Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.Den Richter" "lag das letzte Urteil nicht leicht geworden sein, aber sie Diese Bestimmung ist unzweifelhaft insofern vollständig berechtigt, als sie Wenn sich nun die vom Staate zur Rechtsprechung berufne" Richter im Wenn der Angeklagte selber die Rechtsgründe geltend gemacht hat, aus Andrerseits gilt aber auch der Satz: ^ura novit curia. Bei unsern ver¬ Im vorliegenden Falle -- und so wird es in den meisten Füllen sein -- Den Richter» »lag das letzte Urteil nicht leicht geworden sein, aber sie Diese Bestimmung ist unzweifelhaft insofern vollständig berechtigt, als sie Wenn sich nun die vom Staate zur Rechtsprechung berufne» Richter im Wenn der Angeklagte selber die Rechtsgründe geltend gemacht hat, aus Andrerseits gilt aber auch der Satz: ^ura novit curia. Bei unsern ver¬ Im vorliegenden Falle — und so wird es in den meisten Füllen sein — <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0438" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/224022"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_1320"> Den Richter» »lag das letzte Urteil nicht leicht geworden sein, aber sie<lb/> konnten nicht anders. Paragraph 497 der Strafprozeßordnung bestimmt<lb/> schlechthin: „Die Kosten (also aller Instanzen, gleichviel, wie sie entschieden<lb/> haben) mit Einschluß der durch die Vorbereitung der öffentlichen Klage und<lb/> die Strafvollstreckung entstandnen, hat der Angeklagte zu tragen, wenn er zu<lb/> Strafe verurteilt wird."</p><lb/> <p xml:id="ID_1321"> Diese Bestimmung ist unzweifelhaft insofern vollständig berechtigt, als sie<lb/> dem Verurteilten außer den Kosten der Vorbereitung der Klage und denen der<lb/> Strafvollstreckung anch die Kosten der Instanz auferlegt, die ihn verurteilt hat<lb/> oder hätte verurteilen müssen, also der ersten Instanz; denn wer durch eine<lb/> strafbare Handlung das Eingreifen des Staats veranlaßt, muß ihm und allen<lb/> ander», den Zeugen usw. die Kosten ersetzen, die ihnen hieraus entstehen. Aber<lb/> natürlich muß er nur die notwendigen und zweckentsprechend aufgewandte»<lb/> Kosten ersetzen. Niemand wird von ihm Ersatz der Auslagen verlangen, die<lb/> etwa einem Zeugen durch das irrtümliche Besteigen eines falschen Eisenbahn¬<lb/> zuges entstanden sind.</p><lb/> <p xml:id="ID_1322"> Wenn sich nun die vom Staate zur Rechtsprechung berufne» Richter im<lb/> Recht irren und aus Rechts gründen in den Vorinstanzen fälschlicherweise<lb/> zur Freisprechung komme», weshalb soll da der schließlich Verurteilte die Nach¬<lb/> teile trage», die aus diesem von ihm in keiner Weise verschuldeten Irrtum ent¬<lb/> standen sind?</p><lb/> <p xml:id="ID_1323"> Wenn der Angeklagte selber die Rechtsgründe geltend gemacht hat, aus<lb/> denen das Gericht zur Freisprechung gekommen ist, so kann man allerdings<lb/> mit einiger Befugnis sagen: „Niemand soll als Recht verteidigen, was nicht<lb/> Recht ist; thut er es dennoch, so muß er die Nachteile tragen, die daraus ent¬<lb/> stehen." Auch daran muß festgehalten werden, daß jedermann wissen muß,<lb/> was er thun und lassen darf. Die ganze Strafrechtspflege würde hinfällig<lb/> werden, wenn man die Einrede des Angeklagten zulassen wollte, er habe nicht<lb/> gewußt, daß seine Handlung strafbar sei.</p><lb/> <p xml:id="ID_1324"> Andrerseits gilt aber auch der Satz: ^ura novit curia. Bei unsern ver¬<lb/> wickelten Verkehrsverhültnissen, der Menge der in einander greifenden Gesetzes¬<lb/> bestimmungen und denn ständigen Fortarbeiten der GesetMbungsmaschinerie ist<lb/> es für den Laien sehr schwer, ja, wie der vorliegende Fall zeigt, geradezu un¬<lb/> möglich, in jedem Falle zu wissen, was Recht ist. Die Gerichte aber, die vom<lb/> Staate zur Rechtsprechung bestellt sind, müssen unbedingt wissen, was Rechtens<lb/> ist. Irren sie, so sind sie es, die als Recht aufstellen und verteidigen, was<lb/> Unrecht ist. Also muß auch der Staat, als dessen Organe sie handeln, die<lb/> Nachteile tragen, die aus ihrem Irrtum entstehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1325" next="#ID_1326"> Im vorliegenden Falle — und so wird es in den meisten Füllen sein —<lb/> hat aber der Angeklagte die Rechtsgründe gar nicht geltend gemacht, auf Grund<lb/> deren er von den Vorinftanzen freigesprochen worden ist. Will man da so</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0438]
Den Richter» »lag das letzte Urteil nicht leicht geworden sein, aber sie
konnten nicht anders. Paragraph 497 der Strafprozeßordnung bestimmt
schlechthin: „Die Kosten (also aller Instanzen, gleichviel, wie sie entschieden
haben) mit Einschluß der durch die Vorbereitung der öffentlichen Klage und
die Strafvollstreckung entstandnen, hat der Angeklagte zu tragen, wenn er zu
Strafe verurteilt wird."
Diese Bestimmung ist unzweifelhaft insofern vollständig berechtigt, als sie
dem Verurteilten außer den Kosten der Vorbereitung der Klage und denen der
Strafvollstreckung anch die Kosten der Instanz auferlegt, die ihn verurteilt hat
oder hätte verurteilen müssen, also der ersten Instanz; denn wer durch eine
strafbare Handlung das Eingreifen des Staats veranlaßt, muß ihm und allen
ander», den Zeugen usw. die Kosten ersetzen, die ihnen hieraus entstehen. Aber
natürlich muß er nur die notwendigen und zweckentsprechend aufgewandte»
Kosten ersetzen. Niemand wird von ihm Ersatz der Auslagen verlangen, die
etwa einem Zeugen durch das irrtümliche Besteigen eines falschen Eisenbahn¬
zuges entstanden sind.
Wenn sich nun die vom Staate zur Rechtsprechung berufne» Richter im
Recht irren und aus Rechts gründen in den Vorinstanzen fälschlicherweise
zur Freisprechung komme», weshalb soll da der schließlich Verurteilte die Nach¬
teile trage», die aus diesem von ihm in keiner Weise verschuldeten Irrtum ent¬
standen sind?
Wenn der Angeklagte selber die Rechtsgründe geltend gemacht hat, aus
denen das Gericht zur Freisprechung gekommen ist, so kann man allerdings
mit einiger Befugnis sagen: „Niemand soll als Recht verteidigen, was nicht
Recht ist; thut er es dennoch, so muß er die Nachteile tragen, die daraus ent¬
stehen." Auch daran muß festgehalten werden, daß jedermann wissen muß,
was er thun und lassen darf. Die ganze Strafrechtspflege würde hinfällig
werden, wenn man die Einrede des Angeklagten zulassen wollte, er habe nicht
gewußt, daß seine Handlung strafbar sei.
Andrerseits gilt aber auch der Satz: ^ura novit curia. Bei unsern ver¬
wickelten Verkehrsverhültnissen, der Menge der in einander greifenden Gesetzes¬
bestimmungen und denn ständigen Fortarbeiten der GesetMbungsmaschinerie ist
es für den Laien sehr schwer, ja, wie der vorliegende Fall zeigt, geradezu un¬
möglich, in jedem Falle zu wissen, was Recht ist. Die Gerichte aber, die vom
Staate zur Rechtsprechung bestellt sind, müssen unbedingt wissen, was Rechtens
ist. Irren sie, so sind sie es, die als Recht aufstellen und verteidigen, was
Unrecht ist. Also muß auch der Staat, als dessen Organe sie handeln, die
Nachteile tragen, die aus ihrem Irrtum entstehen.
Im vorliegenden Falle — und so wird es in den meisten Füllen sein —
hat aber der Angeklagte die Rechtsgründe gar nicht geltend gemacht, auf Grund
deren er von den Vorinftanzen freigesprochen worden ist. Will man da so
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |