Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.Gretna-Green Scheidung gleich geachtet. Diese Bestimmung ist aber durch das Reichsgesetz vom Nach 8 5695 unsrer Prozeßordnung ist die Staatsanwaltschaft in Ehesachen Nun das in Paris so viel berufne Altenburger Recht! Es ist uns nicht Gretna-Green Scheidung gleich geachtet. Diese Bestimmung ist aber durch das Reichsgesetz vom Nach 8 5695 unsrer Prozeßordnung ist die Staatsanwaltschaft in Ehesachen Nun das in Paris so viel berufne Altenburger Recht! Es ist uns nicht <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0106" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/223690"/> <fw type="header" place="top"> Gretna-Green</fw><lb/> <p xml:id="ID_327" prev="#ID_326"> Scheidung gleich geachtet. Diese Bestimmung ist aber durch das Reichsgesetz vom<lb/> 6. Februar 1875 über die Beurkundung des Persvnenstands und die Eheschließung<lb/> aufgehoben. Nach den Prvzeßverhaudluugcu hat denn auch eine förmliche Scheidung<lb/> und zwar durch die Gerichte, nicht, wie es in Weimar auf den Antrag beider Ehe¬<lb/> gatten auch zulässig ist, ans landesherrlicher Machtvollkommenheit, stattgefunden.<lb/> Die Scheidung muß, nach den geschlichen Bestimmungen über die sachliche Zu¬<lb/> ständigkeit der Gerichte, von dem Landgericht in Weimar ausgesprochen worden<lb/> sein. Wie kam dieses dazu? Aus welchen Grunde war es örtlich zuständig?<lb/> § 563 der Zivilprozeßordnung lautet: „Für die Rechtsstreitigkeiten, welche die<lb/> Trennung einer Ehe zum Gegenstände haben, ist das Landgericht, bei welchem der<lb/> Ehemann seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, ausschließlich zuständig. Gegen<lb/> einen Ehemann, welcher seiue Frau verlassen und seinen Wohnsitz im Auslande hat,<lb/> kaun von der Ehefrau die Klage bei dem Landgerichte seines letzten Wohnsitzes im<lb/> deutschen Reiche erhoben werden, sofern der Beklagte zur Zeit, als er die Klägerin<lb/> verließ, ein Deutscher war." Der Vicomte de Peyronuy war kein Deutscher und<lb/> hatte, als er sich vou seiner Frau trennte, keinen Wohnsitz im Gebiete des deutschen<lb/> Reichs. Auf den letzten Absatz des Paragraphen kann also die Zuständigkeit der'1'iibuus.ux<lb/> ä'^poläg. uicht gegründet werden, obgleich seine Frau die deutsche Staatsangehörigkeit<lb/> erworben hatte. Ebensowenig hatte aber der Vicomte in Apvlda seinen allgemeine»<lb/> Gerichtsstand. Ein solcher Wird dnrch den Wohnsitz bestimmt, ohne Rücksicht darauf,<lb/> ob dieser im Inlande oder im Auslande gelegen ist. Ist zur Zeit der Klage ein<lb/> Wohnsitz nicht vorhanden, so ist der allgemeine Gerichtsstand an dem Aufenthalts-<lb/> orte in Deutschland, sonst um dem letzten Wohnsitz begründet, gleichviel ob sich<lb/> dieser im In- oder im Auslande befunden hat. Die Nationalität der Fran ist<lb/> für den Gerichtsstand der Ehescheidungsklage gleichgiltig. Der Vicomte de Pehronny<lb/> hatte sich niemals in Apvlda aufgehalten. Er hatte seinen Wohnsitz dort, wo er<lb/> sein Amt verwaltete. Mau sieht also gar nicht ein, wie die rribmnrux ä'^poläa.<lb/> für die Ehescheidungsklage Etineclles haben zuständig sein können.</p><lb/> <p xml:id="ID_328"> Nach 8 5695 unsrer Prozeßordnung ist die Staatsanwaltschaft in Ehesachen<lb/> zur Mitwirkung befugt. Der Staatsanwalt kann, mich wenn er die Klage nicht<lb/> erhoben hat, selbständig Anträge stellen und Rechtsmittel einlegen. Welche Rolle<lb/> hat er nun in diesem Prozeß, sowie in den andern, wo es sich um das slrawxömo<lb/> bisn connu handelte, gespielt? Von dem Vicomte de Pehronny war eine Ver¬<lb/> teidigung der Ehe nicht zu erwarten. Die Ehegatten waren schon von Tisch und<lb/> Bett getrennt. Er hatte schwerlich ein Interesse daran, daß die Ehe nicht rechtlich<lb/> vollständig gelöst werde. Um so mehr war es Sache des Staatsanwalts, erforder¬<lb/> lichen Falls für die Aufrechthaltung der Ehe einzutreten und namentlich ein Rechts¬<lb/> mittel einzulegen, wenn das Landgericht mit Unrecht seiue Zuständigkeit annahm.<lb/> Thatsächlich scheint die Sache sino unter stropiw nnlieii abgegangen zu sein. Die<lb/> sövai'A.tioll no oorps hat 1883 stattgefunden, und noch in demselben Jahre ist, wie<lb/> der Advokat Etincetles angiebt, die Scheidung ausgesprochen worden. Dazwischen<lb/> muß die Naturalisation liegen. Der Prozeß kauu also nur sehr kurze Zeit gedauert<lb/> haben. Wir geben zu, ' daß die Stellung des Staatsanwalts, nachdem die<lb/> Regierung die Naturalisation zum Zwecke der Scheidung bewilligt hatte, etwas<lb/> heilet war.</p><lb/> <p xml:id="ID_329" next="#ID_330"> Nun das in Paris so viel berufne Altenburger Recht! Es ist uns nicht<lb/> bekannt, daß sich in dem weimarischen Recht eine Bestimmung fände, auf Grund<lb/> deren eine söxaröo nig corps, wenn sie 8ujotto 8a.xonno geworden ist, die Scheidung<lb/> verlangen kann. Wir vermuten, daß die Ehescheidung der Etincelle ans der An-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0106]
Gretna-Green
Scheidung gleich geachtet. Diese Bestimmung ist aber durch das Reichsgesetz vom
6. Februar 1875 über die Beurkundung des Persvnenstands und die Eheschließung
aufgehoben. Nach den Prvzeßverhaudluugcu hat denn auch eine förmliche Scheidung
und zwar durch die Gerichte, nicht, wie es in Weimar auf den Antrag beider Ehe¬
gatten auch zulässig ist, ans landesherrlicher Machtvollkommenheit, stattgefunden.
Die Scheidung muß, nach den geschlichen Bestimmungen über die sachliche Zu¬
ständigkeit der Gerichte, von dem Landgericht in Weimar ausgesprochen worden
sein. Wie kam dieses dazu? Aus welchen Grunde war es örtlich zuständig?
§ 563 der Zivilprozeßordnung lautet: „Für die Rechtsstreitigkeiten, welche die
Trennung einer Ehe zum Gegenstände haben, ist das Landgericht, bei welchem der
Ehemann seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, ausschließlich zuständig. Gegen
einen Ehemann, welcher seiue Frau verlassen und seinen Wohnsitz im Auslande hat,
kaun von der Ehefrau die Klage bei dem Landgerichte seines letzten Wohnsitzes im
deutschen Reiche erhoben werden, sofern der Beklagte zur Zeit, als er die Klägerin
verließ, ein Deutscher war." Der Vicomte de Peyronuy war kein Deutscher und
hatte, als er sich vou seiner Frau trennte, keinen Wohnsitz im Gebiete des deutschen
Reichs. Auf den letzten Absatz des Paragraphen kann also die Zuständigkeit der'1'iibuus.ux
ä'^poläg. uicht gegründet werden, obgleich seine Frau die deutsche Staatsangehörigkeit
erworben hatte. Ebensowenig hatte aber der Vicomte in Apvlda seinen allgemeine»
Gerichtsstand. Ein solcher Wird dnrch den Wohnsitz bestimmt, ohne Rücksicht darauf,
ob dieser im Inlande oder im Auslande gelegen ist. Ist zur Zeit der Klage ein
Wohnsitz nicht vorhanden, so ist der allgemeine Gerichtsstand an dem Aufenthalts-
orte in Deutschland, sonst um dem letzten Wohnsitz begründet, gleichviel ob sich
dieser im In- oder im Auslande befunden hat. Die Nationalität der Fran ist
für den Gerichtsstand der Ehescheidungsklage gleichgiltig. Der Vicomte de Pehronny
hatte sich niemals in Apvlda aufgehalten. Er hatte seinen Wohnsitz dort, wo er
sein Amt verwaltete. Mau sieht also gar nicht ein, wie die rribmnrux ä'^poläa.
für die Ehescheidungsklage Etineclles haben zuständig sein können.
Nach 8 5695 unsrer Prozeßordnung ist die Staatsanwaltschaft in Ehesachen
zur Mitwirkung befugt. Der Staatsanwalt kann, mich wenn er die Klage nicht
erhoben hat, selbständig Anträge stellen und Rechtsmittel einlegen. Welche Rolle
hat er nun in diesem Prozeß, sowie in den andern, wo es sich um das slrawxömo
bisn connu handelte, gespielt? Von dem Vicomte de Pehronny war eine Ver¬
teidigung der Ehe nicht zu erwarten. Die Ehegatten waren schon von Tisch und
Bett getrennt. Er hatte schwerlich ein Interesse daran, daß die Ehe nicht rechtlich
vollständig gelöst werde. Um so mehr war es Sache des Staatsanwalts, erforder¬
lichen Falls für die Aufrechthaltung der Ehe einzutreten und namentlich ein Rechts¬
mittel einzulegen, wenn das Landgericht mit Unrecht seiue Zuständigkeit annahm.
Thatsächlich scheint die Sache sino unter stropiw nnlieii abgegangen zu sein. Die
sövai'A.tioll no oorps hat 1883 stattgefunden, und noch in demselben Jahre ist, wie
der Advokat Etincetles angiebt, die Scheidung ausgesprochen worden. Dazwischen
muß die Naturalisation liegen. Der Prozeß kauu also nur sehr kurze Zeit gedauert
haben. Wir geben zu, ' daß die Stellung des Staatsanwalts, nachdem die
Regierung die Naturalisation zum Zwecke der Scheidung bewilligt hatte, etwas
heilet war.
Nun das in Paris so viel berufne Altenburger Recht! Es ist uns nicht
bekannt, daß sich in dem weimarischen Recht eine Bestimmung fände, auf Grund
deren eine söxaröo nig corps, wenn sie 8ujotto 8a.xonno geworden ist, die Scheidung
verlangen kann. Wir vermuten, daß die Ehescheidung der Etincelle ans der An-
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