Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.Aus Qara Schumanns Brautzeit nicht gewinnt, kann kein Hinderungsgrund sein, nachdem das Buch von Kohut Der Prozeß des Brautpaares gegen Wieck hat etwas über ein Jahr ge¬ Leipzig, den 30'"° Juni 1339. Euer Wohlgeboren wünscht der Unterzeichnete in einer für ihn höchst wichtigen Angelegenheit wo Im September 1837 bewarb ich mich um die Hand von Frl. Klara Wieck, Hr. Wieck und seine Tochter reisten im Winter darauf uach Wien, von wo Aus Qara Schumanns Brautzeit nicht gewinnt, kann kein Hinderungsgrund sein, nachdem das Buch von Kohut Der Prozeß des Brautpaares gegen Wieck hat etwas über ein Jahr ge¬ Leipzig, den 30'"° Juni 1339. Euer Wohlgeboren wünscht der Unterzeichnete in einer für ihn höchst wichtigen Angelegenheit wo Im September 1837 bewarb ich mich um die Hand von Frl. Klara Wieck, Hr. Wieck und seine Tochter reisten im Winter darauf uach Wien, von wo <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0516" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/224100"/> <fw type="header" place="top"> Aus Qara Schumanns Brautzeit</fw><lb/> <p xml:id="ID_1516" prev="#ID_1515"> nicht gewinnt, kann kein Hinderungsgrund sein, nachdem das Buch von Kohut<lb/> — schon bei Clara Schumanns Lebzeiten — rücksichtslos alles ausgeboten hat,<lb/> was dazu dienen kann, das Urteil über jene Vorgänge irrezuleiten und zu trüben.</p><lb/> <p xml:id="ID_1517"> Der Prozeß des Brautpaares gegen Wieck hat etwas über ein Jahr ge¬<lb/> dauert: von Mitte Juli 1839 bis Anfang August 1840. Schumann scheint<lb/> zunächst die Absicht gehabt zu haben, seine Sache selbst zu führen, ohne Rechts¬<lb/> anwalt. Wenigstens liegt bei den Akten in Reinschrift ein kurzes „Gesuch"<lb/> an das Appellationsgericht vom 8. Juni 1839, das von Schumann und Clara<lb/> Wieck eigenhändig unterzeichnet ist, und das Schumann unzweifelhaft selbst<lb/> verfaßt hat. Wahrscheinlich gaben ihm aber dann Freunde, denen er das<lb/> Schriftstück zeigte, den Rat, doch lieber einen Rechtsanwalt zuzuziehen, und so<lb/> ließ er sich denn von seiner Braut, die damals in Paris weilte, eine Voll¬<lb/> macht schicken und wandte sich, als diese eingetroffen war, Ende Juni an Einert<lb/> mit folgendem Briefe:</p><lb/> <p xml:id="ID_1518"> Leipzig, den 30'"° Juni 1339.</p><lb/> <note type="salute"> Euer Wohlgeboren</note><lb/> <p xml:id="ID_1519"> wünscht der Unterzeichnete in einer für ihn höchst wichtigen Angelegenheit wo<lb/> möglich noch heute zu sprechen. Da ich mündlich mich aber vielleicht nicht so klar<lb/> und ruhig auszusprechen vermag, erlaube ich mir vorläufig, Ihnen Folgendes der<lb/> strengsten Wahrheit gemäß mitzutheilen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1520"> Im September 1837 bewarb ich mich um die Hand von Frl. Klara Wieck,<lb/> nachdem wir uns schon lange vorher gekannt und uns die Ehe versprochen,<lb/> bei ihrem Vater Hrn. Friedrich Wieck, Jnstrnmcntenhändler hier. Der Vater gab<lb/> darauf weder ein Ja noch Nein zur Antwort, stellte mir jedoch Mitte October des¬<lb/> selben Jahres einen höflichen Brief zu, worin er sich geradezu gegen eine solche<lb/> Verbindung aussprach und als Grund die beschränkten Vermögensumstände seiner<lb/> Tochter, wie auch meine eigenen angab, von welchen letzteren ich ihm, zugleich in<lb/> jenem Schreiben, eine getreue Darstellung angefertigt hatte, nach welcher Darstellung<lb/> sich mein jährliches Einkommen auf ungefähr 1300 Th. belief.</p><lb/> <p xml:id="ID_1521" next="#ID_1522"> Hr. Wieck und seine Tochter reisten im Winter darauf uach Wien, von wo<lb/> aus mir Klara im Frühling 1338 schrieb, der Vater habe nun doch seine Ein¬<lb/> willigung gegeben, doch nnter Bedingungen. Als beide kurz darauf nach Leipzig<lb/> zurückkehrten, besuchte mich Hr. Wieck auf meiner Stube, ohne jedoch der Sache<lb/> zu erwähnen. Dies beleidigte mich, und ich wich ihm von da ^ein) aus, wo ich<lb/> konnte. Dadurch gereizt, sing er bald an, sich offenbar feindselig gegen unsere be¬<lb/> absichtigte Verbindung auszusprechen, ja mich ans alle mögliche Weise bei seiner<lb/> Tochter, wie auch gegen andere herabzusetzen. Eine Wendung in dieses traurige<lb/> Verhältniß zu bringen, reiste ich im September 1838 nach Wien, theils weil ich,<lb/> wenn ich vom Platz entfernt wäre, Hrn. Wieck zu beruhigen glaubte, theils weil<lb/> ich mir in Wien eine neue Existenz für Klara und mich zu begründen dachte.<lb/> Von Wien indeß, wo ich nur wenig meinem Bestreben wie meinem ganzen Wirkungs¬<lb/> kreise Entsprechendes und Nützendes vorfand, reiste ich April dieses Jahres wieder<lb/> zurück. Klara hatte unterdeß nicht aufgehört, ihren Vater zur Ertheilung seines<lb/> Jawortes zu bewege». Nichts hatte gefruchtet; ja sein feindseliges Benehmen<lb/> steigerte sich in dem Grade, daß er mich sogar in frechster Weise zu verläumden<lb/> anfing. Durch dieses herzlose, unnatürliche Benehmen fast bis zur Krankheit an-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0516]
Aus Qara Schumanns Brautzeit
nicht gewinnt, kann kein Hinderungsgrund sein, nachdem das Buch von Kohut
— schon bei Clara Schumanns Lebzeiten — rücksichtslos alles ausgeboten hat,
was dazu dienen kann, das Urteil über jene Vorgänge irrezuleiten und zu trüben.
Der Prozeß des Brautpaares gegen Wieck hat etwas über ein Jahr ge¬
dauert: von Mitte Juli 1839 bis Anfang August 1840. Schumann scheint
zunächst die Absicht gehabt zu haben, seine Sache selbst zu führen, ohne Rechts¬
anwalt. Wenigstens liegt bei den Akten in Reinschrift ein kurzes „Gesuch"
an das Appellationsgericht vom 8. Juni 1839, das von Schumann und Clara
Wieck eigenhändig unterzeichnet ist, und das Schumann unzweifelhaft selbst
verfaßt hat. Wahrscheinlich gaben ihm aber dann Freunde, denen er das
Schriftstück zeigte, den Rat, doch lieber einen Rechtsanwalt zuzuziehen, und so
ließ er sich denn von seiner Braut, die damals in Paris weilte, eine Voll¬
macht schicken und wandte sich, als diese eingetroffen war, Ende Juni an Einert
mit folgendem Briefe:
Leipzig, den 30'"° Juni 1339.
Euer Wohlgeboren
wünscht der Unterzeichnete in einer für ihn höchst wichtigen Angelegenheit wo
möglich noch heute zu sprechen. Da ich mündlich mich aber vielleicht nicht so klar
und ruhig auszusprechen vermag, erlaube ich mir vorläufig, Ihnen Folgendes der
strengsten Wahrheit gemäß mitzutheilen.
Im September 1837 bewarb ich mich um die Hand von Frl. Klara Wieck,
nachdem wir uns schon lange vorher gekannt und uns die Ehe versprochen,
bei ihrem Vater Hrn. Friedrich Wieck, Jnstrnmcntenhändler hier. Der Vater gab
darauf weder ein Ja noch Nein zur Antwort, stellte mir jedoch Mitte October des¬
selben Jahres einen höflichen Brief zu, worin er sich geradezu gegen eine solche
Verbindung aussprach und als Grund die beschränkten Vermögensumstände seiner
Tochter, wie auch meine eigenen angab, von welchen letzteren ich ihm, zugleich in
jenem Schreiben, eine getreue Darstellung angefertigt hatte, nach welcher Darstellung
sich mein jährliches Einkommen auf ungefähr 1300 Th. belief.
Hr. Wieck und seine Tochter reisten im Winter darauf uach Wien, von wo
aus mir Klara im Frühling 1338 schrieb, der Vater habe nun doch seine Ein¬
willigung gegeben, doch nnter Bedingungen. Als beide kurz darauf nach Leipzig
zurückkehrten, besuchte mich Hr. Wieck auf meiner Stube, ohne jedoch der Sache
zu erwähnen. Dies beleidigte mich, und ich wich ihm von da ^ein) aus, wo ich
konnte. Dadurch gereizt, sing er bald an, sich offenbar feindselig gegen unsere be¬
absichtigte Verbindung auszusprechen, ja mich ans alle mögliche Weise bei seiner
Tochter, wie auch gegen andere herabzusetzen. Eine Wendung in dieses traurige
Verhältniß zu bringen, reiste ich im September 1838 nach Wien, theils weil ich,
wenn ich vom Platz entfernt wäre, Hrn. Wieck zu beruhigen glaubte, theils weil
ich mir in Wien eine neue Existenz für Klara und mich zu begründen dachte.
Von Wien indeß, wo ich nur wenig meinem Bestreben wie meinem ganzen Wirkungs¬
kreise Entsprechendes und Nützendes vorfand, reiste ich April dieses Jahres wieder
zurück. Klara hatte unterdeß nicht aufgehört, ihren Vater zur Ertheilung seines
Jawortes zu bewege». Nichts hatte gefruchtet; ja sein feindseliges Benehmen
steigerte sich in dem Grade, daß er mich sogar in frechster Weise zu verläumden
anfing. Durch dieses herzlose, unnatürliche Benehmen fast bis zur Krankheit an-
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