Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.Der Lrfolg auf Aktien zutage Besitz gleich Talent sei, und es ist ein noch häßlicheres Schauspiel, wenn Peinlich wirkt diese ganze Verkettung auch in dem Falle, daß sich einmal Der Begünstigung bestimmter durch den Besitz über die höherberechtigten Der Lrfolg auf Aktien zutage Besitz gleich Talent sei, und es ist ein noch häßlicheres Schauspiel, wenn Peinlich wirkt diese ganze Verkettung auch in dem Falle, daß sich einmal Der Begünstigung bestimmter durch den Besitz über die höherberechtigten <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0166" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/223750"/> <fw type="header" place="top"> Der Lrfolg auf Aktien</fw><lb/> <p xml:id="ID_491" prev="#ID_490"> zutage Besitz gleich Talent sei, und es ist ein noch häßlicheres Schauspiel, wenn<lb/> sie gelegentlich und gnädiglich einen begabten Dürftigen unter sich dulden,<lb/> etwa wie sich gewisse jüdische Geschäfte und Zeitungsredaktionen unter ihrem<lb/> Personal einen Renommirchristen halten.</p><lb/> <p xml:id="ID_492"> Peinlich wirkt diese ganze Verkettung auch in dem Falle, daß sich einmal<lb/> die öffentliche Meinung dagegen erhebt. Namentlich in der Reichshauptstadt<lb/> erwacht zu Zeiten ein demokratischer Widerstand gegen die künstliche Lorbeer¬<lb/> züchtung, man entdeckt in gewissen Fällen den Zusammenhang zwischen dem<lb/> Geldaufwand und dem Ruf eines Dichters, man enthüllt die vergoldeten<lb/> Drähte, die zwischen der planmäßigen Bevorzugung eines anspruchsvollen<lb/> modernen Strebers und dem Eifer von Vühnendirektorcn und kritischen Or¬<lb/> ganen laufen, man wird wild und sührt dann eine der beabsichtigten Nieder¬<lb/> lagen herbei, die unter Umstünden ein ernstgemeintes, durchaus achtbares Werk<lb/> als Pfuscherei erscheinen lassen. Daß mit einem großen Theater- oder Zei¬<lb/> tungsskandal der Litteratur so wenig ein Dienst geleistet ist, wie mit der<lb/> blöden Bewunderung, die vorher und nachher in zwanzig Fällen von den<lb/> goldnen Drähten ins Publikum getragen wird, braucht man nicht erst nach¬<lb/> zuweisen.</p><lb/> <p xml:id="ID_493" next="#ID_494"> Der Begünstigung bestimmter durch den Besitz über die höherberechtigten<lb/> und gleichberechtigten Mitbewerber erhobnen Dichtergruppen ist die einer ge¬<lb/> wissen Zahl von Malern verwandt, an deren Erfolg der Kunsthandel so er¬<lb/> kennbare Interessen hat, daß er sie ausschließlich in deu Vordergrund der<lb/> öffentlichen Teilnahme zu drängen sucht. Hier läßt sich von Erfolg auf Aktien<lb/> um so entschiedner sprechen, als gar kein Geheimnis daraus gemacht wird,<lb/> daß dieser oder jener Unternehmer eine beträchtliche Summe an dies oder<lb/> jenes Bild gewagt hat und nun alle Künste der Reklame und der persönlichen<lb/> Wirkung aufbietet, um dem Bild in allen größern Städten eine „Sensation"<lb/> zu sichern. Immerhin haben sich die Kreise der Maler und Bildhauer vou<lb/> einer bewußten Bevorzugung des Kapitals freier gehalten als die der<lb/> Litteratur, wenn es auch natürlich ist, daß der Besitz auch in ihnen eine ganz<lb/> andre Rolle spielt als vor Zeiten. Der Forderung, lieber alles zu malen als<lb/> Bilder, die als „Marktware" gebrandmarkt werden können (unter den Begriff<lb/> der Marktware fallen u. a. sämtliche Schöpfungen von Defregger, Vautier und<lb/> Andreas Ueberhand), sind die Vermögenden unter den Malern besser gewachsen<lb/> als die unbemittelten Talente. Die großen Würfe, mit denen eine ganze<lb/> Wand in den Kunstausstellungssälen gewonnen wird, die phantastischen Niesen¬<lb/> rahmen, die die Augen des Publikums sichrer auf sich ziehen als die Bilder<lb/> selbst, die Sonderausstellungen, in denen drei Dutzend Werke auf einmal einem<lb/> bis dahin Unberühmten zum lärmend verkündeten Namen verhelfen, sind lauter<lb/> Dinge, die eine volle Tasche voraussetzen. Gegen ein hochmütiges Sich-<lb/> nbschließen der Glückbegünstigten, ein Herabdrücken der ürmern Genossen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0166]
Der Lrfolg auf Aktien
zutage Besitz gleich Talent sei, und es ist ein noch häßlicheres Schauspiel, wenn
sie gelegentlich und gnädiglich einen begabten Dürftigen unter sich dulden,
etwa wie sich gewisse jüdische Geschäfte und Zeitungsredaktionen unter ihrem
Personal einen Renommirchristen halten.
Peinlich wirkt diese ganze Verkettung auch in dem Falle, daß sich einmal
die öffentliche Meinung dagegen erhebt. Namentlich in der Reichshauptstadt
erwacht zu Zeiten ein demokratischer Widerstand gegen die künstliche Lorbeer¬
züchtung, man entdeckt in gewissen Fällen den Zusammenhang zwischen dem
Geldaufwand und dem Ruf eines Dichters, man enthüllt die vergoldeten
Drähte, die zwischen der planmäßigen Bevorzugung eines anspruchsvollen
modernen Strebers und dem Eifer von Vühnendirektorcn und kritischen Or¬
ganen laufen, man wird wild und sührt dann eine der beabsichtigten Nieder¬
lagen herbei, die unter Umstünden ein ernstgemeintes, durchaus achtbares Werk
als Pfuscherei erscheinen lassen. Daß mit einem großen Theater- oder Zei¬
tungsskandal der Litteratur so wenig ein Dienst geleistet ist, wie mit der
blöden Bewunderung, die vorher und nachher in zwanzig Fällen von den
goldnen Drähten ins Publikum getragen wird, braucht man nicht erst nach¬
zuweisen.
Der Begünstigung bestimmter durch den Besitz über die höherberechtigten
und gleichberechtigten Mitbewerber erhobnen Dichtergruppen ist die einer ge¬
wissen Zahl von Malern verwandt, an deren Erfolg der Kunsthandel so er¬
kennbare Interessen hat, daß er sie ausschließlich in deu Vordergrund der
öffentlichen Teilnahme zu drängen sucht. Hier läßt sich von Erfolg auf Aktien
um so entschiedner sprechen, als gar kein Geheimnis daraus gemacht wird,
daß dieser oder jener Unternehmer eine beträchtliche Summe an dies oder
jenes Bild gewagt hat und nun alle Künste der Reklame und der persönlichen
Wirkung aufbietet, um dem Bild in allen größern Städten eine „Sensation"
zu sichern. Immerhin haben sich die Kreise der Maler und Bildhauer vou
einer bewußten Bevorzugung des Kapitals freier gehalten als die der
Litteratur, wenn es auch natürlich ist, daß der Besitz auch in ihnen eine ganz
andre Rolle spielt als vor Zeiten. Der Forderung, lieber alles zu malen als
Bilder, die als „Marktware" gebrandmarkt werden können (unter den Begriff
der Marktware fallen u. a. sämtliche Schöpfungen von Defregger, Vautier und
Andreas Ueberhand), sind die Vermögenden unter den Malern besser gewachsen
als die unbemittelten Talente. Die großen Würfe, mit denen eine ganze
Wand in den Kunstausstellungssälen gewonnen wird, die phantastischen Niesen¬
rahmen, die die Augen des Publikums sichrer auf sich ziehen als die Bilder
selbst, die Sonderausstellungen, in denen drei Dutzend Werke auf einmal einem
bis dahin Unberühmten zum lärmend verkündeten Namen verhelfen, sind lauter
Dinge, die eine volle Tasche voraussetzen. Gegen ein hochmütiges Sich-
nbschließen der Glückbegünstigten, ein Herabdrücken der ürmern Genossen
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