Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.Die deutsche Auswanderung nach Brasilien worden, wird den Kolonisten wirklich guter Boden angewiesen und nicht etwa Dürfen wir nun hoffen, wenn wieder eine deutsche Massenauswanderung nach Die deutsche Auswanderung nach Brasilien worden, wird den Kolonisten wirklich guter Boden angewiesen und nicht etwa Dürfen wir nun hoffen, wenn wieder eine deutsche Massenauswanderung nach <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0211" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/223795"/> <fw type="header" place="top"> Die deutsche Auswanderung nach Brasilien</fw><lb/> <p xml:id="ID_621" prev="#ID_620"> worden, wird den Kolonisten wirklich guter Boden angewiesen und nicht etwa<lb/> schlecht rentirende Güter, die hcruntergckommnen Fazendeiros aus politischen<lb/> oder verwandtschaftlichen Rücksichten abgekauft worden sind, sind die Verkehrs¬<lb/> wege genügend, und ist die Möglichkeit eines günstigen Absatzes der Boden-<lb/> crzeugnisse gesichert, so haben es die Kolonien sehr oft zu einer erfreulichen<lb/> Blüte gebracht und versorgen jetzt die Kaffee- und Tabakbau treibenden Landes-<lb/> teile mit den Erzeugnissen ihrer Viehzucht und ihres Ackerbaues. Aber die Fälle<lb/> sind auch gar nicht selten, daß den Kolonisten Landstriche angewiesen wurden,<lb/> wo sie unmöglich gedeihen konnten, und die Folgen waren dann jene berech¬<lb/> tigten Klagen, die durch die Spalten der deutschen Blätter liefen und die Aus¬<lb/> wanderung nach Brasilien — wobei man die Verhältnisse in den südlichen<lb/> Provinzen von denen der nördlich vom Wendekreis des Steinbocks liegenden<lb/> heißern und ungesunden, Länder vielfach nicht unterschied —, mehr als sich<lb/> gebührte, in Verruf brachten. Eine Sache für sich, auf die wir hier nicht<lb/> näher einzugehen brauchen, ist der Zuzug von Kolonisten, die auf eigne Hand<lb/> vorgehen und sich mit eignen Mitteln ankaufen, wo ihnen die Verhältnisse am<lb/> günstigsten zu sein scheinen.</p><lb/> <p xml:id="ID_622" next="#ID_623"> Dürfen wir nun hoffen, wenn wieder eine deutsche Massenauswanderung nach<lb/> jenen Provinzen gelenkt werden soll, daß nun die vielfachen Mißstände, die<lb/> mit dem geschilderten Verfahren verbunden sind, wegfallen werden? Für<lb/> Auswandrer, die sich bei den beiden genannten deutschen Unternehmungen an¬<lb/> werben lassen, wird diese Frage wohl zu bejahen sein, da an ihrer Spitze<lb/> Männer stehen, von denen anzunehmen ist, daß sie auf das Wohl der ihrer<lb/> Obhut anvertrauten Volksgenossen nach Kräften bedacht sein werden. Aber<lb/> die Hamburg-südamerikanische Dampfschiffahrtsgesellschaft kann auf den<lb/> 100000 Hektaren, die sie erhalten wird, nach der Berechnung von Koseritz<lb/> »Deutscher Zeitung" nur viertausend Familien ansiedeln, und dabei heißt es<lb/> noch in Absatz 5 des „Despacho," den die Gesellschaft vom Staatspräsidenten<lb/> erhalte,, hat: „Die Einwandrer sollen verschiedner Nationalität und jede Nation<lb/> etwa gleich stark vertreten sein." Welchen Umfang die Landerwerbungen der in<lb/> Porto Alegre neu gegründeten deutschen Gesellschaft erreichen werden, ist noch<lb/> nicht abzusehen — die Gesellschaft arbeitet zunächst mit einem Kapital von<lb/> vierhundert Contos, will aber gleichzeitig die Ausbeute der von ihr erworbnen<lb/> Goldminen nach der Grenze von Paraguay hin in Angriff nehmen — und<lb/> die Konzession wird schwerlich ohne Beibehaltung der der andern Gesellschaft<lb/> aufgezwungnen Klausel ausgefertigt werden. Wenn aber einmal die Aus-<lb/> wandrnng im großen Stile eingeleitet werden soll, so stehen noch viel größere<lb/> Landeinkäufe bevor, und außer Rio Grande do Sui, wo die beiden Gesell¬<lb/> schaften ihre Ländereien erworben haben, kommen dann noch, wenn wir von<lb/> Sav Paulo noch absehen wollen, Santa Catharina und vor allem Parana<lb/> in Betracht, von denen das zweite nach einer allerdings ziemlich in der Luft</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0211]
Die deutsche Auswanderung nach Brasilien
worden, wird den Kolonisten wirklich guter Boden angewiesen und nicht etwa
schlecht rentirende Güter, die hcruntergckommnen Fazendeiros aus politischen
oder verwandtschaftlichen Rücksichten abgekauft worden sind, sind die Verkehrs¬
wege genügend, und ist die Möglichkeit eines günstigen Absatzes der Boden-
crzeugnisse gesichert, so haben es die Kolonien sehr oft zu einer erfreulichen
Blüte gebracht und versorgen jetzt die Kaffee- und Tabakbau treibenden Landes-
teile mit den Erzeugnissen ihrer Viehzucht und ihres Ackerbaues. Aber die Fälle
sind auch gar nicht selten, daß den Kolonisten Landstriche angewiesen wurden,
wo sie unmöglich gedeihen konnten, und die Folgen waren dann jene berech¬
tigten Klagen, die durch die Spalten der deutschen Blätter liefen und die Aus¬
wanderung nach Brasilien — wobei man die Verhältnisse in den südlichen
Provinzen von denen der nördlich vom Wendekreis des Steinbocks liegenden
heißern und ungesunden, Länder vielfach nicht unterschied —, mehr als sich
gebührte, in Verruf brachten. Eine Sache für sich, auf die wir hier nicht
näher einzugehen brauchen, ist der Zuzug von Kolonisten, die auf eigne Hand
vorgehen und sich mit eignen Mitteln ankaufen, wo ihnen die Verhältnisse am
günstigsten zu sein scheinen.
Dürfen wir nun hoffen, wenn wieder eine deutsche Massenauswanderung nach
jenen Provinzen gelenkt werden soll, daß nun die vielfachen Mißstände, die
mit dem geschilderten Verfahren verbunden sind, wegfallen werden? Für
Auswandrer, die sich bei den beiden genannten deutschen Unternehmungen an¬
werben lassen, wird diese Frage wohl zu bejahen sein, da an ihrer Spitze
Männer stehen, von denen anzunehmen ist, daß sie auf das Wohl der ihrer
Obhut anvertrauten Volksgenossen nach Kräften bedacht sein werden. Aber
die Hamburg-südamerikanische Dampfschiffahrtsgesellschaft kann auf den
100000 Hektaren, die sie erhalten wird, nach der Berechnung von Koseritz
»Deutscher Zeitung" nur viertausend Familien ansiedeln, und dabei heißt es
noch in Absatz 5 des „Despacho," den die Gesellschaft vom Staatspräsidenten
erhalte,, hat: „Die Einwandrer sollen verschiedner Nationalität und jede Nation
etwa gleich stark vertreten sein." Welchen Umfang die Landerwerbungen der in
Porto Alegre neu gegründeten deutschen Gesellschaft erreichen werden, ist noch
nicht abzusehen — die Gesellschaft arbeitet zunächst mit einem Kapital von
vierhundert Contos, will aber gleichzeitig die Ausbeute der von ihr erworbnen
Goldminen nach der Grenze von Paraguay hin in Angriff nehmen — und
die Konzession wird schwerlich ohne Beibehaltung der der andern Gesellschaft
aufgezwungnen Klausel ausgefertigt werden. Wenn aber einmal die Aus-
wandrnng im großen Stile eingeleitet werden soll, so stehen noch viel größere
Landeinkäufe bevor, und außer Rio Grande do Sui, wo die beiden Gesell¬
schaften ihre Ländereien erworben haben, kommen dann noch, wenn wir von
Sav Paulo noch absehen wollen, Santa Catharina und vor allem Parana
in Betracht, von denen das zweite nach einer allerdings ziemlich in der Luft
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