß man nun auch die Hand er¬<lb/> mittelte, die für ihn geschrieben hatte. Wer durch anonyme Briefe Unfug</p><lb/> <note xml:id="FID_15" place="foot"> *) S. 45 der Fnedmannschen Schrift: los souxyons äirigös oontrs tut no xaraisssävnt<lb/> x»s suküs»minore tomlÄ. Die Worte sind allerdings zweideutig. LuMsawmsllt könnte an<lb/> sich ebenso gut „dringend" wie „hinreichend" bedeuten.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0079]
Strafprozeßordnung schon erfolgen soll, wenn der Angeschuldigte einer straf¬
baren Handlung auch nur hinreichend verdächtig erscheint, so darf der Ange¬
schuldigte nach 8 112 und 123 nur dann in Untersuchungshaft genommen
oder behalten werden, wenn dringende Verdachtsgründe gegen ihn vorliegen.
Hebt das Gericht deu Haftbefehl auf, weil keine dringenden Verdachtsgrüude
mehr vorliegen, so können immer noch hinreichende Verdachtsgründe übrig
bleiben, die die Fortführung der Untersuchung, ja die Eröffnung des Haupt-
verfahreus vollkommen rechtfertigen können. Wenn also General v. Pape
ans Grund jenes Gutachtens den dringenden Verdacht sür beseitigt hielt, so
mußte er allerdings nach Z 123 die Aushebung der Untersuchungshaft veran¬
lassen. Diese Maßregel besagt aber auch weiter nichts, als daß eben ein die
Untersuchungshaft rechtfertigender dringender Verdacht nicht mehr vorlag.*)
Sie gestattet aber nicht den Schluß, daß Herr v. Pape nunmehr jeden die
weitere Fortführung der Untersuchung rechtfertigenden hinlänglichen Verdacht
für beseitigt gehalten habe. Im Gegenteil: hätte er diese weitergehende Über¬
zeugung gehabt, so würde er nach H 102 der Militärstrafgerichtsordnung so
befugt wie verpflichtet gewesen sein, das ganze Verfahren durch Verfügung ein¬
zustellen. Das hat er nicht gethan, und sonach muß wohl auch er noch nach
dem Eingange des Gutachtens von dem fortdauernden Bestehen hinreichender
Verdachtsgründe überzeugt gewesen sein.
Friedmann freilich stellt die Sache so dar, als ob mit dem Gutachten
des Sachverständigen die Sache ein sür allemal endgiltig erledigt ge¬
wesen sei. Aber was bewies denn dieses Gutachten im günstigsten Falle?
Doch immer nur, daß Herr v. Kotze die anonymen Briefe nicht eigenhändig
geschrieben hatte. Ihr Urheber konnte er dessenungeachtet sein, und wenn
anders bestimmte Anzeichen für seine Urheberschaft sprachen, so wurden diese
nicht entfernt schon dnrch den Nachweis entkräftet, daß er sich zu der
mechanischen Thätigkeit des Schreibens einer fremden Hand bedient hatte, und
daß diese Hand, um den Verdacht von ihm abzulenken, das frevelhafte Spiel
nach seiner Verhaftung fortsetzte. Die spätern Briefe zeigten sich ja auch be¬
sonders beflissen, die Unschuld des Verhafteten zu beteuern. Das ist doch
alles völlig klar; und es ist einfach nicht zu verstehen, wenn Friedmann erklärt,
er wolle sich nicht mit der Aufdeckung des juristischen Nonsens anschalten,
der darin liege, den Anstifter oder den Gehilfen eines Vergehens zu verfolgen,
dessen Urheber unbekannt sei. Im Gegenteil: wenn man sonstige Beweise für
die geistige Urheberschaft des Angeschuldigten hatte, so hing die weitere Unter¬
suchung gegen ihn keineswegs davon ab, daß man nun auch die Hand er¬
mittelte, die für ihn geschrieben hatte. Wer durch anonyme Briefe Unfug
*) S. 45 der Fnedmannschen Schrift: los souxyons äirigös oontrs tut no xaraisssävnt
x»s suküs»minore tomlÄ. Die Worte sind allerdings zweideutig. LuMsawmsllt könnte an
sich ebenso gut „dringend" wie „hinreichend" bedeuten.
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