Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.Die englischen Geiverkvereine in den Stand setze, die Lage zu überschauen, die Aussichten des Unternehmers Die Reden und Schriften der Unternehmer aus der Zeit, die zwischen ") Im Text steht "Anwender." So übersetzt Bernstein stets emplo^ör. Es ist richtig, daß
sich oiuxlo^or mit Unternehmer nicht deckt, und daß es nach unserm wie nach dem englischen Recht keine Brotherren mehr giebt. Thatsächlich aber sind, bei uns wenigstens, die Brotherren noch Brotherren, und so lange dieser Zustand noch dauert, brauchen wir kein neues Wort zu bilden. Die englischen Geiverkvereine in den Stand setze, die Lage zu überschauen, die Aussichten des Unternehmers Die Reden und Schriften der Unternehmer aus der Zeit, die zwischen ") Im Text steht „Anwender." So übersetzt Bernstein stets emplo^ör. Es ist richtig, daß
sich oiuxlo^or mit Unternehmer nicht deckt, und daß es nach unserm wie nach dem englischen Recht keine Brotherren mehr giebt. Thatsächlich aber sind, bei uns wenigstens, die Brotherren noch Brotherren, und so lange dieser Zustand noch dauert, brauchen wir kein neues Wort zu bilden. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0174" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/223758"/> <fw type="header" place="top"> Die englischen Geiverkvereine</fw><lb/> <p xml:id="ID_506" prev="#ID_505"> in den Stand setze, die Lage zu überschauen, die Aussichten des Unternehmers<lb/> auf den Ersatz seiner Arbeiter durch fremde abzuschätzen und falls diese Aus¬<lb/> sichten günstig seien, die Friedensverhandlungen einzuleiten. Gewaltthätigkeiten<lb/> würden auch von Arbeitern verurteilt, und diese hätten gegen die Bestrafung<lb/> von solchen durchaus nichts einzuwenden. Dieser Auffassung des Picketing<lb/> schließen sich auch die Wcbbs an.</p><lb/> <p xml:id="ID_507" next="#ID_508"> Die Reden und Schriften der Unternehmer aus der Zeit, die zwischen<lb/> achtzig bis fünfzig Jahren zurückliegt, sind den Organen des Freiherrn<lb/> v. Stumm als Fundgruben schöner Redensarten zu empfehlen. Besonders<lb/> rührend klingen die Ermahnungen an die Kattundrucker vns ok tllsir in^stöis<lb/> vom Jahre 1L15. „Wir haben eins nach dem andern bewilligt, was wir<lb/> männlich hätten verweigern sollen, und ihr habt euch, verblendet vom Erfolg,<lb/> von einer übertriebnen Forderung zur andern verleiten lassen, bis die Last zu<lb/> unerträglich geworden ist, sie zu tragen. Ihr bestimmt die Anzahl unsrer<lb/> Lehrlinge und oft sogar die Zahl unsrer Arbeiter. Ihr entlaßt Leute, die bei<lb/> uns in Arbeit stehen, und wollt andern nicht gestatten, an ihre Stelle zu treten.<lb/> Ihr setzt alle Walzendrnckmaschinen still und geht sogar so weit, vor unsern<lb/> Augen die Walzen zu zerstören. Ihr beschränkt die Anwendung der Cylinder¬<lb/> schnellpresse und diktirt sogar die Art der Muster, die sie drucken soll. Ihr<lb/> weigert euch, bei dringenden Gelegenheiten bei Kerzenlicht zu arbeiten und<lb/> zwingt sogar unsre Lehrlinge, dasselbe zu thun. Ihr entlaßt unsre Aufseher,<lb/> wenn sie euch nicht passen, und zwingt uns, widerwärtige Leute in Dienst zu<lb/> nehmen. Endlich trotzt ihr aller Disziplin und Ordnung, und statt euern<lb/> Brotherren") Ehrerbietung und Achtung zu erweisen, behandelt ihr sie mit be¬<lb/> leidigender Verachtung." Mau würde Mitleid empfinden mit dem Elend dieser<lb/> Herren, wenn man das damalige Arbeiterelend nicht kennte. Daß die Brot¬<lb/> herren ihre Arbeiter als Sklaven von Rechts wegen ansahen, geht aus einem<lb/> Manifest des Lord Londonderry vom 6. und 24. Juli 1844 hervor, worin<lb/> er die Kaufleute „seiner Stadt Seaham" warnte, seinen streikenden Arbeitern<lb/> Kredit zu geben, weil es weder gerecht noch unparteiisch sei, „daß sich die an¬<lb/> sässigen Händler in seiner eignen Stadt verbinden und die verblendeten Arbeiter<lb/> darin unterstützen, ihr Elend durch Beharren auf einem wahnsinnigen Streik<lb/> und einem ungerechten und sinnlosen Kampf gegen ihre Eigentümer und Herren<lb/> zu verlängern." Wenn die Arbeiterführer nicht all jene Jahrzehnte hindurch<lb/> fortwährend im Gefängnisse saßen, und wenn die Gewerkvereine vor der Über¬<lb/> macht ihrer mit dem Staate verbündeten Brotherren nicht erdrückt wurden, so</p><lb/> <note xml:id="FID_27" place="foot"> ") Im Text steht „Anwender." So übersetzt Bernstein stets emplo^ör. Es ist richtig, daß<lb/> sich oiuxlo^or mit Unternehmer nicht deckt, und daß es nach unserm wie nach dem englischen<lb/> Recht keine Brotherren mehr giebt. Thatsächlich aber sind, bei uns wenigstens, die Brotherren<lb/> noch Brotherren, und so lange dieser Zustand noch dauert, brauchen wir kein neues Wort zu<lb/> bilden.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0174]
Die englischen Geiverkvereine
in den Stand setze, die Lage zu überschauen, die Aussichten des Unternehmers
auf den Ersatz seiner Arbeiter durch fremde abzuschätzen und falls diese Aus¬
sichten günstig seien, die Friedensverhandlungen einzuleiten. Gewaltthätigkeiten
würden auch von Arbeitern verurteilt, und diese hätten gegen die Bestrafung
von solchen durchaus nichts einzuwenden. Dieser Auffassung des Picketing
schließen sich auch die Wcbbs an.
Die Reden und Schriften der Unternehmer aus der Zeit, die zwischen
achtzig bis fünfzig Jahren zurückliegt, sind den Organen des Freiherrn
v. Stumm als Fundgruben schöner Redensarten zu empfehlen. Besonders
rührend klingen die Ermahnungen an die Kattundrucker vns ok tllsir in^stöis
vom Jahre 1L15. „Wir haben eins nach dem andern bewilligt, was wir
männlich hätten verweigern sollen, und ihr habt euch, verblendet vom Erfolg,
von einer übertriebnen Forderung zur andern verleiten lassen, bis die Last zu
unerträglich geworden ist, sie zu tragen. Ihr bestimmt die Anzahl unsrer
Lehrlinge und oft sogar die Zahl unsrer Arbeiter. Ihr entlaßt Leute, die bei
uns in Arbeit stehen, und wollt andern nicht gestatten, an ihre Stelle zu treten.
Ihr setzt alle Walzendrnckmaschinen still und geht sogar so weit, vor unsern
Augen die Walzen zu zerstören. Ihr beschränkt die Anwendung der Cylinder¬
schnellpresse und diktirt sogar die Art der Muster, die sie drucken soll. Ihr
weigert euch, bei dringenden Gelegenheiten bei Kerzenlicht zu arbeiten und
zwingt sogar unsre Lehrlinge, dasselbe zu thun. Ihr entlaßt unsre Aufseher,
wenn sie euch nicht passen, und zwingt uns, widerwärtige Leute in Dienst zu
nehmen. Endlich trotzt ihr aller Disziplin und Ordnung, und statt euern
Brotherren") Ehrerbietung und Achtung zu erweisen, behandelt ihr sie mit be¬
leidigender Verachtung." Mau würde Mitleid empfinden mit dem Elend dieser
Herren, wenn man das damalige Arbeiterelend nicht kennte. Daß die Brot¬
herren ihre Arbeiter als Sklaven von Rechts wegen ansahen, geht aus einem
Manifest des Lord Londonderry vom 6. und 24. Juli 1844 hervor, worin
er die Kaufleute „seiner Stadt Seaham" warnte, seinen streikenden Arbeitern
Kredit zu geben, weil es weder gerecht noch unparteiisch sei, „daß sich die an¬
sässigen Händler in seiner eignen Stadt verbinden und die verblendeten Arbeiter
darin unterstützen, ihr Elend durch Beharren auf einem wahnsinnigen Streik
und einem ungerechten und sinnlosen Kampf gegen ihre Eigentümer und Herren
zu verlängern." Wenn die Arbeiterführer nicht all jene Jahrzehnte hindurch
fortwährend im Gefängnisse saßen, und wenn die Gewerkvereine vor der Über¬
macht ihrer mit dem Staate verbündeten Brotherren nicht erdrückt wurden, so
") Im Text steht „Anwender." So übersetzt Bernstein stets emplo^ör. Es ist richtig, daß
sich oiuxlo^or mit Unternehmer nicht deckt, und daß es nach unserm wie nach dem englischen
Recht keine Brotherren mehr giebt. Thatsächlich aber sind, bei uns wenigstens, die Brotherren
noch Brotherren, und so lange dieser Zustand noch dauert, brauchen wir kein neues Wort zu
bilden.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |