Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.Line Geschichte der Juden das Mittelalter zeichnet sich in dieser Hinsicht nur dadurch vor andern Zeiten Das war ja nun überhaupt das Schicksal alles Judenvermögens im spätern Line Geschichte der Juden das Mittelalter zeichnet sich in dieser Hinsicht nur dadurch vor andern Zeiten Das war ja nun überhaupt das Schicksal alles Judenvermögens im spätern <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0223" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/223807"/> <fw type="header" place="top"> Line Geschichte der Juden</fw><lb/> <p xml:id="ID_651" prev="#ID_650"> das Mittelalter zeichnet sich in dieser Hinsicht nur dadurch vor andern Zeiten<lb/> aus, daß es auch geistliche Ritter hatte, und zwar in dem doppelten Sinne,<lb/> daß wirkliche Ritter fromme Fahrten unternahmen und sogar geistliche Orden<lb/> bildeten, und daß geistliche Nutznießer von Landgütern ein ritterliches Leben<lb/> führten. Schildert doch Nübling selbst, wie „im heiligen Lande das christliche<lb/> Junkertum im Bunde mit dem jüdischen Großkapital ein zügelloses Schlemmer¬<lb/> leben" führt, wie die Stadtjunker, die Geschlechter, mit den Geld vorschießenden<lb/> Juden unter einer Decke stecken, das Staotvermvgen verschwenden und zur Be¬<lb/> streitung ihrer Üppigkeit wie zur Befriedigung ihrer jüdischen Gläubiger die<lb/> Bürger mit Steuern drücken, bis sie von den Zünften verjagt werden, wie<lb/> dann aber auch die herrschenden Zunftherrcn zuerst die Neste des mit Beschlag<lb/> belegte» Geschlechtervermögens und dann das eingezogne Judenvermvgen durch-<lb/> dringen und es nicht anders treiben als ihre Vorgänger, wie endlich liederliche<lb/> Klosteräbte das Stiftsvermvgeu verschwenden und die Stiftsgüter in der Juden<lb/> Hände bringen. Es mag etwas wahres an Nüblings Behauptung sein, daß<lb/> die Juden das Raubrittertum erzeugt Hütten, aber jedermann ersieht aus diesen<lb/> Andeutungen, auf welchem Wege das geschehen ist. Nachdem die Ritter ihre<lb/> Stammgüter teils durchgebracht, teils deren Ertrag verpfändet und sich in eine<lb/> Lage versetzt hatten, wo sie nichts mehr geliehen bekamen, blieb ihnen aller¬<lb/> dings nichts weiter übrig, als der Erwerb „aus dem Stegreif." Aber wir<lb/> sind nicht weichherzig genug, mit diesen Herren, deren einige Viktor Scheffel<lb/> so naturgetreu gezeichnet hat, sonderliches Mitleid zu fühlen. Freilich gab es<lb/> auch unverschuldete Not; diese fing für Ritter und Bauern von dem Zeitpunkte<lb/> an, wo die Kinder nicht mehr mit Kolonialland versorgt werden konnten und<lb/> sämtlich aus dem Stammgut ausgestattet werden mußten, das nun entweder<lb/> geteilt oder mit Schulden belastet wurde. Übrigens blieb das, was die Ritter<lb/> verloren hatten, nicht in den Händen der Juden, sondern ging in den Besitz<lb/> teils der Landesherren, teils der Städte über.</p><lb/> <p xml:id="ID_652" next="#ID_653"> Das war ja nun überhaupt das Schicksal alles Judenvermögens im spätern<lb/> Mittelalter, während sich die Juden unter den Karolingern eines soliden Reich¬<lb/> tums erfreut hatten, mit dem sie ohne Scheu prunken und den sie in gesicherter<lb/> und ehrenvoller Stellung genießen durften. Seit den Kreuzzügen heißt es<lb/> vom Judeureichtum: wie gewonnen, so zerronnen. Kaum hat sich so ein<lb/> Blutegel vollgesogen, wird er auch schon wieder ausgequetscht. Von dem<lb/> Reichtum der mittelalterlichen deutschen Juden wird wenig auf ihre armseligen<lb/> Nachkommen übergegangen sein, die im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert<lb/> ein kümmerliches Leben gefristet haben; der heutige Judenreichtum ist neuern<lb/> Ursprungs. Im großen und ganzen — diesen Eindruck macht auch Nüblings<lb/> Darstellung — ist der jüdische Wucherer nicht der Mann, der das Ausbeu¬<lb/> tungspumpwerk handhabt, sondern nur der Pumpenschwengel. Das meiste er¬<lb/> beuten ja nicht die wüsten Volkshaufen, die von Zeit zu Zeit die Juden tot-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0223]
Line Geschichte der Juden
das Mittelalter zeichnet sich in dieser Hinsicht nur dadurch vor andern Zeiten
aus, daß es auch geistliche Ritter hatte, und zwar in dem doppelten Sinne,
daß wirkliche Ritter fromme Fahrten unternahmen und sogar geistliche Orden
bildeten, und daß geistliche Nutznießer von Landgütern ein ritterliches Leben
führten. Schildert doch Nübling selbst, wie „im heiligen Lande das christliche
Junkertum im Bunde mit dem jüdischen Großkapital ein zügelloses Schlemmer¬
leben" führt, wie die Stadtjunker, die Geschlechter, mit den Geld vorschießenden
Juden unter einer Decke stecken, das Staotvermvgen verschwenden und zur Be¬
streitung ihrer Üppigkeit wie zur Befriedigung ihrer jüdischen Gläubiger die
Bürger mit Steuern drücken, bis sie von den Zünften verjagt werden, wie
dann aber auch die herrschenden Zunftherrcn zuerst die Neste des mit Beschlag
belegte» Geschlechtervermögens und dann das eingezogne Judenvermvgen durch-
dringen und es nicht anders treiben als ihre Vorgänger, wie endlich liederliche
Klosteräbte das Stiftsvermvgeu verschwenden und die Stiftsgüter in der Juden
Hände bringen. Es mag etwas wahres an Nüblings Behauptung sein, daß
die Juden das Raubrittertum erzeugt Hütten, aber jedermann ersieht aus diesen
Andeutungen, auf welchem Wege das geschehen ist. Nachdem die Ritter ihre
Stammgüter teils durchgebracht, teils deren Ertrag verpfändet und sich in eine
Lage versetzt hatten, wo sie nichts mehr geliehen bekamen, blieb ihnen aller¬
dings nichts weiter übrig, als der Erwerb „aus dem Stegreif." Aber wir
sind nicht weichherzig genug, mit diesen Herren, deren einige Viktor Scheffel
so naturgetreu gezeichnet hat, sonderliches Mitleid zu fühlen. Freilich gab es
auch unverschuldete Not; diese fing für Ritter und Bauern von dem Zeitpunkte
an, wo die Kinder nicht mehr mit Kolonialland versorgt werden konnten und
sämtlich aus dem Stammgut ausgestattet werden mußten, das nun entweder
geteilt oder mit Schulden belastet wurde. Übrigens blieb das, was die Ritter
verloren hatten, nicht in den Händen der Juden, sondern ging in den Besitz
teils der Landesherren, teils der Städte über.
Das war ja nun überhaupt das Schicksal alles Judenvermögens im spätern
Mittelalter, während sich die Juden unter den Karolingern eines soliden Reich¬
tums erfreut hatten, mit dem sie ohne Scheu prunken und den sie in gesicherter
und ehrenvoller Stellung genießen durften. Seit den Kreuzzügen heißt es
vom Judeureichtum: wie gewonnen, so zerronnen. Kaum hat sich so ein
Blutegel vollgesogen, wird er auch schon wieder ausgequetscht. Von dem
Reichtum der mittelalterlichen deutschen Juden wird wenig auf ihre armseligen
Nachkommen übergegangen sein, die im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert
ein kümmerliches Leben gefristet haben; der heutige Judenreichtum ist neuern
Ursprungs. Im großen und ganzen — diesen Eindruck macht auch Nüblings
Darstellung — ist der jüdische Wucherer nicht der Mann, der das Ausbeu¬
tungspumpwerk handhabt, sondern nur der Pumpenschwengel. Das meiste er¬
beuten ja nicht die wüsten Volkshaufen, die von Zeit zu Zeit die Juden tot-
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