Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.Kennst du das Land? das Vergehen auf dem Kerbholz hatte, nicht lange vorher einen Aufsatz geschrieben Um also, zur Sache zu kommein es liegen uns zwei sehr hübsch ausgestattete, Das zweite Heft ist betitelt: Die Fornarina, Trauerspiel in fünf Alten von Kennst du das Land? das Vergehen auf dem Kerbholz hatte, nicht lange vorher einen Aufsatz geschrieben Um also, zur Sache zu kommein es liegen uns zwei sehr hübsch ausgestattete, Das zweite Heft ist betitelt: Die Fornarina, Trauerspiel in fünf Alten von <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0341" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/223925"/> <fw type="header" place="top"> Kennst du das Land?</fw><lb/> <p xml:id="ID_1035" prev="#ID_1034"> das Vergehen auf dem Kerbholz hatte, nicht lange vorher einen Aufsatz geschrieben<lb/> zu haben, worin ich unter andern auch gesagt hatte, daß die Frauen mir im Hause<lb/> lieber wären als auf der Straße, und in der Unterhaltung lieber als mit der<lb/> Feder, und was man denn zuweilen so sagt. Dafür bekam ich nun zu rechter Zeit<lb/> den melodischen Accent und Ada Negri. Da ich nun diese Dame in der That<lb/> noch uicht kannte, so konnte ich einstweilen nichts andres als stammeln, daß ich<lb/> wohl Viktoria Colonna kennte und Anna Louisa Karsch, und auch ohnedies es nicht<lb/> zu bezweifeln wagen würde, daß ein weibliches Wesen Verse mache. Einige Monate<lb/> später aber kam mir doch der Eindruck, als ob meine gute Freundin mit Recht<lb/> ihren Finger auf diesen Mangel meiner Bildung gelegt hätte, denn alle Zeit¬<lb/> schriften und Zeitungen waren voll von Ada Negri. Inzwischen kann ich aber<lb/> dennoch die Erscheinung — trotz der aufgeblasenen Backen, mit denen man sie,<lb/> männiglich und weiblich, bei uns in Deutschland empfiehlt — nicht für sehr<lb/> wertvoll halten und darum bemerkte ich eben etwas, was wichtiger sei. „Aber<lb/> bitte, setzen Sie sich," sagte meine Großmutter einmal zerstreut zu einer neben ihr<lb/> sitzende» Person, die ihr etwas erzählen wollte und gar nicht ans die Sache<lb/> kommen konnte. Das Versprechen hatte auch ohne Verbesserung sofort Erfolg.</p><lb/> <p xml:id="ID_1036"> Um also, zur Sache zu kommein es liegen uns zwei sehr hübsch ausgestattete,<lb/> gut gedruckte Hefte vor. Das erste: Auf Goethes Spuren in Oberitalien von<lb/> I. R. .fmarhnus, behandelt die von Goethe besuchten Orte, erläutert Goethes Ver¬<lb/> hältnis zu den Gegenständen und erwähnt, inwiefern sich der betreffende Ort oder<lb/> die Anschauung in Bezug auf deu Gegenstand verändert haben. Zwei weitere Hefte<lb/> sollen das übrige Italien behandeln. Der Gedanke ist hübsch. Goethe selbst war<lb/> ein historisch gestimmter Mensch, d. h. natürlich in seinem besondern Sinne. Wir<lb/> sollen uns, wo es mir möglich ist, seiner als Führers bedienen, um Vergangnes<lb/> zu betrachten. Des Verfassers Art ist zweckmäßig und gut. Vielleicht durfte er<lb/> hin und wieder etwas mehr as quoi hx, seinen Lesern voraussetzen und entsprechend<lb/> dem, worauf sich heute die Aufmerksamkeit richtet, ihnen auch etwas mehr bieten.<lb/> So z. B. spricht Goethe in Bezug auf Ferrara über die Kunst des sechzehnten<lb/> Jahrhunderts, ohne der viel bedeutendem Maler des fünfzehnten Jahrhunderts zu<lb/> erwähnen. Sonst berücksichtigt er doch immer frühere Stufen (Mantegna, Bellini),<lb/> hier nicht. Nun erwähut auch der Verfasser darum den neuern Palast der Este<lb/> nicht, obwohl er kunstgeschichtlich interessanter ist als das alte Kastell. Der Ver¬<lb/> fasser schreibt gut und unterhcilteud. Wir glauben, daß eine etwas knappere<lb/> Fassung des übrigen Stoffes, sodaß er einen starken Band statt zwei ergäbe, für<lb/> das Werk vorteilhaft sein würde.</p><lb/> <p xml:id="ID_1037" next="#ID_1038"> Das zweite Heft ist betitelt: Die Fornarina, Trauerspiel in fünf Alten von<lb/> Paul Hesse. Das Drama des berühmten Dichters hat also die sogenannte Geliebte<lb/> Raffaels zum Gegenstand. Man kann zweifeln, ob das wohlgethan war. Naffael<lb/> war, wie viele große Künstler, auch darin ein eigner Kauz, daß er nicht viel von<lb/> Schriftlichkeiteu hielt. Er hielt es eben mit dem Pinsel. Außer einigen schlechten<lb/> Sonetten haben wir darum von ihm auch uur eine Anzahl nicht sehr inhaltreicher<lb/> Briefe, und was die Hauptsache betrifft, wir keimen die äußern Durchgangspunkte<lb/> seines Lebens, über sein persönliches, inneres Leben wissen wir aber so gut wie<lb/> nichts, und über die Verhältnisse seines Umganges nur sehr wenig. Die Lücken<lb/> unsers Wissens sind dann ausgefüllt worden durch die Küustleruovelle, die ebenso<lb/> schnell und bunt und manchmal auch verführerisch überzeugend spinnt, wie einst<lb/> die griechische Mythologie. In dieses Reich gehört auch die Fornarina, das schöne<lb/> Bäckermädchen, an dessen Stand der Malersürst vorbeiging zum Vatikan und wieder</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0341]
Kennst du das Land?
das Vergehen auf dem Kerbholz hatte, nicht lange vorher einen Aufsatz geschrieben
zu haben, worin ich unter andern auch gesagt hatte, daß die Frauen mir im Hause
lieber wären als auf der Straße, und in der Unterhaltung lieber als mit der
Feder, und was man denn zuweilen so sagt. Dafür bekam ich nun zu rechter Zeit
den melodischen Accent und Ada Negri. Da ich nun diese Dame in der That
noch uicht kannte, so konnte ich einstweilen nichts andres als stammeln, daß ich
wohl Viktoria Colonna kennte und Anna Louisa Karsch, und auch ohnedies es nicht
zu bezweifeln wagen würde, daß ein weibliches Wesen Verse mache. Einige Monate
später aber kam mir doch der Eindruck, als ob meine gute Freundin mit Recht
ihren Finger auf diesen Mangel meiner Bildung gelegt hätte, denn alle Zeit¬
schriften und Zeitungen waren voll von Ada Negri. Inzwischen kann ich aber
dennoch die Erscheinung — trotz der aufgeblasenen Backen, mit denen man sie,
männiglich und weiblich, bei uns in Deutschland empfiehlt — nicht für sehr
wertvoll halten und darum bemerkte ich eben etwas, was wichtiger sei. „Aber
bitte, setzen Sie sich," sagte meine Großmutter einmal zerstreut zu einer neben ihr
sitzende» Person, die ihr etwas erzählen wollte und gar nicht ans die Sache
kommen konnte. Das Versprechen hatte auch ohne Verbesserung sofort Erfolg.
Um also, zur Sache zu kommein es liegen uns zwei sehr hübsch ausgestattete,
gut gedruckte Hefte vor. Das erste: Auf Goethes Spuren in Oberitalien von
I. R. .fmarhnus, behandelt die von Goethe besuchten Orte, erläutert Goethes Ver¬
hältnis zu den Gegenständen und erwähnt, inwiefern sich der betreffende Ort oder
die Anschauung in Bezug auf deu Gegenstand verändert haben. Zwei weitere Hefte
sollen das übrige Italien behandeln. Der Gedanke ist hübsch. Goethe selbst war
ein historisch gestimmter Mensch, d. h. natürlich in seinem besondern Sinne. Wir
sollen uns, wo es mir möglich ist, seiner als Führers bedienen, um Vergangnes
zu betrachten. Des Verfassers Art ist zweckmäßig und gut. Vielleicht durfte er
hin und wieder etwas mehr as quoi hx, seinen Lesern voraussetzen und entsprechend
dem, worauf sich heute die Aufmerksamkeit richtet, ihnen auch etwas mehr bieten.
So z. B. spricht Goethe in Bezug auf Ferrara über die Kunst des sechzehnten
Jahrhunderts, ohne der viel bedeutendem Maler des fünfzehnten Jahrhunderts zu
erwähnen. Sonst berücksichtigt er doch immer frühere Stufen (Mantegna, Bellini),
hier nicht. Nun erwähut auch der Verfasser darum den neuern Palast der Este
nicht, obwohl er kunstgeschichtlich interessanter ist als das alte Kastell. Der Ver¬
fasser schreibt gut und unterhcilteud. Wir glauben, daß eine etwas knappere
Fassung des übrigen Stoffes, sodaß er einen starken Band statt zwei ergäbe, für
das Werk vorteilhaft sein würde.
Das zweite Heft ist betitelt: Die Fornarina, Trauerspiel in fünf Alten von
Paul Hesse. Das Drama des berühmten Dichters hat also die sogenannte Geliebte
Raffaels zum Gegenstand. Man kann zweifeln, ob das wohlgethan war. Naffael
war, wie viele große Künstler, auch darin ein eigner Kauz, daß er nicht viel von
Schriftlichkeiteu hielt. Er hielt es eben mit dem Pinsel. Außer einigen schlechten
Sonetten haben wir darum von ihm auch uur eine Anzahl nicht sehr inhaltreicher
Briefe, und was die Hauptsache betrifft, wir keimen die äußern Durchgangspunkte
seines Lebens, über sein persönliches, inneres Leben wissen wir aber so gut wie
nichts, und über die Verhältnisse seines Umganges nur sehr wenig. Die Lücken
unsers Wissens sind dann ausgefüllt worden durch die Küustleruovelle, die ebenso
schnell und bunt und manchmal auch verführerisch überzeugend spinnt, wie einst
die griechische Mythologie. In dieses Reich gehört auch die Fornarina, das schöne
Bäckermädchen, an dessen Stand der Malersürst vorbeiging zum Vatikan und wieder
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