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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.

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Die Dynastie der Saids in Sansibar

soll dreihundert Moscheen gehabt haben. Die Bevölkerung zählte nach Hundert¬
tausenden. Heute hat die größte Stadt dieser Küste 30000 Einwohner. Ab¬
gesehen von den Erzeugnissen der Plantagenwirtschaft gab es einen vorteil¬
haften Handel in Guzerateleinwand und in Gold (Sofala). Die Portugiesen
machten sich zu den Herren dieser Küste und behaupteten sich zweihundert Jahre.
Aber die glänzende Pracht orientalischer Reiche schwand unter ihrer rauhen
Hand. Nur zahlreiche Trümmerhaufen und Ruinen, so die Türme der portu¬
giesischen Zwingburg neben dem Sultanspalast in Sansibar, bezeichnen heute
noch die Stätten einer einst herrlichen Kultur- Ein friedliches Leben haben
die Portugiesen hier nicht geführt. Der unbändige Freiheitssinn, der die Süd¬
araber auszeichnet, verleugnete sich auch nicht in ihren Stammverwandten in
den Kolonien. Ein Ansturm des Islams warf die portugiesische Herrschaft
über den Haufen, ein Versuch, sie wieder auszurichten, mißglückte, und heute
fristet sie nur an der Küste von Mozambique ein kümmerliches Dasein. Der
Wiedergewinn der Freiheit brachte aber diesen Ländern keinen Segen. Waren
sie solange geeint gewesen in dem Haß gegen ihre Unterdrücker, so begann nun
ein wilder Kampf der einzelnen Städte um die Herrschaft. Die Geschichte dieser
Küste im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert erinnert lebhaft an die der
lombardischen Städte in der ersten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts:
dynastische und handelspolitische Kämpfe füllen sie aus. Hauptsächlich ragt
Mombas, das ostafrikanische Venedig, hervor. Seine Dynastie und seine Bürger¬
schaft waren von mächtigem Unternehmungsgeist erfüllt. Seine Geschichte ist
ebenso glänzend wie tragisch, es hat Jahrhunderte gedauert, bis seine Kraft
gebrochen war, bis es staatspolitisch und handelspolitisch dem Rivalen Sansibar
erlag. Aber die Niederlage war ruhmvoll. In Kämpfen unter sich und mit
den mächtigen Seeräubern des Indischen Ozeans verblutete diese Hanse des
Südens. So konnte ohne sonderliche Mühe der Imam von Maskat die
kleinen Dynastien, deren er sich anfangs nur zum Schutze gegen die Seeräuber
angenommen hatte, beseitigen und selbst nach und nach die Herrschaft über die
Küstenstüdte erringen. Der Dynastie der Jarebiten war die der thatkräftigern
Äaids gefolgt. Sie legten von Anfang an Gewicht darauf, die Küste von
Sansibar fester an ihr Stammland zu knüpfen. 1784 kamen sie in den Besitz
von Sansibar, ließen es aber durch Statthalter verwalten. Erst 1837 war
die Insel thatsächlich in ihrer Gewalt.

Der damalige Beherrscher dieses ausgedehnten Reiches, das von den
Küsten des persischen Golfes bis nach Mozambique reichte, war Said Srit,
der kräftigste Sproß der Dynastie Abu Saids. Als sechzehnjähriger Jüngling
war er 1806 auf den Thron gekommen, aber es gelang ihm bald, trotz seiner
äugend, seinem buntscheckigen Reich eine festere Form zu geben. Den Trotz
der rebellischen Städte im Süden, die selbständige Republiken sein wollten,
brach er, zuletzt -- 1837 - bekam er Sansibar in seine Gewalt, und nun


Die Dynastie der Saids in Sansibar

soll dreihundert Moscheen gehabt haben. Die Bevölkerung zählte nach Hundert¬
tausenden. Heute hat die größte Stadt dieser Küste 30000 Einwohner. Ab¬
gesehen von den Erzeugnissen der Plantagenwirtschaft gab es einen vorteil¬
haften Handel in Guzerateleinwand und in Gold (Sofala). Die Portugiesen
machten sich zu den Herren dieser Küste und behaupteten sich zweihundert Jahre.
Aber die glänzende Pracht orientalischer Reiche schwand unter ihrer rauhen
Hand. Nur zahlreiche Trümmerhaufen und Ruinen, so die Türme der portu¬
giesischen Zwingburg neben dem Sultanspalast in Sansibar, bezeichnen heute
noch die Stätten einer einst herrlichen Kultur- Ein friedliches Leben haben
die Portugiesen hier nicht geführt. Der unbändige Freiheitssinn, der die Süd¬
araber auszeichnet, verleugnete sich auch nicht in ihren Stammverwandten in
den Kolonien. Ein Ansturm des Islams warf die portugiesische Herrschaft
über den Haufen, ein Versuch, sie wieder auszurichten, mißglückte, und heute
fristet sie nur an der Küste von Mozambique ein kümmerliches Dasein. Der
Wiedergewinn der Freiheit brachte aber diesen Ländern keinen Segen. Waren
sie solange geeint gewesen in dem Haß gegen ihre Unterdrücker, so begann nun
ein wilder Kampf der einzelnen Städte um die Herrschaft. Die Geschichte dieser
Küste im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert erinnert lebhaft an die der
lombardischen Städte in der ersten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts:
dynastische und handelspolitische Kämpfe füllen sie aus. Hauptsächlich ragt
Mombas, das ostafrikanische Venedig, hervor. Seine Dynastie und seine Bürger¬
schaft waren von mächtigem Unternehmungsgeist erfüllt. Seine Geschichte ist
ebenso glänzend wie tragisch, es hat Jahrhunderte gedauert, bis seine Kraft
gebrochen war, bis es staatspolitisch und handelspolitisch dem Rivalen Sansibar
erlag. Aber die Niederlage war ruhmvoll. In Kämpfen unter sich und mit
den mächtigen Seeräubern des Indischen Ozeans verblutete diese Hanse des
Südens. So konnte ohne sonderliche Mühe der Imam von Maskat die
kleinen Dynastien, deren er sich anfangs nur zum Schutze gegen die Seeräuber
angenommen hatte, beseitigen und selbst nach und nach die Herrschaft über die
Küstenstüdte erringen. Der Dynastie der Jarebiten war die der thatkräftigern
Äaids gefolgt. Sie legten von Anfang an Gewicht darauf, die Küste von
Sansibar fester an ihr Stammland zu knüpfen. 1784 kamen sie in den Besitz
von Sansibar, ließen es aber durch Statthalter verwalten. Erst 1837 war
die Insel thatsächlich in ihrer Gewalt.

Der damalige Beherrscher dieses ausgedehnten Reiches, das von den
Küsten des persischen Golfes bis nach Mozambique reichte, war Said Srit,
der kräftigste Sproß der Dynastie Abu Saids. Als sechzehnjähriger Jüngling
war er 1806 auf den Thron gekommen, aber es gelang ihm bald, trotz seiner
äugend, seinem buntscheckigen Reich eine festere Form zu geben. Den Trotz
der rebellischen Städte im Süden, die selbständige Republiken sein wollten,
brach er, zuletzt — 1837 - bekam er Sansibar in seine Gewalt, und nun


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[0367] Die Dynastie der Saids in Sansibar soll dreihundert Moscheen gehabt haben. Die Bevölkerung zählte nach Hundert¬ tausenden. Heute hat die größte Stadt dieser Küste 30000 Einwohner. Ab¬ gesehen von den Erzeugnissen der Plantagenwirtschaft gab es einen vorteil¬ haften Handel in Guzerateleinwand und in Gold (Sofala). Die Portugiesen machten sich zu den Herren dieser Küste und behaupteten sich zweihundert Jahre. Aber die glänzende Pracht orientalischer Reiche schwand unter ihrer rauhen Hand. Nur zahlreiche Trümmerhaufen und Ruinen, so die Türme der portu¬ giesischen Zwingburg neben dem Sultanspalast in Sansibar, bezeichnen heute noch die Stätten einer einst herrlichen Kultur- Ein friedliches Leben haben die Portugiesen hier nicht geführt. Der unbändige Freiheitssinn, der die Süd¬ araber auszeichnet, verleugnete sich auch nicht in ihren Stammverwandten in den Kolonien. Ein Ansturm des Islams warf die portugiesische Herrschaft über den Haufen, ein Versuch, sie wieder auszurichten, mißglückte, und heute fristet sie nur an der Küste von Mozambique ein kümmerliches Dasein. Der Wiedergewinn der Freiheit brachte aber diesen Ländern keinen Segen. Waren sie solange geeint gewesen in dem Haß gegen ihre Unterdrücker, so begann nun ein wilder Kampf der einzelnen Städte um die Herrschaft. Die Geschichte dieser Küste im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert erinnert lebhaft an die der lombardischen Städte in der ersten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts: dynastische und handelspolitische Kämpfe füllen sie aus. Hauptsächlich ragt Mombas, das ostafrikanische Venedig, hervor. Seine Dynastie und seine Bürger¬ schaft waren von mächtigem Unternehmungsgeist erfüllt. Seine Geschichte ist ebenso glänzend wie tragisch, es hat Jahrhunderte gedauert, bis seine Kraft gebrochen war, bis es staatspolitisch und handelspolitisch dem Rivalen Sansibar erlag. Aber die Niederlage war ruhmvoll. In Kämpfen unter sich und mit den mächtigen Seeräubern des Indischen Ozeans verblutete diese Hanse des Südens. So konnte ohne sonderliche Mühe der Imam von Maskat die kleinen Dynastien, deren er sich anfangs nur zum Schutze gegen die Seeräuber angenommen hatte, beseitigen und selbst nach und nach die Herrschaft über die Küstenstüdte erringen. Der Dynastie der Jarebiten war die der thatkräftigern Äaids gefolgt. Sie legten von Anfang an Gewicht darauf, die Küste von Sansibar fester an ihr Stammland zu knüpfen. 1784 kamen sie in den Besitz von Sansibar, ließen es aber durch Statthalter verwalten. Erst 1837 war die Insel thatsächlich in ihrer Gewalt. Der damalige Beherrscher dieses ausgedehnten Reiches, das von den Küsten des persischen Golfes bis nach Mozambique reichte, war Said Srit, der kräftigste Sproß der Dynastie Abu Saids. Als sechzehnjähriger Jüngling war er 1806 auf den Thron gekommen, aber es gelang ihm bald, trotz seiner äugend, seinem buntscheckigen Reich eine festere Form zu geben. Den Trotz der rebellischen Städte im Süden, die selbständige Republiken sein wollten, brach er, zuletzt — 1837 - bekam er Sansibar in seine Gewalt, und nun

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_223583/367>, abgerufen am 08.01.2025.