Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.Die preußischen Richter und Gerichtsassessoren unterkommen kann, um seine Leistungen dort besser zu verwerten, als in der Ja selbst nach Beseitigung aller Einzelunterschiede wird die Neigung der Die Verwaltung ist die Lieblingstochter des Staates. Sie ist das So kommt es, daß die Verwaltung überall ausgezeichnet wird, daß Die preußischen Richter und Gerichtsassessoren unterkommen kann, um seine Leistungen dort besser zu verwerten, als in der Ja selbst nach Beseitigung aller Einzelunterschiede wird die Neigung der Die Verwaltung ist die Lieblingstochter des Staates. Sie ist das So kommt es, daß die Verwaltung überall ausgezeichnet wird, daß <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0194" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/223778"/> <fw type="header" place="top"> Die preußischen Richter und Gerichtsassessoren</fw><lb/> <p xml:id="ID_568" prev="#ID_567"> unterkommen kann, um seine Leistungen dort besser zu verwerten, als in der<lb/> Justiz. Die Verwaltungen aber, denen sich bis jetzt aus den großen Massen<lb/> die bessern dargeboten haben, werden dann von den guten die besten erhalten.<lb/> Und was wird bei der Justiz bleiben? Leute, denen es an Einblick in die<lb/> Verwaltungslaufbahn fehlt, weil sie keine Gelegenheit gehabt haben, in Städten<lb/> mit größern Verwaltungssitzcn zu leben und mit Verwaltungsbeamten in Be¬<lb/> rührung zu kommen, und die sich deshalb aus der Justiz nicht herauswagen,<lb/> also Leute, die nichts besseres kennen gelernt haben; ihre Zahl wird sich bei<lb/> der zunehmenden Ausdehnung der Verwaltung notwendig verkleinern. Ferner<lb/> Leute, die es infolge beschränkter Vermögensverhältnisse oder aus sonstigen<lb/> Ursachen gewohnt sind, mit dürftigen Mitteln auszukommen, die sich infolge¬<lb/> dessen aus kleinen Orten nicht heraussehnen und sich in bescheidnen Verhält¬<lb/> nissen mit geringem Gehalte wohl fühlen, bereitwilligst damit eine Menge<lb/> Kinder ernähren und auf ein Streben nach Verbesserung ihrer Lage verzichten.<lb/> Alle die aber, die durch solche Schicksalsführung nicht an die Justiz gefesselt<lb/> sind, werden ihr später noch schneller als bisher den Rücken kehren.</p><lb/> <p xml:id="ID_569"> Ja selbst nach Beseitigung aller Einzelunterschiede wird die Neigung der<lb/> bessern doch immer überwiegend auf der Seite der Verwaltung sein, solange<lb/> sich nicht der preußische Staat entschließen kann, einen Grundfehler in ihrer<lb/> Auffassung zu beseitigen.</p><lb/> <p xml:id="ID_570"> Die Verwaltung ist die Lieblingstochter des Staates. Sie ist das<lb/> geschmeidige gute Kind, das alles gern thut, was es dem Vater an den Augen<lb/> absehen kann, sie bringt ihm die Einkünfte, von denen er lebt, er verdankt ihr<lb/> seinen Unterhalt, und er vergißt es nicht, dankbar zu sein und sie dadurch<lb/> aufzumuntern. Die Justiz ist das häßliche Kind, das eine Binde vor den<lb/> Augen trägt, uur den geraden Weg gehen kann und dem Vater dadurch oft<lb/> unbequem wird. Sie bringt ihm auch kein Geld, sondern sie kostet welches,<lb/> er muß sie ernähren. Sie fördert nicht unmittelbar das Staatswohl, sondern<lb/> sie verrichtet Aschenbrödeldienste, sie hält nur das Entstehen von Unordnung<lb/> ab und hat die Räder der Staatsmaschine nur frei zu halten von Schlacken,<lb/> damit der Betrieb nicht gestört werde. Sie gleicht dem Arzte, den jeder als<lb/> notwendiges Übel betrachtet und nur solange aufsucht, als er ihn braucht;<lb/> dann ist er froh, wenn er nichts mehr mit ihm zu thun hat und ihn mit<lb/> einem möglichst geringen Honorar abfinden kann.</p><lb/> <p xml:id="ID_571" next="#ID_572"> So kommt es, daß die Verwaltung überall ausgezeichnet wird, daß<lb/> die Form der Höflichkeit bei ihr zu Hause ist, daß die Behörden von hohen<lb/> und höchsten Instanzen bei allen Gelegenheiten in Schutz genommen werden,<lb/> daß sich diese angenehmen Formen in allen Zweigen des Dienstes ein¬<lb/> gebürgert haben, und daß der Verkehr der Beamten mit den Vorgesetzten<lb/> — natürlich mit Ausnahmen — leicht und unbefangen ist, weil er auf gegen¬<lb/> seitiger Willfährigkeit beruht. Und die Folge derselben Anschauungen ist es,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0194]
Die preußischen Richter und Gerichtsassessoren
unterkommen kann, um seine Leistungen dort besser zu verwerten, als in der
Justiz. Die Verwaltungen aber, denen sich bis jetzt aus den großen Massen
die bessern dargeboten haben, werden dann von den guten die besten erhalten.
Und was wird bei der Justiz bleiben? Leute, denen es an Einblick in die
Verwaltungslaufbahn fehlt, weil sie keine Gelegenheit gehabt haben, in Städten
mit größern Verwaltungssitzcn zu leben und mit Verwaltungsbeamten in Be¬
rührung zu kommen, und die sich deshalb aus der Justiz nicht herauswagen,
also Leute, die nichts besseres kennen gelernt haben; ihre Zahl wird sich bei
der zunehmenden Ausdehnung der Verwaltung notwendig verkleinern. Ferner
Leute, die es infolge beschränkter Vermögensverhältnisse oder aus sonstigen
Ursachen gewohnt sind, mit dürftigen Mitteln auszukommen, die sich infolge¬
dessen aus kleinen Orten nicht heraussehnen und sich in bescheidnen Verhält¬
nissen mit geringem Gehalte wohl fühlen, bereitwilligst damit eine Menge
Kinder ernähren und auf ein Streben nach Verbesserung ihrer Lage verzichten.
Alle die aber, die durch solche Schicksalsführung nicht an die Justiz gefesselt
sind, werden ihr später noch schneller als bisher den Rücken kehren.
Ja selbst nach Beseitigung aller Einzelunterschiede wird die Neigung der
bessern doch immer überwiegend auf der Seite der Verwaltung sein, solange
sich nicht der preußische Staat entschließen kann, einen Grundfehler in ihrer
Auffassung zu beseitigen.
Die Verwaltung ist die Lieblingstochter des Staates. Sie ist das
geschmeidige gute Kind, das alles gern thut, was es dem Vater an den Augen
absehen kann, sie bringt ihm die Einkünfte, von denen er lebt, er verdankt ihr
seinen Unterhalt, und er vergißt es nicht, dankbar zu sein und sie dadurch
aufzumuntern. Die Justiz ist das häßliche Kind, das eine Binde vor den
Augen trägt, uur den geraden Weg gehen kann und dem Vater dadurch oft
unbequem wird. Sie bringt ihm auch kein Geld, sondern sie kostet welches,
er muß sie ernähren. Sie fördert nicht unmittelbar das Staatswohl, sondern
sie verrichtet Aschenbrödeldienste, sie hält nur das Entstehen von Unordnung
ab und hat die Räder der Staatsmaschine nur frei zu halten von Schlacken,
damit der Betrieb nicht gestört werde. Sie gleicht dem Arzte, den jeder als
notwendiges Übel betrachtet und nur solange aufsucht, als er ihn braucht;
dann ist er froh, wenn er nichts mehr mit ihm zu thun hat und ihn mit
einem möglichst geringen Honorar abfinden kann.
So kommt es, daß die Verwaltung überall ausgezeichnet wird, daß
die Form der Höflichkeit bei ihr zu Hause ist, daß die Behörden von hohen
und höchsten Instanzen bei allen Gelegenheiten in Schutz genommen werden,
daß sich diese angenehmen Formen in allen Zweigen des Dienstes ein¬
gebürgert haben, und daß der Verkehr der Beamten mit den Vorgesetzten
— natürlich mit Ausnahmen — leicht und unbefangen ist, weil er auf gegen¬
seitiger Willfährigkeit beruht. Und die Folge derselben Anschauungen ist es,
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