Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.Line Geschichte der Juden umschlugen, weist die Ansicht zurück, als ob durch den Sieg des Christentums Da der Handel mit Gefangnen und Leibeignen einen Hauptzweig des da¬ Übertreibung liegt in der Natur der Parteikämpfe, und wir sind heute Da in den Sarazenenlnndern besonders die NnclMM nach Verschnittenen lebhaft war, und demnach von den Sklavenhändlern, zu denen übrigens auch die frommen Verehrer des heiligen Markus gehörten, förmliche Eunuchenfabriken nnterhnltcn wurden, so wäre zu unter¬ suchen, ob daraus nicht die Sage von den Ritunlmordeu entstanden ist; werden ja doch viele Christenknnben an der grausamen und abscheulichen Operation gestorben sein. Dieser durch seine politische Thätigkeit unter Ludwig dem Frommen und durch seinen
vorurteilsloser Geist -- er bekämpfte alle Arten von Aberglauben -- berühmte Erzbischof von Lyon hat ein Schreiben ne> in8o1ont,in.tnüiworuin an jenen Kaiser gerichtet, der ganz von Weibern und geldgierigen Hofschranzen und daher mittelbar von Geldjuden abhängig war. Line Geschichte der Juden umschlugen, weist die Ansicht zurück, als ob durch den Sieg des Christentums Da der Handel mit Gefangnen und Leibeignen einen Hauptzweig des da¬ Übertreibung liegt in der Natur der Parteikämpfe, und wir sind heute Da in den Sarazenenlnndern besonders die NnclMM nach Verschnittenen lebhaft war, und demnach von den Sklavenhändlern, zu denen übrigens auch die frommen Verehrer des heiligen Markus gehörten, förmliche Eunuchenfabriken nnterhnltcn wurden, so wäre zu unter¬ suchen, ob daraus nicht die Sage von den Ritunlmordeu entstanden ist; werden ja doch viele Christenknnben an der grausamen und abscheulichen Operation gestorben sein. Dieser durch seine politische Thätigkeit unter Ludwig dem Frommen und durch seinen
vorurteilsloser Geist — er bekämpfte alle Arten von Aberglauben — berühmte Erzbischof von Lyon hat ein Schreiben ne> in8o1ont,in.tnüiworuin an jenen Kaiser gerichtet, der ganz von Weibern und geldgierigen Hofschranzen und daher mittelbar von Geldjuden abhängig war. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0221" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/223805"/> <fw type="header" place="top"> Line Geschichte der Juden</fw><lb/> <p xml:id="ID_646" prev="#ID_645"> umschlugen, weist die Ansicht zurück, als ob durch den Sieg des Christentums<lb/> ihre Lage verschlimmert worden wäre, und erzählt, wie sie unter dem theodo-<lb/> sischen Kaiserhause, dann unter den Merowingern und den Karolingern zu<lb/> immer höherer Macht emporstiegen. Weil Wenzels ältere Geschichte der Deutschen<lb/> ein seltenes Buch geworden ist, wollen wir den Schluß dieses Abschnitts her¬<lb/> setzen:</p><lb/> <p xml:id="ID_647"> Da der Handel mit Gefangnen und Leibeignen einen Hauptzweig des da¬<lb/> maligen Verkehrs ausmachte, so war nichts häufiger als die für den Religionsstolz<lb/> des Zeitalters empörende Erscheinung, daß Christen Leibeigne der Juden waren,<lb/> van denen ganze Herden solcher Leibeignen ins heidnische Ausland, besonders an<lb/> die Mauren nach Spanien verkauft wurden.*) Zwar enthält schon der theodosia-<lb/> nische Kodex Verordnungen über das Verhältnis christlicher Sklaven zu jüdischen<lb/> Herren, zwar hatten schon unter den merowingischen Königen Konzilienbeschlüsse<lb/> gegen jenen Mißbrauch geeifert, und den Verkauf der Knechte außerhalb der frän¬<lb/> kischen Grenze untersagt, damit nicht Christen in ewige Gefangenschaft und jüdische<lb/> Sklaverei geraten möchten, zwar verbot das Gesetz der Allemannen überhaupt allen<lb/> Verkauf der Christensklaven an Juden und Heiden: dennoch reizte dieser Übelstand<lb/> noch zu Agobards^) Zeiten den Eifer dieses Bischofs. Aber auch abgesehen von<lb/> dem allen war das ganze staatsbürgerliche Verhältnis der Juden sehr dazu geeignet,<lb/> die eifrigen Christen zu erbittern, und die weniger Frommen zum Übertritt ins<lb/> Judentum zu verleiten: uicht die bessern Predigten der Rabbinen, sondern die Vor¬<lb/> teile, die die Juden voraus hatten, führten der Synagoge Proselyten zu. Während<lb/> die übrigen Landesbewohner der Last des Kriegsdienstes erlagen und ihr zu ent¬<lb/> gehen scharenweise in Leibeigenschaft traten, trieben die Juden, durch das Gesetz<lb/> des Honorius von dieser Verbindlichkeit frei, einträgliche Handelsgeschäfte; während<lb/> die Kirche von den Christen den Zehnten, die kaiserlichen Grafen aber das schwere<lb/> Lösegeld des Heerbanns erpreßten und das Joch hundertfältiger Abhängigkeiten<lb/> und Dienstpflichten auf ihren Nacken legten, blieben die Juden allein, gleich den<lb/> höchsten Neichsbeamten, unmittelbare Unterthanen des Kaisers, in der allgemeinen<lb/> Knechtschaft der Welt fast die einzigen Freien. Hierzu rechne man den Druck der<lb/> kirchlichen Zeremonialgesetze, die zum Teil mit Geldstrafen, Schlägen und Glieder¬<lb/> verlust verpönte Verpflichtung zum Fasten und zum Gottesdienst, und man wird<lb/> es nicht wunderbar finden, daß die Synagogen einigen ersehnte Zufluchtsörter<lb/> schienen, von der Mehrzahl des Volks aber mit den Augen des Neides und der<lb/> Erbitterung angesehen wurden.</p><lb/> <p xml:id="ID_648" next="#ID_649"> Übertreibung liegt in der Natur der Parteikämpfe, und wir sind heute<lb/> längst daran gewohnt, zu sehen, wie alle Übel der Welt bald von den Jesuiten,<lb/> bald von den Freimaurern, bald von den Kapitalisten, bald von den Sozia-</p><lb/> <note xml:id="FID_35" place="foot"> Da in den Sarazenenlnndern besonders die NnclMM nach Verschnittenen lebhaft war,<lb/> und demnach von den Sklavenhändlern, zu denen übrigens auch die frommen Verehrer des<lb/> heiligen Markus gehörten, förmliche Eunuchenfabriken nnterhnltcn wurden, so wäre zu unter¬<lb/> suchen, ob daraus nicht die Sage von den Ritunlmordeu entstanden ist; werden ja doch viele<lb/> Christenknnben an der grausamen und abscheulichen Operation gestorben sein.</note><lb/> <note xml:id="FID_36" place="foot"> Dieser durch seine politische Thätigkeit unter Ludwig dem Frommen und durch seinen<lb/> vorurteilsloser Geist — er bekämpfte alle Arten von Aberglauben — berühmte Erzbischof von<lb/> Lyon hat ein Schreiben ne> in8o1ont,in.tnüiworuin an jenen Kaiser gerichtet, der ganz von<lb/> Weibern und geldgierigen Hofschranzen und daher mittelbar von Geldjuden abhängig war.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0221]
Line Geschichte der Juden
umschlugen, weist die Ansicht zurück, als ob durch den Sieg des Christentums
ihre Lage verschlimmert worden wäre, und erzählt, wie sie unter dem theodo-
sischen Kaiserhause, dann unter den Merowingern und den Karolingern zu
immer höherer Macht emporstiegen. Weil Wenzels ältere Geschichte der Deutschen
ein seltenes Buch geworden ist, wollen wir den Schluß dieses Abschnitts her¬
setzen:
Da der Handel mit Gefangnen und Leibeignen einen Hauptzweig des da¬
maligen Verkehrs ausmachte, so war nichts häufiger als die für den Religionsstolz
des Zeitalters empörende Erscheinung, daß Christen Leibeigne der Juden waren,
van denen ganze Herden solcher Leibeignen ins heidnische Ausland, besonders an
die Mauren nach Spanien verkauft wurden.*) Zwar enthält schon der theodosia-
nische Kodex Verordnungen über das Verhältnis christlicher Sklaven zu jüdischen
Herren, zwar hatten schon unter den merowingischen Königen Konzilienbeschlüsse
gegen jenen Mißbrauch geeifert, und den Verkauf der Knechte außerhalb der frän¬
kischen Grenze untersagt, damit nicht Christen in ewige Gefangenschaft und jüdische
Sklaverei geraten möchten, zwar verbot das Gesetz der Allemannen überhaupt allen
Verkauf der Christensklaven an Juden und Heiden: dennoch reizte dieser Übelstand
noch zu Agobards^) Zeiten den Eifer dieses Bischofs. Aber auch abgesehen von
dem allen war das ganze staatsbürgerliche Verhältnis der Juden sehr dazu geeignet,
die eifrigen Christen zu erbittern, und die weniger Frommen zum Übertritt ins
Judentum zu verleiten: uicht die bessern Predigten der Rabbinen, sondern die Vor¬
teile, die die Juden voraus hatten, führten der Synagoge Proselyten zu. Während
die übrigen Landesbewohner der Last des Kriegsdienstes erlagen und ihr zu ent¬
gehen scharenweise in Leibeigenschaft traten, trieben die Juden, durch das Gesetz
des Honorius von dieser Verbindlichkeit frei, einträgliche Handelsgeschäfte; während
die Kirche von den Christen den Zehnten, die kaiserlichen Grafen aber das schwere
Lösegeld des Heerbanns erpreßten und das Joch hundertfältiger Abhängigkeiten
und Dienstpflichten auf ihren Nacken legten, blieben die Juden allein, gleich den
höchsten Neichsbeamten, unmittelbare Unterthanen des Kaisers, in der allgemeinen
Knechtschaft der Welt fast die einzigen Freien. Hierzu rechne man den Druck der
kirchlichen Zeremonialgesetze, die zum Teil mit Geldstrafen, Schlägen und Glieder¬
verlust verpönte Verpflichtung zum Fasten und zum Gottesdienst, und man wird
es nicht wunderbar finden, daß die Synagogen einigen ersehnte Zufluchtsörter
schienen, von der Mehrzahl des Volks aber mit den Augen des Neides und der
Erbitterung angesehen wurden.
Übertreibung liegt in der Natur der Parteikämpfe, und wir sind heute
längst daran gewohnt, zu sehen, wie alle Übel der Welt bald von den Jesuiten,
bald von den Freimaurern, bald von den Kapitalisten, bald von den Sozia-
Da in den Sarazenenlnndern besonders die NnclMM nach Verschnittenen lebhaft war,
und demnach von den Sklavenhändlern, zu denen übrigens auch die frommen Verehrer des
heiligen Markus gehörten, förmliche Eunuchenfabriken nnterhnltcn wurden, so wäre zu unter¬
suchen, ob daraus nicht die Sage von den Ritunlmordeu entstanden ist; werden ja doch viele
Christenknnben an der grausamen und abscheulichen Operation gestorben sein.
Dieser durch seine politische Thätigkeit unter Ludwig dem Frommen und durch seinen
vorurteilsloser Geist — er bekämpfte alle Arten von Aberglauben — berühmte Erzbischof von
Lyon hat ein Schreiben ne> in8o1ont,in.tnüiworuin an jenen Kaiser gerichtet, der ganz von
Weibern und geldgierigen Hofschranzen und daher mittelbar von Geldjuden abhängig war.
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