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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.

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Die Konsumvereine

im deutschen Reiche ermitteln können. Wenn man damit vergleicht, wie viel
Kolonial- und Lebensbedürfnisgeschüfte, wie viel Schundwaren- und Kurz-
wcirengeschcifte, wie viele Bäcker und Fleischer es giebt, wie winzig klein er¬
scheint dann diese Zahl!

Und diese 1412 Vereine sollten die vielen tausende ruiniren oder auch
nur schädigen? Man wird nur eine sehr kleine Zahl unter ihnen finden, die
mehr als ein gutes Geschäft in denselben Zweigen umsetzt, und jedes Jahr,
ja jede Woche bringt doch in allen Geschäftszweigen neue Konkurrenz. Mag
auch ein sehr großer Konsumverein das drei- oder vierfache eines guten
Kvlvnialgeschäfts umsetzen, so viel Brot verkaufen als einige Bäcker zusammen,
so kann das doch nur in einem großen Gemeinwesen möglich sein, wo ohnehin
in einem Jahre so viele neue Geschäfte erstehen, daß diese dann zusammen
weit mehr umsetzen als der Konsumverein. Einige sehr große Konsumvereine
haben übrigens nur wenige Städte; obenan werden gewöhnlich Breslau und
Görlitz gestellt. Die Konsumvereine dort sind aber keine Genossenschaften,
sondern Aktienunternehmungen und siud anzusehen wie jedes andre Geschäft,
wäg es einer Einzelfirma, einer offnen Handelsgesellschaft oder einer andern
Art von Gesellschaft gehören.

Daß der kleine Geschäftsmann gegenüber dem großen reichen Unternehmer
"uf allen Geschüftsgcbieten einen schweren Kampf kämpft, ist ein Kapitel für
sich und kaun bei der Konsumvereinsfragc ganz außer Betracht bleiben.

Ist also bei 1412 Konsumvereinen im deutschen Reich die Mehrzahl der
Städte und Gemeinden noch frei von dem, worüber die Gegner klagen, so ist
°und die Klage an sich vielfach unberechtigt. Nicht nur, daß an Stelle jedes
eingehenden Konsumvereinsladcns mindestens ein andrer Laden eröffnet werden
würde -- i" Wirklichkeit sind zuweilen drei bis vier sür einen aufgethan worden -,
""d daß ohnehin die Konkurrenz stetig wächst, thatsächlich ist der Konsum-
"ereilt der angenehmste Konkurrent. Er hat seinen festen Kundenkreis und
'inen, der sich nach Beschlüssen von Vorstand. Aufsichtsrat und General¬
versammlung richten muß, er bedarf keiner Trinkgelder an die Dienstboten
U"d giebt also auch keine, er bedarf keiner Reklame und macht also auch keine,
^ hat normale Preise, aber er schleudert nie. Wie ganz anders hat der
Kaufmann mit seinen Genossen und namentlich mit Neulingen zu kämpfen, die
s"h Kunden erwerben wollen. Da werden die unlautersten Reklamen erlassen,
da werden die Dienstboten bestochen und zu Weihnachten beschenkt, die Preise
unterboten, der Konkurrent auch vielleicht verleumdet, und wenn sich Gelegen¬
heit bietet, selbst denunzirt. alles nur. um "ins Geschäft zu kommen."
Dem Konsumvcreiu gegenüber bedarf es keiner Schleuderpreise und keines
Aufwandes für Inserate. Neklamekarten, schriftlicher oder gedruckter An¬
erbietungen, keiner Trinkgelder und Geschenke, er verführt auch keinen Kunden
durch Verlockung zum Borgen. Kurz, der Konsumverein ist der anständigste


Die Konsumvereine

im deutschen Reiche ermitteln können. Wenn man damit vergleicht, wie viel
Kolonial- und Lebensbedürfnisgeschüfte, wie viel Schundwaren- und Kurz-
wcirengeschcifte, wie viele Bäcker und Fleischer es giebt, wie winzig klein er¬
scheint dann diese Zahl!

Und diese 1412 Vereine sollten die vielen tausende ruiniren oder auch
nur schädigen? Man wird nur eine sehr kleine Zahl unter ihnen finden, die
mehr als ein gutes Geschäft in denselben Zweigen umsetzt, und jedes Jahr,
ja jede Woche bringt doch in allen Geschäftszweigen neue Konkurrenz. Mag
auch ein sehr großer Konsumverein das drei- oder vierfache eines guten
Kvlvnialgeschäfts umsetzen, so viel Brot verkaufen als einige Bäcker zusammen,
so kann das doch nur in einem großen Gemeinwesen möglich sein, wo ohnehin
in einem Jahre so viele neue Geschäfte erstehen, daß diese dann zusammen
weit mehr umsetzen als der Konsumverein. Einige sehr große Konsumvereine
haben übrigens nur wenige Städte; obenan werden gewöhnlich Breslau und
Görlitz gestellt. Die Konsumvereine dort sind aber keine Genossenschaften,
sondern Aktienunternehmungen und siud anzusehen wie jedes andre Geschäft,
wäg es einer Einzelfirma, einer offnen Handelsgesellschaft oder einer andern
Art von Gesellschaft gehören.

Daß der kleine Geschäftsmann gegenüber dem großen reichen Unternehmer
"uf allen Geschüftsgcbieten einen schweren Kampf kämpft, ist ein Kapitel für
sich und kaun bei der Konsumvereinsfragc ganz außer Betracht bleiben.

Ist also bei 1412 Konsumvereinen im deutschen Reich die Mehrzahl der
Städte und Gemeinden noch frei von dem, worüber die Gegner klagen, so ist
°und die Klage an sich vielfach unberechtigt. Nicht nur, daß an Stelle jedes
eingehenden Konsumvereinsladcns mindestens ein andrer Laden eröffnet werden
würde — i„ Wirklichkeit sind zuweilen drei bis vier sür einen aufgethan worden -,
""d daß ohnehin die Konkurrenz stetig wächst, thatsächlich ist der Konsum-
"ereilt der angenehmste Konkurrent. Er hat seinen festen Kundenkreis und
'inen, der sich nach Beschlüssen von Vorstand. Aufsichtsrat und General¬
versammlung richten muß, er bedarf keiner Trinkgelder an die Dienstboten
U"d giebt also auch keine, er bedarf keiner Reklame und macht also auch keine,
^ hat normale Preise, aber er schleudert nie. Wie ganz anders hat der
Kaufmann mit seinen Genossen und namentlich mit Neulingen zu kämpfen, die
s"h Kunden erwerben wollen. Da werden die unlautersten Reklamen erlassen,
da werden die Dienstboten bestochen und zu Weihnachten beschenkt, die Preise
unterboten, der Konkurrent auch vielleicht verleumdet, und wenn sich Gelegen¬
heit bietet, selbst denunzirt. alles nur. um „ins Geschäft zu kommen."
Dem Konsumvcreiu gegenüber bedarf es keiner Schleuderpreise und keines
Aufwandes für Inserate. Neklamekarten, schriftlicher oder gedruckter An¬
erbietungen, keiner Trinkgelder und Geschenke, er verführt auch keinen Kunden
durch Verlockung zum Borgen. Kurz, der Konsumverein ist der anständigste


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[0277] Die Konsumvereine im deutschen Reiche ermitteln können. Wenn man damit vergleicht, wie viel Kolonial- und Lebensbedürfnisgeschüfte, wie viel Schundwaren- und Kurz- wcirengeschcifte, wie viele Bäcker und Fleischer es giebt, wie winzig klein er¬ scheint dann diese Zahl! Und diese 1412 Vereine sollten die vielen tausende ruiniren oder auch nur schädigen? Man wird nur eine sehr kleine Zahl unter ihnen finden, die mehr als ein gutes Geschäft in denselben Zweigen umsetzt, und jedes Jahr, ja jede Woche bringt doch in allen Geschäftszweigen neue Konkurrenz. Mag auch ein sehr großer Konsumverein das drei- oder vierfache eines guten Kvlvnialgeschäfts umsetzen, so viel Brot verkaufen als einige Bäcker zusammen, so kann das doch nur in einem großen Gemeinwesen möglich sein, wo ohnehin in einem Jahre so viele neue Geschäfte erstehen, daß diese dann zusammen weit mehr umsetzen als der Konsumverein. Einige sehr große Konsumvereine haben übrigens nur wenige Städte; obenan werden gewöhnlich Breslau und Görlitz gestellt. Die Konsumvereine dort sind aber keine Genossenschaften, sondern Aktienunternehmungen und siud anzusehen wie jedes andre Geschäft, wäg es einer Einzelfirma, einer offnen Handelsgesellschaft oder einer andern Art von Gesellschaft gehören. Daß der kleine Geschäftsmann gegenüber dem großen reichen Unternehmer "uf allen Geschüftsgcbieten einen schweren Kampf kämpft, ist ein Kapitel für sich und kaun bei der Konsumvereinsfragc ganz außer Betracht bleiben. Ist also bei 1412 Konsumvereinen im deutschen Reich die Mehrzahl der Städte und Gemeinden noch frei von dem, worüber die Gegner klagen, so ist °und die Klage an sich vielfach unberechtigt. Nicht nur, daß an Stelle jedes eingehenden Konsumvereinsladcns mindestens ein andrer Laden eröffnet werden würde — i„ Wirklichkeit sind zuweilen drei bis vier sür einen aufgethan worden -, ""d daß ohnehin die Konkurrenz stetig wächst, thatsächlich ist der Konsum- "ereilt der angenehmste Konkurrent. Er hat seinen festen Kundenkreis und 'inen, der sich nach Beschlüssen von Vorstand. Aufsichtsrat und General¬ versammlung richten muß, er bedarf keiner Trinkgelder an die Dienstboten U"d giebt also auch keine, er bedarf keiner Reklame und macht also auch keine, ^ hat normale Preise, aber er schleudert nie. Wie ganz anders hat der Kaufmann mit seinen Genossen und namentlich mit Neulingen zu kämpfen, die s"h Kunden erwerben wollen. Da werden die unlautersten Reklamen erlassen, da werden die Dienstboten bestochen und zu Weihnachten beschenkt, die Preise unterboten, der Konkurrent auch vielleicht verleumdet, und wenn sich Gelegen¬ heit bietet, selbst denunzirt. alles nur. um „ins Geschäft zu kommen." Dem Konsumvcreiu gegenüber bedarf es keiner Schleuderpreise und keines Aufwandes für Inserate. Neklamekarten, schriftlicher oder gedruckter An¬ erbietungen, keiner Trinkgelder und Geschenke, er verführt auch keinen Kunden durch Verlockung zum Borgen. Kurz, der Konsumverein ist der anständigste

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_223583/277>, abgerufen am 08.01.2025.